Synchronschwimmerin Bojer:Durstig im Mittelfeld

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Mit Lippenstift und Nasenklammer: Marlene Bojer zeigte bei der WM in Kasan eine ausdrucksstarke Freie Kür - für das Finale reichte es dennoch nicht. (Foto: Patrick B. Kraemer/dpa)

Synchronschwimmerin Marlene Bojer ist in Kasan chancenlos - und dennoch zufrieden

Von Sebastian Winter, München

Barbara Liegl hätte sich die Freie Kür von Marlene Bojer gerne angeschaut, doch sie musste arbeiten am Montagmorgen. Ohnehin wäre es sehr schwierig geworden für die A-Lizenz-Trainerin der SG Stadtwerke München, die im Klub auch Vorstandsmitglied ist, Bojer live im Fernsehen zu verfolgen. Denn Sender wie ARD, ZDF und Eurosport, die von der Schwimm-Weltmeisterschaft in Kasan berichten, haben die Synchronschwimm-Wettbewerbe nicht ins Programm genommen. Und so zeigte die Münchnerin Bojer, einzige deutsche Teilnehmerin in diesem Wettbewerb, ihre Darbietung zwar vielen Zuschauern auf den Tribünen in Kasans Fußballstadion, in das zwei temporäre Pools gebaut wurden - aber ansonsten unter Ausschluss der (deutschen) Öffentlichkeit. "Man hätte das vielleicht über spanische oder US-amerikanische Sender verfolgen können, die berichten live", sagt Liegl.

Das zeigt schon ganz gut, welchen Stellenwert die Sportart hierzulande hat, in der bei dieser WM auch erstmals Männer starten durften, was immerhin ein großes Thema war. Es war auch ein typisches Thema: Männer und Synchronschwimmen?

Bojer hatte schon vor der deutschen Meisterschaft in München, bei der sie Ende Juni den Solo-Wettbewerb gewann, gesagt, dass sie dieser Zustand nicht glücklich macht. Dass sie ihren Sport aus der Schublade holen möchte, in die ihn selbst viele Mitstudenten stecken. Und sie hat bei ihrer ersten Weltmeisterschaft respektable Ergebnisse erzielt: Dem 18. Platz in der Technischen Kür vom Samstag (76,2452 Punkte) folgte am Montag ein 17. Rang in der Freien Kür, mit 77,0667 Punkten hatte sich Bojer noch etwas gesteigert.

Und auch wenn sie ihre Ziele, 15. zu werden und erstmals die 80-Punkte-Grenze zu knacken, nicht erreichte, auch wenn das Finale der besten Zwölf in beiden Wettbewerben ein gutes Stück entfernt war, zeigte sich die 22-Jährige bereits am Samstag zufrieden: "Den ersten Solo-Start bei einer Weltmeisterschaft" habe sie " ganz gut absolviert". Auch Bundestrainerin Doris Ramadan, die Bojer am Stützpunkt in München betreut, war angetan, sah aber ebenfalls noch Entwicklungspotenzial: "Mit der technischen Kür bin ich zufrieden, hier hat sie ihre technischen Elemente gut gemacht. Aber zur Weltspitze fehlt schon noch einiges. Gerade im Tempo der Bewegungen ist noch viel aufzuholen." Ramadan übte nach der Freien Kür zugleich leise Kritik an der Punktevergabe: "Die Wertungsrichter versuchen sicherlich immer fair zu bewerten, auch wenn ich mir heute schon noch mehr Punkte erwartet hätte."

Mit einem Finaleinzug war dennoch nicht zu rechnen gewesen, er wäre einer kleinen Sensation gleichgekommen. Denn Bojer ist international noch weitgehend unbekannt, sie muss sich dort also erst noch beweisen. So ist das noch immer in Sportarten, in denen die persönlichen Geschmäcker der Juroren auch eine Rolle spielen. Und in denen Neulinge die erfahrenen Platzhirsche nicht einfach so mal verdrängen können. Die von Ramadan angesprochene athletische Komponente, die fehlende Schnelligkeit, kommt noch hinzu.

Dennoch war Bojer von Kasan begeistert. "Am Sonntag habe ich noch mit Marlene gechattet", erzählt Barbara Liegl, "sie sagte nur, wenn es ginge, würde sie das jedes Wochenende machen." Auch dass männliche Synchronschwimmer nach vielen Jahren des Kampfes starten durften - wenn auch nur im Mixed-Wettbewerb - fand Bojer "sehr gut". Vor allem von Alexander Malzew, der mit seiner Partnerin Darina Walitowa hinter den USA Silber gewann, ist Bojer begeistert: "Der ist richtig gut geworden", sagte sie am Wochenende.

Einem weitaus mächtigeren Mann dürfte es nicht gefallen haben, dass die USA den dominanten Russen im Mixed den Sieg entrissen haben: Wladimir Putin. Russlands Präsidenten, der die WM am Freitag effektvoll eröffnet hatte, hat Bojer übrigens kennengelernt - zumindest indirekt. Kurz bevor er die russische Mannschaft im Stadion besuchte, wurden Bojer und Ramadan höflich gebeten, das Bad zu verlassen.🙆

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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