Streetball:Chinesische Mauer

Lesezeit: 2 min

Giftige Abwehr, flüssige Kombinationen und 100 000 Dollar Siegprämie: Der Münchner Niels Jäger stellt eine bunte Truppe aus Erst- bis Drittliga-Basketballern zusammen und gewinnt überraschend das Riesenturnier in Schanghai.

Von Ralf Tögel, München

Eine Stunde Schlaf, so erzählt Niels Jäger, hätte das Basketball-Team Deutschland gerade mal abbekommen, ehe der wohl wichtigste Termin des verlängerten Wochenendes anstand: die Übergabe des Preisgeldes. "Um halb sieben Uhr früh sollten wir in die Hotellobby kommen", so Jäger, die Deutschen waren trotz kurzer Nacht und ausgiebiger Feier pünktlich, dann "bekam ich einen Umschlag mit 100 000 Dollar". Zwar seien 20 000 Dollar schon gleich mal als "Tax" vom Veranstalter abgezwackt worden, doch auch ohne diese Gebühr trat jeder Spieler die Heimreise vom "Jump 10", mit einem stattlichen Sümmchen an. Der Ausflug hatte sich nicht nur monetär gelohnt, das Streetballturnier in Schanghai ist eines der professionellsten und am höchsten budgetierten weltweit, der Veranstalter übernimmt beispielsweise alle Kosten.

Der Sieg war so verdient wie überraschend, dass das deutsche Team im güldenen Konfettiregen nach dem viertägigen Open-Air-Turnier den riesigen Pokal in den Nachthimmel stemmt, war nicht unbedingt erwartet worden. Im Vorjahr war nach der Vorrunde Schluss, erinnert sich Jäger, nun hatte er bei der Zusammenstellung der Mannschaft ein besseres Händchen. Was natürlich auch an Ralph Junge lag, Trainer des Zweitligisten Nürnberg Falcons. Mit ihm hatte Jäger bei der DJK München in der Regionalliga zusammengespielt, nun konnte er sich auf die Expertise seines Freundes verlassen, der gleich ein paar wichtige Akteure aus seinem Team mitbrachte. Jäger ist für Marketing und Design beim Münchner Basketball-Ausrüster K1X zuständig, der das Team unterstützte, hat das Fachmagazin Five mitgegründet, für das Deutsche Sportfernsehen NBA-Spiele moderiert und ist in Sachen Streetball bestens vernetzt. Auch an den ehemaligen FCB-Spielern Steffen Hamann und Jan Jagla "war ich dran", aber ihr Mitwirken hätte sich dann kurz vor Reisebeginn zerschlagen. Topspieler aus der Bundesliga zu rekrutieren, gelang Jäger trotz guter Kontakte etwa zu den Bayern nicht, die Profis befinden sich allesamt derzeit im Vorbereitungsprogramm für ihre Klubs.

Die Gegner spielen in eigenen Streetball-Ligen, das deutsche Team am besten zusammen

Es hat auch so gereicht, Teammanager Jäger und Coach Junge stellten eine schlagkräftige Auswahl aus Akteuren der zweiten und dritten Liga zusammen, verstärkt mit Cracks wie dem ehemaligen Nationalspieler Andrej Mangold, der viele Jahre bei verschiedenen Bundesligisten als Point Guard die Fäden zog. Auch beim FC Bayern war der Spielmacher früher tätig, zuletzt spielte er in der BBL für Würzburg, ehe er sich in dieser Saison dem slowakischen Erstligisten Handlova anschloss. Eine wichtige Rolle spielte auch Center-Riese Jason Boone, der in der Bundesliga zuletzt für Ludwigsburg auflief und nun in Rumänien spielt. Spieler also, die entweder unterhalb der ersten Liga spielen oder in Ländern, deren Saison später beginnt.

Schon in der Vorrunde bewies die Mannschaft mit dem knappen Sieg gegen Titelverteidiger USA ihr Potenzial, ging im Feld der 16 erlesenen Teams als ungeschlagener Gruppenerster ins Achtelfinale, in dem eines der vier chinesischen Teams "weggehauen wurde", wie Jäger findet. Im Viertelfinale wurden physisch starke Australier bezwungen, ehe erneut Team USA wartete. Nachdem in den ersten Spielen wegen Regens in die Halle ausgewichen wurde, fand die K.o.-Runde in einem "unglaublichen Outdoor-Stadion" statt, so Jäger, vor 5000 begeisterten Zuschauern. Ein Vorteil für die Profis aus Übersee, denn das Gros der Spieler verdient sein Geld in Los Angeles in einer eigenen Streetball-Liga, ist solche Bedingungen also gewohnt. Dem setzte Deutschland das beste Teamplay entgegen, hatte zudem Sebastian Schröder in seinen Reihen, der zum besten Turnierspieler gekürt wurde - und gewann erneut. Im Finale warteten die China Kings, ein Team, das ausschließlich solche Turniere spielt und allein wegen der frenetischen Fans Favorit war. Doch Team Deutschland war nicht zu stoppen und kämpfte auch die Gastgeber mit unglaublichem Einsatz und feinen Kombinationen nieder.

Auf der Heimreise sei Jäger immer wieder auf den riesigen Pokal angesprochen worden, er sei dauernd beglückwünscht worden. Und: "Ich habe es genossen."

© SZ vom 24.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: