Sportschießen:Immer mit der Ruhe

Lesezeit: 2 min

Beim Schießen spielt die Konzentration eine besondere Rolle, Selina Gschwandtner hat deshalb vor dem Weltcup-Finale am Wochenende bei den Eltern abgeschaltet. (Foto: Claus Schunk)

Selina Gschwandtner ist eine der aufstrebenden Münchner Topschützinnen. Bei der DM ist es nicht gut gelaufen, das soll sich nun im Weltcup-Finale ändern

Von Julian IgnatowiTsch, München

In den Tagen vor ihrem großen Auftritt hat Selina Gschwandtner ein ruhiges Plätzchen gesucht. Weit weg von der Olympia-Schießanlage in Garching-Hochbrück, wo neben der deutschen Meisterschaft jetzt auch das Weltcup-Finale begonnen hat. Es ist laut hier und fast schon überlaufen in diesen Tagen. Mehr als 5000 Sportler tummeln sich die ganze Woche über beim zweitgrößten Breitensportevent in Deutschland auf der Anlage. Gewehr, Pistole, Armbrust und Flinte: Die Vielzahl der Disziplinen und Wettbewerbe bringt täglich neuen Trubel, neue Sieger und neue Verlierer mit sich. Gschwandtner war bei den deutschen Meisterschaften selbst drei Mal am Start, verpasste aber eine Medaille.

Jetzt wollte sie einfach mal raus. "Ich habe ein bisschen Ruhe gebraucht", sagt sie. Also ist sie zu ihren Eltern aufs Land gefahren nach Reischach, einer kleinen Gemeinde im Kreis Altötting mit nicht mal 3000 Einwohnern. Hier ist sie aufgewachsen, hier kann sie abschalten: Vor ihrem Weltcup-Finalauftritt am Sonntag mit dem Sportgewehr genau das Richtige. Schließlich handelt es sich nicht um irgendeinen Wettkampf. Beim Weltcup-Finale treten alljährlich die besten Schützen der Welt gegeneinander an. Nur zehn Starter je Disziplin schaffen die Qualifikation. Gschwandtner hat den Sprung in den elitären Kreis gleich in ihrer ersten Saison bei den Erwachsenen geschafft. Als amtierende Europameisterin und Dritte beim Weltcup in Changwon (Südkorea) hat sie das Ticket fürs Saisonfinale bereits früh gelöst. "Damit habe ich nicht mal ansatzweise gerechnet", sagt sie. "Eigentlich war diese Saison dafür da, erste Erfahrungen in der Frauenklasse zu sammeln."

Nun hat sie also direkt das Maximum erreicht und kann sich überdies gute Chancen auf eine Olympiateilnahme 2016 in Rio ausrechnen. In jeder anderen Nation wäre ihr ein Start bei den Sommerspiele wohl sicher, bei den deutschen Gewehrschützinnen ist die Konkurrenz derzeit allerdings so groß wie nirgendwo sonst. Drei der zehn Plätze sind beim Weltcup-Finale im Sportgewehr von Deutschen belegt. Neben Gschwandtner, die in der Bundesliga für die HSG München schießt, sind auch Barbara Engleder (Bund München) und Beate Gauß aufgrund ihrer herausragenden Ergebnisse qualifiziert. Nina Laura Kreutzer scheiterte außerdem nur knapp. Man kann fast schon von einer kleinen Neuauflage der deutschen Meisterschaften sprechen.

"Mein Ziel ist es, unter die besten Acht zu kommen", sagt Gschwandtner. Denn dann darf sie am Wochenende zweimal antreten. Der etwas umständliche Modus beim Weltcup-Finale schreibt vor, dass die zehn qualifizierten Schützen in einem Vorkampf die besten Acht ausschießen, und diese dann nach den Finalregeln in einem zweiten Wettkampf den Sieger. "Ich möchte nicht zu den Zwei gehören, die vorher rausfliegen", hofft die 21-Jährige. Sie wirkt selbstbewusst, direkt und für ihr Alter sehr abgeklärt.

Dass die internationale Großveranstaltung am Rande Münchens stattfindet, ist gerade für die qualifizierten bayerischen Schützen ein Vorteil, denn "wir kennen die Anlage und alle ihre Besonderheiten, die Stände, die Licht- und Windverhältnisse", erklärt Gschwandtner. "Wir trainieren hier ja auch wöchentlich."

In dieser Woche hat sie allerdings eine Ausnahme gemacht. "Meine letzten Trainingseinheiten habe ich bei der HSG im Schützenheim gemacht", sagt sie. Der Grund ist wieder: mehr Ruhe, weniger Trubel. "Ich muss mich ganz auf mich konzentrieren", sagt Gschwandtner. Auch die anderen laufenden Wettkämpfe in München verfolge sie aktuell überhaupt nicht. Erst am Samstagnachmittag kehrt sie auf die Olympia-Schießanlage zurück. Viele der Hobbyschützen werden ein paar Tage länger bleiben, um den Profis zuzuschauen und diese in einer vollen Finalhalle anzufeuern. Mit der Ruhe ist es dann vorbei.

© SZ vom 04.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: