SZ-Talentiade:Haken bei der Sache

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Frederike Fell aus Freising ist mit 16 Jahren bereits Zweite der deutschen Meisterschaften im Bouldern. Olympia bleibt ein Fernziel.

Von Sebastian Leisgang, Freising

Gudrun Regelein scheint die Frage nicht so recht zu verstehen. Überrascht? Sie? Regelein ist etwas perplex. "Nein", sagt sie dann entschieden, "überrascht war ich nicht. Ich weiß, was in meiner Tochter steckt, was für ein großes Potenzial sie hat." Ihre Tochter, das ist Frederike Fell, 16, eines der größten Talente im Sportklettern.

Dass Frederike Anfang Juni in Berlin bei der deutschen Meisterschaft im Bouldern den zweiten Rang belegt hat, verwundert Regelein daher nicht. Dabei sagt sie: "Das Feld war unglaublich dicht, mit ganz, ganz starken Athleten besetzt." Es war Frederikes erster Wettkampf auf nationaler Ebene in der Erwachsenenwertung, dennoch war nur Monika Retschy, 25, die Titelverteidigerin aus München in dieser Disziplin, besser als sie.

"Monika Retschy", sagt Frederike Fell, "ist schon eine Art Vorbild. Sie ist sehr erfahren, da kann ich mir vieles abgucken." Seit ihrem achten Lebensjahr klettert Frederike für die Freisinger Sektion des Deutschen Alpenvereins (DAV). Ihre Paradedisziplin: Bouldern. Dabei klettern die Athleten an einer Wand mit bis zu vier Metern Höhe - ohne Haken und Seilsicherung. Akrobatische Bewegungen und Sprünge sind gefragt. Eine Matte gewährt im Fall eines Sturzes eine relativ weiche Landung.

Zweimal verletzte sich Frederike bislang am Sprunggelenk, von schweren Blessuren blieb sie jedoch verschont - weil sie ihr Handwerk beherrscht. Ihr Weg in die nationale Spitze im Bouldern scheint vorgezeichnet. Ein Weg, der sie womöglich gar nach Olympia führt? Tokio sei schon erstrebenswert, sagt Frederikes Mutter. Die Sache hat aber einen Haken. "Tokio 2020 - das ist grundsätzlich schon ein erstrebenswertes Datum", sagt Gudrun Regelein, schließlich sei Olympia "für jeden Sportler ein Riesentraum". Der Haken ist allerdings: Frederike könnte in Fernost nicht nur im Bouldern antreten, sie müsste sich auch im Lead und Speed beweisen. Beim Lead ist das Ziel, eine Route an der Wand möglichst sturzfrei zu meistern, respektive auf dieser Route höher als die Konkurrenten zu klettern. Beim Speed muss man, wie der Name verrät, eine Wand möglichst schnell erklimmen.

All diese Disziplinen zu trainieren, das sei nicht möglich, erklärte selbst die deutsche Meisterin Retschy jüngst und kündigte deshalb schon jetzt an, bei Olympia nicht mitmischen zu wollen. Bouldern, Lead und Speed seien drei verschiedene Sportarten, sagte Retschy. Ihre Bedenken teilt Frederikes Mutter: "Ich sehe keine Option, wie sie das alles parallel zueinander trainieren soll", sagt Gudrun Regelein, "ich kann mir das nicht vorstellen."

Ihre Tochter hingegen gibt sich kämpferisch. Mit einem Anflug von jugendlichem Leichtsinn erzählt Frederike Fell, Klettern sei ihr derzeit wichtiger als die Schule. Später wolle sie mit dem Sport ihren Lebensunterhalt bestreiten, dabei wisse sie, dass das Geld, das man mit Klettern verdienen kann, wohl nicht ausreiche, um davon zu leben. Zum Thema Tokio 2020 sagt Frederike Fell: "Ich werde es versuchen. Es ist zwar fast unmöglich, aber Olympia ist mein Ziel."

Bisher erschienen: Hannah Schlickum (8.6.), Cornelia Rips (10.6.), die Geschwister Unz (16.6.). Die Preisverleihung findet am 12. Juli statt.

© SZ vom 20.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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