Sportschießen:Die Volltrefferin

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Olga Kostevych hat das bislang beste Ergebnis in der Bundesliga Süd erzielt, 392 Ringe - mehr als bei ihrem Olympiasieg 2004. (Foto: HSG/oh)

Olympiasiegerin Olena Kostevych liegt mit der HSG München in der Bundesliga auf Final-Kurs

Von Julian Ignatowitsch, München

Am Dienstag ist Olena Kostevych zurück nach Kiew geflogen. Wenn die Ukrainerin auf ihre Heimatstadt zu sprechen kommt, stellt sich die erste Frage quasi von selbst, noch vor allen sportlichen Belangen. Wie geht es dem Land nach dem Bürgerkrieg? "Ich bin keine Politikerin", sagt Kostevych. Gerne redet sie darüber nicht, das merkt man schnell. Sie antwortet auf Ukrainisch, ihr Freund Igor übersetzt. "Wir alle leiden unter den Folgen der politischen und ökonomischen Krise", sagt sie und leitet damit vorsichtig zum Sport über: Die finanzielle Unterstützung habe nachgelassen. "2014 war besonders schwer für uns, aber in letzter Zeit wurde es wieder besser. Wir haben mit der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele angefangen. Und ich bin ja viel unterwegs."

Als international erfolgreiche Schützin reist Kostevych wöchentlich durch Europa und mehrmals im Jahr um die Welt. Seit dieser Saison ist sie öfters auch in der bayerischen Landeshauptstadt. Für die HSG München startet Kostevych in der Luftpistolen-Bundesliga, alle vier Wochen bestreitet sie mit ihrem deutschen Klub ein Wettkampfwochenende. Ihr Freund Igor, der in Österreich wohnt, ist immer dabei, betreut sie und trainiert mit ihr. Zuletzt hat Kostevych mit der HSG zwei Mal gewonnen und dabei das bisher beste Ergebnis in der Gruppe Süd erzielt: 392 Ringe - mehr als bei ihrem Olympiasieg 2004. "Ich bin gut in Form", sagt sie. "Wir sind froh, dass wir sie haben", meint ihr Trainer Detlef Polter.

Als schüchtern und unkompliziert beschreibt er die 1,60 Meter große Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin, die ein bisschen aussieht wie die Schwester von Scarlett Johansson. Mit 30 Jahren hat Kostevych alles gewonnen, was es im Schießsport zu gewinnen gibt. Na ja fast, deutsche Meisterin im Teamwettbewerb war sie noch nicht, der Titel ist im internationalen Vergleich auch minder bedeutend. Trotzdem hat die Bundesliga bei internationalen Schützen einen hohen Stellenwert. Nicht nur, weil es in der Liga zusätzliches Geld zu verdienen gibt, sondern auch, weil die Bedingungen dort so speziell sind wie sonst nur bei Sommerspielen. "Es ist sehr laut, es sind viele Zuschauer da, die Stimmung ist besonders", sagt Kostevych, "dazu der Modus Eins-gegen-eins". Gerade über die Wintermonate, wenn international kaum Wettkämpfe stattfinden, ist die Bundesliga eine lukrative Möglichkeit, im Rhythmus zu bleiben.

Und teilweise erlebt selbst Kostevych noch Neues. Zuletzt hat sie für die HSG nur an Position zwei geschossen, weil die Ergebnisse zu Saisonstart nicht ganz so gut waren. Teamkollege Arben Kucana hatte ihr den Spitzenplatz streitig gemacht. "Das war ungewohnt", meint Kostevych, "und Ansporn, mich weiter zu verbessern. Die Konkurrenz in der Mannschaft ist groß, das hilft allen." Vor jedem Wettkampf zieht sich Kostevych zurück, will allein sein. "Kontakte reduzieren, die Technik prüfen", beschreibt sie ihr Ritual. Sportschützen sind oft kontemplative Menschen, Schießen ein Konzentrationssport.

Die Münchner sind in dieser Saison so breit aufgestellt wie nie und deshalb ein aussichtsreicher Kandidat für den Titel, den sie bisher noch nicht gewinnen konnten. Acht Vollzeitschützen konkurrieren um fünf Startplätze. Trainer Polter hat die Wahl: In der Vorrunde wechselt sich Kostevych mit Antoaneta Boneva aus Bulgarien auf der Ausländerposition ab, so ist die Vereinbarung. Wer besser abschneidet, darf im Finale an den Stand gehen. Aktuell liegt München mit fünf Siegen und nur einer Niederlage auf Rang zwei in der auf zwölf Mannschaften vergrößerten Süd-Gruppe. Die ersten vier Vereine erreichen die Finalrunde und schießen dann im K.-o.-Modus die Meisterschaft aus. "Wir wollen die Vorrunde als Erster beenden", sagt Trainer Polter. "Damit wir fürs Viertelfinale die bestmögliche Ausgangsposition haben." Kostevych sagt: "Ich möchte so abschneiden, dass ich zufrieden bin." Wer ihre Karriere sieht, weiß, dass sie das nur ganz vorne ist.

© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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