Sportschießen:Cinderellas Händchen

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Münchner Medaillenhoffnung für den Deutschen Schützenbund: Selina Gschwandtner hat die Tür nach Rio zu den Olympischen Spielen 2016 aufgestoßen. (Foto: Imago)

Selina Gschwandtner holt beim Weltcup-Finale Luftgewehr-Gold vor Barbara Engleder

Von Julian Ignatowitsch, München

Walt Disney hätte es sich kaum besser ausdenken können. Zum Abschluss der großen zehntägigen Doppelveranstaltung auf der Olympia-Schießanlage in Hochbrück standen ausgerechnet zwei Münchner Schützinnen oben auf dem Treppchen. Ein Happy End wie im Film. Statt eines gläsernen Schuhs erhielt Selina Gschwandtner von der HSG München die große gläserne Weltcupkugel. 21 Jahre jung, braune Haare, Brille und ein extrem ruhiges Händchen: Das ist die neue Cinderella des Schießsports. Barbara Engleder vom Bund München wurde Zweite. Die beiden Deutschen ließen im Weltcup-Finale am Sportgewehr die internationale Konkurrenz weit hinter sich. Dabei waren zum Saisonfinale überhaupt nur die zehn weltbesten Schützen zugelassen, wo zuvor bei den deutschen Titelkämpfen noch Profis und Hobbysportler zusammen schossen.

"Ein überragender Abschluss einer hervorragenden Saison", sagte Gschwandtner, die im März bereits Europameisterin mit dem Luftgewehr geworden war. In ihrer ersten Saison in der Erwachsenenklasse hat sie damit auf Anhieb die zwei wichtigsten Titel gewonnen. Die Tür zu den Olympischen Spielen 2016 steht weit offen. Der Deutsche Schützenbund (DSB) kann mit der jungen Spitzenathletin sogar wieder auf den ganz großen Coup hoffen.

Der Wettkampf zeigte dabei, wie nah Sieg und Niederlage im Schießsport zusammen liegen. Gschwandtner hatte die Qualifikation mit 581 Ringen nur ganz knapp überstanden, während Engleder mit 592 Ringen den Weltrekord einstellte. Ein Ring weniger und Gschwandtner wäre bereits im Vorkampf ausgeschieden, was gleichbedeutend mit dem letzten Platz gewesen wäre. Im Finale, wo jeder wieder bei Null startet, stellte die 21-Jährige einmal mehr ihre Nervenstärke unter Beweis. Der seit 2013 veränderte Finalmodus bestraft jede Schwäche. Geschossen wird im K.o.-System auf Zehntel. Gschwandtner lag früh vorne, traf Schuss um Schuss in die Mitte und war, "als der Finger am Ende ein wenig zittrig wurde", nicht mehr vom ersten Platz zu verdrängen. Ihr Vorsprung betrug summiert schließlich fast vier Punkte, also nahezu eine halbe Zielscheibe.

In den anderen Disziplinen ist das Bild dagegen längst nicht so gut. Mit ihrer Goldmedaille im internationalen Wettbewerb rettete Gschwandtner die Bilanz der acht deutschen Finalisten. Sie und Engleder waren die einzigen DSB-Medaillengewinner in den zehn olympischen Gewehr- und Pistolen-Wettbewerben. Damit erfüllte der Verband gerade noch seine eigene Zielvorgabe. Oliver Geis (Fünfter, Schnellfeuerpistole), Monika Karsch (Sechste, Sportpistole), André Link (Zehnter, Freies Gewehr) und Christian Reitz (Achter, Schnellfeuerpistole) verpassten allesamt das Podest. Daniel Brodmeier (Kleinkaliber liegend) und Beate Gauß (Sportgewehr) mussten wegen Krankheit absagen. China war mit sechs Medaillen, davon dreimal Gold, erneut erfolgreichste Schützen-Nation. Die Deutschen wurden in der Länderwertung dank des abschließenden Doppelerfolges immerhin noch Vierte.

In den zehn Tagen mit Weltcup-Finale und deutscher Meisterschaft präsentierte sich der Schießsport in München insgesamt sehr weltoffen. Mehr als 6000 Sportler schossen mit Gewehr, Pistole, Flinte und Armbrust in mehr als 10 000 Starts Sieger und Verlierer aus. Die Finalhalle war regelmäßig voll, der Applaus beim abschließenden Heimsieg besonders euphorisch.

Für Gschwandtner geht es jetzt übrigens drei Wochen nach Miami. "Einfach mal abschalten, das Gewehr bleibt zu Hause", sagte sie und freute sich auf den bevorstehenden Rundtrip durch Florida. Dort wäre dann auch Zeit für einen Stopp im Disney World Resort in Orlando, wo es so viele Geschichten zu sehen gibt, die eigentlich zu schön sind, um wahr zu sein.

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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