Sportschießen:Schwere Zeiten für Traditionsvereine

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Grauenvoller Saisonstart: Michaela Walo vom Bund München. (Foto: Johannes Simon)

Luftgewehr-Bundesliga: Während der Bund und die HSG München patzen, bestätigt Prittlbach seine blendenden Aussichten

Von Julian Ignatowitsch, München

Palmen und Meer in Andalusien statt der Pfarrkirche Christkönig in Waldkraiburg: Barbara Engleder brauchte mal ein paar Tage Erholung. Nach der Goldmedaille von Rio und all den Empfängen und Feiern, die sich daran anschlossen, entspannte sie in der vergangenen Woche beim "Champion des Jahres", einer Veranstaltung der Deutschen Sporthilfe. Nicht in Bayern, sondern in Spanien. "Die Medaille wird zum Reiseticket für eine gemeinsame Urlaubswoche unter Gleichgesinnten", so lautete der Slogan. Engleder tat also, was alle dort taten: Sie schaltete ihr Handy aus und ging auf den Golfplatz.

Unterdessen startete ihr Verein, der Bund München, an diesem Wochenende in die Luftgewehr-Bundesliga, eben in Waldkraiburg, einer Kleinstadt im oberbayerischen Landkreis Mühldorf, nicht weit weg von Engleders Heimatstadt Triftern. Doch ohne ihre Nummer eins war das Münchner Team chancenlos. Erst ein 2:3 gegen Aufsteiger Eichenlaub Saltendorf, dann ein 0:5 gegen die SG Coburg. "Eine grauenvolle Leistung", sah Teammanager Simon Muschiol. Gerade am zweiten Tag blieben seine Schützen weit unter Bundesliganiveau. Außer dem Franzosen Pierre-Edmond Piasecki traf keiner der fünf Angetretenen mehr als 390 Ringe. "Ein Start zum Vergessen", meinte Muschiol, und: "Natürlich hat uns Barbara gefehlt."

Nun kann ein schlechtes Wochenende im Schießsport mal vorkommen, aber Muschiol weiß genau, dass der Traditionsverein aus dem Münchner Norden, der normalerweise alljährlich um die Meisterschaft kämpft, in dieser Saison nicht so gut besetzt ist wie sonst. In Silvia Rachl verlor die Mannschaft eine Nationalkaderschützin und ihre Nummer zwei. Ersatz konnte nicht gefunden werden. Deshalb ist der Bund plötzlich enorm abhängig von Engleder. Ausgerechnet jetzt, wo die 34-Jährige andere Prioritäten setzt. Engleder hat ihre internationale Karriere beendet und will sich zukünftig auf Familie und Beruf besinnen. Sie tritt eine Verwaltungsstelle im Trifterner Rathaus an, hat einen dreijährigen Sohn, für Training am Schießstand bleibt wohl nicht viel Zeit übrig. Muschiol und Bund-Trainer Norbert Ettner vertrauen darauf, dass Engleder ihr "über Jahre hohes Niveau trotzdem halten kann". Dabei ist aber nicht sicher, ob die Goldmedaillengewinnerin tatsächlich immer zur Verfügung steht. Die Wettkämpfe am Wochenende sind zeitintensiv - und die sogenannte Aufwandsentschädigung überschaubar.

Der Bund muss sich in diesem Jahr also voraussichtlich auf den Abstiegskampf einstellen. Aktuell steht man auf dem letzten Tabellenplatz und Alternativen sind rar. Auch die zweite Mannschaft verlor zum Start beide Wettkämpfe und ist Schlusslicht. Muschiol klagt in diesen Tagen nebenbei auch über das Ausbleiben des Nachwuchses und fehlendes Engagement. "Die Schützen, die wir haben, können auf jeden Fall besser schießen", meint er. Schließlich sind Michaela Walo, Josefa Gistl oder Michael Wolf seit Jahren dabei und haben schon viele Wettkämpfe für den Bund gewonnen. Im Heimkampf in zwei Wochen "müssen wir wieder bei null anfangen".

Dann sind auch die beiden anderen Münchner Teams im Tenniscenter Allach zu Gast. Bei der HSG München, die mit einem Sieg (5:0 gegen Niederlauterbach) und einer Niederlage (2:3 gegen Königsbach) begann, stehen derzeit ganz andere Themen im Vordergrund. Der Verein hat sein Bundesligateam wegen Streitigkeiten mit dem Deutschen Schützenbund für das kommende Jahr abgemeldet. Während die Traditionsklubs also derzeit um ihr Standing im Spitzensport kämpfen, läuft es bei Germania Prittlbach, dem kleinen Verein aus Hebertshausen, rund. Zwei Siege zum Auftakt (4:1 gegen Brigachtal und 4:1 gegen Affalterbach) unterstreichen die Annahme, dass die Prittlbacher in dieser Saison der aussichtsreichste Münchner Verein im Hinblick auf das Bundesliga-Finale im Februar sind.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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