Synchroneiskunstlauf:Synergien unter roter Sonne

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Trotz knapper Trainingszeiten gehört München im Synchroneiskunstlauf zu den führenden deutschen Standorten - mit Teams von internationalem Format.

Von Isabel Winklbauer

Eiskunstlauf ohne Sprünge, ohne Prüfungsdruck, ohne drei tägliche Trainingseinheiten, aber mit Wettkämpfen im Team - das ist Synchroneiskunstlauf. Der Sport erfreut sich zunehmender Beliebtheit: Seit 2000 gibt es Weltmeisterschaften, und gerade unternimmt die Internationale Eislaufunion (ISU) wieder einen Versuch, Synchroneiskunstlauf bei den Winterspielen 2022 in Peking als olympische Disziplin zu etablieren.

Erstaunlicherweise gehört München in Sachen Synchroneiskunstlauf zu den führenden Standorten in Deutschland. Trotz des Mangels an Trainingszeiten lief das Team Munich Synergy beim Deutschlandpokal Anfang Januar in der gemischten Altersklasse auf den dritten Platz, das Team von Red Sunshine wurde gar Erster bei den Erwachsenen. "Die Münchner Synchro-Family umfasst im Moment mehr als 60 Athleten", sagt Elisabeth Birzle, Cheftrainerin von Synergy, "und gerade kamen wieder 32 neue Kinder und Jugendliche zum Schnuppertraining." Es gebe immer mehr Läufer und auch Eltern, denen das Einzelkämpfertum auf dem Eis zu viel ist und die sich mit dem Teamsport wohler fühlen.

Synchroneiskunstlauf hat in München eine 20 Jahre währende Tradition. Birzle, 30, die aus Bad Aibling stammt, hat die Anfänge selbst miterlebt. Sie war Mitglied der Magic Diamonds, eines höchst erfolgreichen Teams des Eis- und Rollsportclubs (ERC) München, das kurz vor der Jahrtausendwende heranwuchs und später international in der Senioren-Meisterklasse startete. Als die Magic Diamonds sich vor fünf Jahren auflösten, rief der ERC Birzle, die in München studierte, an und bat sie, ein neues Team zu leiten.

Synchron in Schwarz: Die Teams Red Sunshine und Munich Synergy üben im Olympia-Eissportzentrum parallel für ihren großen Auftritt an diesem Wochenende. (Foto: Stephan Rumpf)

Heute hat die C-Lizenz-Trainerin nicht nur einen Bachelor-Abschluss in Sportwissenschaften und einen Master in Betriebswirtschaft, sie kümmert sich zusammen mit zwei weiteren Trainerinnen auch um vier Teams. Neben Synergy - hier starten 13- bis 26-Jährige in der Kategorie Mixed Age - haben sich inzwischen nämlich noch das Einsteigerteam Mystery sowie die Jugendmannschaften Fantasy (Acht- bis Zehnjährige) und Destiny (Elf- bis 14-Jährige) gebildet. "Ab acht starten auch alle bei Wettkämpfen", sagt Birzle, die an diesem Wochenende mit drei Teams zum Budapest Cup fährt. "Wir wollen, dass schon die Kleinen schnell mitten rein ins Geschehen finden."

Das langfristige Ziel ist klar: Synergy soll eines Tages wieder ein Meisterklasse-Team werden. In der ersten Saison 2015/16 starteten die 15 Läuferinnen schon einmal als solches. "Doch die Trainingsbedingungen waren unmenschlich", sagt Birzle, "die Eiszeiten, die uns in München zugeteilt wurden, reichten einfach nicht aus, um ein Kurzprogramm und eine Kür einzustudieren." So fuhr die Trainerin mit der Mannschaft teils um fünf Uhr morgens nach Erding, Ruhpolding oder Bad Wörishofen, um zu trainieren, was kaum machbar war, da die Läuferinnen alle einen Beruf oder ein Studium haben. Inzwischen sagt Birzle einigermaßen ernüchtert: "Wir müssen uns auf ein einziges Programm beschränken und somit in einer niedrigeren Kategorie starten."

Trainerinnen Irina Koeltzsch (links) und Elisabeth Birzle. (Foto: Stephan Rumpf)

Warum die Trainingshalle im Olympiapark nicht von sieben bis 23 Uhr geöffnet sei, warum dienstags zur besten Trainingszeit um 18 Uhr Eishockeyspieler die Halle belegten, warum es bei der Trainingsnot immer wieder zu Leerzeiten komme - dieselben Fragen, die den Münchner Eiskunstlauf seit Jahren beschäftigen, werden auch in der Synchronsparte diskutiert.

Auch Irina Koeltzsch, die Kapitänin des Erwachsenenteams von Red Sunshine, kämpft mit ähnlichen Problemen. Ihre 16-köpfige Gruppe, seit 2003 ebenfalls im ERC zuhause, hat mit Trainerin Natalie Drost nur einen einzigen gemeinsamen Trainingstermin pro Woche. "Dadurch sind wir extrem effizient geworden", sagt Koeltzsch, "aber ein zweiter Termin wäre schon toll." Die Ramersdorferin und ihre Frauen haben es noch schwerer als Synergy, mehr Trainingszeiten zu ergattern, und das als deutscher Pokalsieger. Denn erwachsene Läufer gelten im Münchner Stadionbetrieb nicht als Leistungssportler. Was Koeltzsch, die selbst täglich eineinhalb Stunden solo trainiert, lächeln lässt. "Das ist es ja", sagt sie, "Synchroneiskunstlauf ist ein Sport, den man nicht nur in der Jugend betreiben kann, sondern praktisch das ganze Leben. Es gibt so viele über 30-Jährige, die aktiv trainieren wollen und Wettkämpfe als Ziel haben."

Mit ihrem Siegerlauf, einem Parov-Stelar-Medley, stellen sich Red Sunshine am kommenden Wochenende beim Swiss Cup in Widnau der internationalen Konkurrenz. "Die Schweizer Teams sind stark", sagt Koeltzsch, "aber wir haben auch hochwertige Elemente." Zum Beispiel die so genannte Box-Intersection, in der die Läuferinnen vier Linien rückwärts durchkreuzen, ohne dabei nach hinten zu schauen. Das Podium ist jedenfalls anvisiert, genauso wie bei Munich Synergy und ihrem Programm "Rockstar". "Wir wollen beim Budapest Cup ganz nach vorne", sagt Elisabeth Birzle, "und die jüngeren Teams steigern hoffentlich ihre Punktezahlen."

Unabhängig voneinander scherzen Birzle wie Koeltzsch: "Vielleicht lernen wir unterwegs einen wohlhabenden Eislaufliebhaber kennen." Ein Investor, der den Münchner Eiskunstlauf fördert und Meisterbedingungen schafft: "Das wär's." Es steckt ein ernster Gedanke dahinter.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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