SZ-Serie: Alte Meister:Es kribbelt noch

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Karl-Heinz Schulz war mit einem besonderen Ballgefühl gesegnet - das hat den Fürstenfeldbrucker bis in die Handball-Nationalmannschaft gebracht

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Aus den Persönlichkeitsprofilen in den sozialen Medien lässt sich bekanntlich jede Menge herauslesen. Das Foto eines T-Shirts mit der Aufschrift "Unterschätze nie einen alten Mann mit einem Handball" hat Karl-Heinz Schulz kürzlich auf seiner Facebookseite geteilt. Damit kokettiert er natürlich mit dem eigenen Lebenslauf - als nach sportlichen Maßstäben alter Mann von 59 Jahren, der immer noch ganz behände mit einem Ball umgehen kann. Mit dem Ball in der Hand hat er sich stets am stärksten gefühlt. Diese Wahrnehmung ist bis heute geblieben.

Mit dem Ball in der Hand hatte Charly Schulz, wie er genannt wird, so manchen Trick drauf, der seine Gegner bisweilen staunend zurück ließ. Fintenreich wie kaum ein anderer agierte der ehemalige Handball-Nationalspieler zu seiner aktiven Zeit auf der zentralen Rückraumposition. Mit nur 1,75 Meter Körpergröße war er zwar eigentlich zu klein für diese Rolle, vielleicht aber hatte ihn genau dieser Umstand so erfinderisch gemacht gegen die Hünen, denen er sich gegenüber sah. "Der Charly hat Dinge drauf, die man nicht lernen kann", hat sein früherer Trainer Peter Feddern einmal gesagt. Sein Handballspiel folgte weniger einstudierten Spielzügen als seinen Intuitionen. Meist konnte er gar nicht erklären, warum er das mache, erzählt Schulz. Aber: "Ich habe immer eine Antwort", sagt er über die Art, wie er den Ball durch die gegnerischen Reihen zum Tor gebracht hat.

Karl-Heinz Schulz redet gerne über Handball und noch lieber über den Handballer Schulz. Seine aktive Zeit scheint immer noch in ihm fortzuleben, obwohl sie eine ganze Weile vorüber ist. Schulz ist in Günzburg groß geworden - und mit den großen Zeiten beim dortigen VfL verbunden. Dabei hätte Schulz auch einen veritablen Fußballer abgegeben, er spielte als Jugendlicher Bayernauswahl. Als Handballtalent wurde er entdeckt, als er in seiner Günzburger Heimat regelmäßig eine vor einem Wohnblock angebrachte Teppichstange mit Bällen bewarf und ein Handballfunktionär zufällig des Weges kam und auf ihn aufmerksam wurde. Mit dem damaligen Bundesligisten VfL Günzburg stand Schulz Anfang der Achtzigerjahre im DHB-Pokalfinale und im Halbfinale des Europapokals, zur Saison 1983/84 wechselte er zu den Reinickendorfer Füchsen nach Berlin, mit denen er erneut ins Pokalendspiel einzog. Zwei Jahre später ging er nach München zum TSV Milbertshofen. Dort lernte er Peter Feddern kennen, seinen Trainer, der ihn dann 1989 ins Münchner Umland zum TuS Fürstenfeldbruck holte.

Es war eine große Sache damals, dass einer wie Schulz, immerhin 35-facher Nationalspieler, künftig in der Kreisstadt an der Amper Handball spielen wollte. Feddern war im Begriff, dort Großes aufzubauen. Das Team stieg von der Landesliga bis in die zweite Bundesliga auf. Schulz war neben dem kroatischen Nationalspieler Stjepan Obran der Genius in der Mannschaft. Wie schon seine Milbertshofener Zeit wurde auch sein Wirken beim TuS durch einen Kreuzbandriss beendet. Danach übernahm er in der Feddern-Nachfolge in Fürstenfeldbruck das Traineramt.

Der Blick zurück bringt Charly Schulz viele schöne Erinnerungen an große Zeiten als Spieler und Trainer. (Foto: Johannes Simon)

1999 endeten die gemeinsamen Jahre, nicht ohne Misstöne. Die großen Erfolge blieben aus, "Autorität nutzt sich nach Jahren ab", stellte A-Schein-Inhaber Schulz damals fest. Dass sie ihn in Fürstenfeldbruck nie ausreichend gewürdigt haben, nimmt er ihnen noch immer ein wenig krumm: "Ich habe dort etwas geleistet, das nicht so anerkannt wurde wie es sollte."

Während der famosen Drittligasaison, die die aktuellen Brucker Handballer im Vorjahr spielten, hat Schulz, der seit vielen Jahren in Fürstenfeldbruck lebt, ein paar Mal zugeschaut. Auch an andere Handballspielstätten zieht es den Wirtschaftsinformatiker bisweilen, besonders gerne in seine Günzburger Heimat, dort genießt er noch große Reputation. "Es war eine große Ehre für uns, dass er hergekommen ist", wird der Günzburger Handballlehrer Stephan Hofmeister zitiert, als Schulz vor anderthalb Jahren das von einer Rekordkulisse von 1200 Zuschauern begleitete A-Jugend-Bundesligaspiel des überaus begabten Günzburger Nachwuchses besuchte.

Nach seiner Fürstenfeldbrucker Zeit verdingte sich der Vater eines Sohnes und einer Tochter (29 und 26 Jahre) noch als Trainer bei den niederklassigen Klubs TSV Indersdorf und SC Unterpfaffenhofen-Germering, als Jugendtrainer war er kürzlich in Fürstenfeldbruck im Gespräch. "Das hätte mich interessiert", sagt Schulz. Noch ist man allerdings nicht zusammengekommen. Auch heute noch, mit fast sechzig Jahren, kribbelt es in seinen Händen, als Trainer hat er ja immer vorgemacht, wie es gehen soll. Doch mittlerweile muss er sich vorsehen, vor zehn Monaten bekam er ein künstliches Hüftgelenk. Alles gut verlaufen, sagt er, seither übt er mit dem für ihn typischen Ehrgeiz in einer Brucker Sportschule. Schon in der Reha "mussten sie mich bremsen", sagt Schulz.

Dieser Ehrgeiz brachte ihn als schon als Spieler weit, weshalb die Nichtnominierung für die Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles zu den größten Enttäuschungen seines Lebens zählt. Einen Tag vor der Abreise sei er aus dem Kader gestrichen worden, erzählt er. Die deutsche Mannschaft gewann schließlich Silber. Den Vorwurf, mit Schulz im Team wäre es Gold geworden, musste sich der damalige Bundestrainer Simon Schobel lange gefallen lassen. Schulz sprach mit Schobel fortan kein Wort mehr - "bis zum heutigen Tag".

© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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