SZ-Serie "Fanbeziehung":In guten wie in schlechten Zeiten

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Sanny Haschenz ist Vorsitzende des Fanklubs "7. Mann". Ihrem EHC München ist sie auch nach dem Einstieg von Red Bull treu geblieben. Die Kommerzialisierung des Vereins sieht sie aber kritisch.

Von Christian Bernhard

Es muss schon wirklich etwas Außergewöhnliches passieren, dass Sanny Gmach ein Spiel des EHC Red Bull München verpasst. Normalerweise reist die Münchnerin ihrem Verein so gut wie überall hinterher, selbst ein Vorbereitungsturnier in Dänemark ist für sie kein Ausschlusskriterium. Bei den zwei EHC-Auftritten Mitte August in Garmisch-Partenkirchen fehlte sie allerdings, "anderweitige Verpflichtungen" verhinderten ihre Präsenz. Die konnte man so gelten lassen: An jenem Wochenende wurde aus Sanny Gmach Sanny Haschenz - und sie stand da, wo normalerweise die EHC-Spieler stehen: auf dem Eis der Münchner Olympia-Eishalle. Vor der Nordkurve. Im Brautkleid. Natürlich hat sie ihren frisch angetrauten Mann vor sieben Jahren beim EHC "kennen und lieben" gelernt.

Sanny Haschenz verfolgt das Münchner Eishockey seit dem Jahr 2000. Als 14-Jährige stand sie erstmals bei den München Barons in der Kurve. Nach deren Aus begleitete sie den EHC - von der Bayernliga bis zu den zwei DEL-Meisterschaften in den vergangenen zwei Spielzeiten. Von offenen Eisstadien, "auf dem Acker, wo Kühe neben uns gegrast haben", bis in die europäischen Multifunktions-Arenen. "Der EHC ist wie mein Baby", sagt sie. Haschenz hat zwischenzeitlich für den Verein gearbeitet, sie war Fan-Sprecherin, und mittlerweile ist sie die erste Vorsitzende des 2007 gegründeten Fanklubs 7. Mann.

Auch der hat wie der Verein turbulente Jahre hinter sich. Der Red-Bull-Einstieg beim EHC im Jahr 2012 war nicht nur für den Verein eine Zäsur. Mehrere Fanklubs lösten sich auf, auch der 7. Mann. Gründer Oliver Wenner positionierte sich ganz klar gegen das österreichische Unternehmen. "Als Fan", sagte er damals, wolle er "einen Sportverein unterstützen, kein Unternehmen". Haschenz blieb dem EHC treu - und belebte 2014 den 7. Mann wieder. Doch vieles war nicht mehr so wie früher. Selbst gute Freundschaften seien aufgrund des Red-Bull-Einstiegs zerbrochen, erzählt sie. Haschenz ist die einzig Verbliebene der ursprünglichen 7.-Mann-Besetzung.

Dreiecksbeziehung: Sanny und Stephan Haschenz sind nicht nur selbst in Liebe vereint, sie teilen auch ihre Zuneigung zum EHC München. (Foto: Sandra Berndt, privat)

Die Red-Bull-Gegner, mit denen sie nur noch sporadisch in Kontakt ist, verstünden nicht, dass es "für mich immer noch der EHC ist, den ich vor 15 Jahren in seinen Kinderschuhen begleitet habe", sagt sie. Die Nordkurve sei immer noch ihr Zuhause, was auf dem Trikot steht, ist für sie zweitrangig. Trotzdem: Eine andere Klubstruktur, ohne Eigner, wäre ihr auch lieber. "Natürlich würden wir uns noch mehr freuen, wenn es noch der EHC wäre, wie er mal war", sagt sie. Aber sie hat sich abgefunden. Haschenz "akzeptiert" Red Bull.

Seit der EHC mit dem Bullen auf dem Trikot aufläuft, ist er für Eishockey-Traditionalisten zur Projektionsfläche alles Bösen geworden. Das, was RB Leipzig im Fußball ist, ist der EHC im Eishockey. "Bullenschweine"-Rufe sind bei jedem Heimspiel aus der Gästekurve zu vernehmen. Haschenz ärgert die "Engstirnigkeit" der Red-Bull-kritischen Fans. Sie verweist darauf, dass hinter jedem deutschen Klub ein Investor oder Geldgeber stehe, "sonst könnten sie nicht überleben". Wenn sie mit anderen Fans diskutiert, hallt ihr meistens entgegen: "Aber Red Bull ist etwas anderes." Das reicht ihr nicht als Antwort. Mit dem Red-Bull-Einstieg änderte sich sogar das Verhalten von befreundeten Fans anderer Mannschaften. Ein guter Freund aus Berlin weigerte sich, Sanny Haschenz "mit diesem Logo auf der Brust" zu umarmen, als sie ihn in der Vereinsjacke begrüßte.

Die Kommerzialisierung geht aber auch ihr zu weit. Mehr Kommerz, weniger Kult: Diesen Zwiespalt muss auch sie aushalten. Sie fand es "künstlich", als der EHC vor zwei Jahren den Versuch unternahm, die alte Münchner Eishockey-Tradition des Sternenhimmels wiederzubeleben, indem er die Zuschauer animierte, die Eishalle mit Handylichtern statt mit Wunderkerzen zu erleuchten. "Dazu sage ich: Nein." Heute stünden viele "neue Fans und Eventis" in der Halle, durch die "große" Kommerzialisierung "bricht natürlich schon ein Stück Kult weg", betont sie. Gerade für den harten Kern der Fans sei dadurch viel kaputt gegangen. "Du schreist dir 60 Minuten lang die Seele aus dem Leib, und wenn du dich umdrehst, schauen dich 90 Prozent mit ausdruckslosem Gesicht an." Früher sei die Kurve eine Einheit gewesen, heute ist sie das nicht mehr, findet sie.

(Foto: N/A)

Haschenz erwischt sich oft dabei, wie sie an die "alten, familiären Zeiten" denkt, als die Spieler die Lieder, die ihnen die Fans gedichtet hatten, noch auf dem Eis mitsangen und danach mit ihnen quatschten, als sie sich "ehrlich freuten". Heute "bist du halt einfach nur noch Zuschauer", sagt sie. Ihre Liebe zum EHC ist dennoch ungebrochen. "Es ist schwer zu beschreiben", sagt sie, "aber es ist trotzdem noch mein Verein." Für Sanny Haschenz hat sich an dem, was sie für den Klub tut, "eigentlich nichts" geändert. Sie wird weiterhin viel Zeit, Herzblut und Geld in den EHC stecken. "Aber das mache ich gerne", versichert sie, "dafür lebe ich."

SZ-Serie, Folge 9. Bisher erschienen: Bigreds, FCB-Basketball (10. August), Queerpass, schwul-lesbischer Fanklub des FC Bayern (16. August), Pooligans, BC Dachau (19. August), Hachinga Hammerblock, Alpenvolleys (23. August), Hoaschdenger Buam, SV Heimstetten (30. August), Trommler-Gruppe Diappo, TuS Fürstenfeldbruck (2./3. September), Rollwagerl 93, FC Bayern (5. September), Zwoa-Preiss'n-Fanclub, Tischtennis TSV Schwabhausen (7. September)

© SZ vom 08.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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