Studentenstadt gegen RFC:"Das ist Rugby"

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Aufgefahren in den Münchner Himmel: Die Spieler des RFC (hellblaue Trikots) Und der StuSta errichten im Englischen Garten eine Pyramide. (Foto: Claus Schunk)

Das Münchner Derby erfährt in den letzten Sekunden eine dramatische Wendung

Von Alexander Mühlbach, München

Als der Ball den metallenen Pfosten trifft, schreien die Zuschauer auf, manche sinken auf die Knie, andere springen wütend auf und ab. Ein wildes Durcheinander, das die Gefühlslage der Spieler des Studentenstadt Rugby Clubs (StuSta) perfekt reflektiert: Das Zweitliga-Derby gegen den Münchner RFC war eine einzige emotionale Achterbahnfahrt.

Sekunden vor dem Pfostentreffer sah alles danach aus, als würde die Studentenstadt den Lokalrivalen mit einer Niederlage nach Hause schicken. In den Münchner Süden, dorthin, wo es sicherlich nicht so schön ist wie bei ihnen im Norden des Englischen Gartens. Nachdem die StuSta-Spieler am Anfang einem Sieben-Punkte-Rückstand hinterherrannten, hatten sie der Partie im weiteren Verlauf ihren Stempel aufgedrückt. Sie führten mit 22:15 - und jetzt, fünf Minuten vor Schluss, hatte Ian Scott mit einem Strafkick die Chance, das Spiel zu entscheiden. Er musste nur das Ei zwischen zwei vertikale Metallstangen kicken. Dafür gibt es, im Erfolgsfall, drei Punkte, und so ziemlich jeder unter den rund 300 Zuschauern dachte, das wäre es dann. Aber Scott, der Kicker, bolzte den Ball aus 30 Metern an die Stange.

Es dauerte eine Weile, ehe Scott nach dem Spiel seine Sachen zusammengepackt hatte. Hinter ihm leuchtete in gelben Ziffern der Endstand: 22:22. Unentschieden. In den letzten fünf Sekunden hatte die StuSta dieses eigentlich schon gewonnene Spiel tatsächlich noch aus der Hand gegeben, als Maximilian Fenske den Ball durch die Abwehr zum Ausgleich für den RFC in die Endzone trug. Unentschieden also auf dem Platz. Aber weil diese Derby so spannend war und die Zuschauer derart begeisterte, sagten beide Trainer hinterher: "Heute ist der Gewinner der Rugby."

Ian Scott reichte das nicht. Eigentlich, sagt er, hatten sie das Spiel doch unter Kontrolle. Er sieht müde aus, abgekämpft, traurig. Gras hängt an seinem Knie, eine große Schürfwunde ziert seine Stirn. Scott hat in den 80 Spielminuten alles aus sich herausgeholt, so wie das gesamte Team. "Wir haben das Spiel dominiert", sagt Scott. Sie seien so viel besser gewesen als am Wochenende davor, als sie zum Saisonauftakt gegen den Aufstiegsaspiranten Heidelberg 19:31 verloren. Ein Derbysieg hätte gut getan. Stattdessen fühlt sich Scott so, als wären sie gerade abgestiegen. Als hätten sie tatsächlich verloren. Er sagt: "Es ist bitter, so zu verlieren."

Beim RFC dagegen ist nach dem Ausgleich in letzter Sekunde die Stimmung ausgelassen. "Das war eine fantastische zweite Hälfte von meinem Team", sagt Trainer Philip "Lofty" Stevenson, der außerdem die österreichische Nationalmannschaft coacht. Der RFC war mit einem 65:0 gegen Aufsteiger RC Regensburg gestartet. Es war also eine neue Situation für die Spieler, zur Halbzeit 10:17 zurückzuliegen. Mit dem Unentschieden, so Stevenson, könne er daher gut leben. Die Studentenstadt sei in den vergangenen Jahren immer stärker geworden. Zudem hatte der RFC nach sechs Minuten Kapitän Pablo Puyalto durch einen Kreuzbandriss verloren; Puyalto wurde auf einem Biertisch vom Feld getragen. "Nach zwei Spieltagen kann so eine Verletzung schon mal passieren", sagt Stevenson. "Da sind die Muskeln noch nicht so sehr auf den unebenen Untergrund eingestellt. Zudem verkraften sie die ganzen Schläge noch nicht so gut." Der RFC bezahlte den Punktgewinn mit drei weiteren Verletzten. "Jeder da draußen auf dem Spielfeld weiß, dass was passieren kann", sagt Stevenson. "Das ist Rugby."

Es ist der Satz, der auch Ian Scott durch den Kopf gegangen sein könnte, als er aus 30 Metern einen 20 Zentimeter breiten Metallpfosten traf. Vielleicht dachte er aber auch nur: Shit.

© SZ vom 14.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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