Speed Badminton in München:Zwerg der Zwerge

Lesezeit: 3 min

"Die Liga wird stärker": Alexander Naumann gewann das Einzel gegen Poing, verlor aber im Doppel. (Foto: Florian Peljak)

Die Speedlights München spielen erste Liga in einem Sport, dem viele Menschen erst einmal stirnrunzelnd begegnen: Speed Badminton

Von Alexander Mühlbach, München

Ein Freitagabend Anfang September in München, es ist Derbyzeit, höchste deutsche Liga, es geht, na klar, um alles. Um die Ehre, um die regionale Vorherrschaft, um den Meistertitel. Fangesänge hört man in der Sporthalle an der Riesstraße jedoch nicht, es gibt auch kein volles Haus. Genauer gesagt ist zum Spiel zwischen München und Poing in der ersten Bundesliga Süd kein einziger Fan gekommen. "Zuschauer sind eher selten, und wenn, dann sind es die eigenen Angehörigen", sagt der Vorsitzende der Münchner Speedlights, Alexander Naumann. "Aber woher sollen die Leute auch hiervon wissen?" Naumann meint nicht das Bundesligaspiel, er meint seinen Sport: Speed Badminton. Eine Kombination aus Tennis, Squash und Badminton.

Der Student könnte sich jetzt darüber beklagen, zu wenig Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Liga-Alltag ist grau, die Hallen leer. Aber das ist nicht das größte Problem von Speed Badminton. Der Sport kämpft vielmehr darum, überhaupt als solcher wahrgenommen zu werden. Er ist der Rand der Randsportarten.

Dabei wurde Speed Badminton für die Masse konzipiert. Ein Berliner kam vor gut einem Jahrzehnt auf die Idee, Badminton im Freien spielen zu wollen, draußen in den Stadtparks. Dort, wo man sowieso immer mit Freunden ist. Weil ihm aber der Wind das Spiel kaputt machte, fing er an zu experimentieren. Kürzte den Griff des Squashschlägers, ersetzte den Federball durch kleinere, stabilere Plastikversionen und verbannte auch noch gleich das unhandliche Badmintonnetz vom Feld. Es wird nun nur noch durch zwei je fünfeinhalb Meter große Quadrate markiert, die sich mit einem Abstand von knapp 13 Metern gegenüber liegen. Das Netz braucht es nicht mehr - die Spieler sollen sofort überall loslegen können. Landet der Ball im eigenen Quadrat, bekommt der Gegner einen Punkt; nach 16 Punkten ist ein Satz zu Ende, ein Spiel hat zwei Gewinnsätze.

Naumann, selbst als Spieler aktiv, gewinnt an diesem Abend zwar sein Duell, die Speedlights verlieren dennoch mit 2:4. Poing ist Meister der Südstaffel. München muss hingegen um die Qualifikation für das Finalturnier Anfang Oktober in Hamburg fürchten - denn nur die beiden besten Klubs jeder Staffel der viergleisigen Liga sind dort dabei. Die Speedlights, die zweimal pro Woche draußen im Park zwischen Alter und Neuer Pinakothek trainieren, sind vor dem letzten Spieltag Dritter - sie freuen sich trotzdem, gratulieren Poing. "Die letzten zwei Jahre waren wir immer Meister", sagt Naumann. "Die Liga wird insgesamt immer stärker."

Naumann klingt ein wenig stolz, wenn er davon erzählt, wie sich sein Klub seit der Gründung 2007 entwickelt hat. Er meint nicht nur den sportlichen Erfolg, sondern auch das Mannschaftsgefüge. Neben ihm steht zum Beispiel Thomas Groß, ein ehemaliger Tennisspieler, der wegen eines Tennisarms aufhören musste. Groß merkte dann, dass sein Arm beim Speed Badminton nicht so sehr beansprucht wird. Oder Jacob Jung, der vorher nie Sport getrieben hatte, dann aber im Supermarkt bei einer Treueaktion ein Speed-Badminton-Set geschenkt bekam.

Auch im Derby wirkt alles schön improvisiert. Das Klebeband, mit dem das Feld begrenzt wird, muss mehrmals korrigiert werden. Lange ist nicht klar, wer gegen wen im Einzel spielt. Und Schiedsrichter sind so viele da wie Zuschauer, nämlich keine. "Die Spieler zählen hier selbst ihre Punkte", sagt Naumann. "Wenn man sich nicht einig ist, ob der Ball drin oder draußen war, wird der Punkt wiederholt." Was im Fußball völlig undenkbar wäre, passt wie selbstverständlich zu diesem Sport, bei dem auch das gemeinsame Gruppenfoto vor Spielen dazugehört.

Dennoch nehmen die Spieler den Sport ernst, genauso wie der Weltverband. Am letzten Augustwochenende richtete die International Speed Badminton Organisation (Isbo) in Berlin die WM aus, mehr als 500 Teilnehmer aus 25 Ländern kamen. Der Verband organisiert Weltcups in Amsterdam, Budapest, Tokio oder Mauritius, wo die Amateure - Profis gibt es im Speed Badminton nicht - Punkte für die Weltrangliste sammeln. Dass da ein Sport mit ernsthaften Ambitionen entsteht, hat auch der Badminton-Weltverband erkannt. Er sieht Speed Badminton mittlerweile als Konkurrenz - und hat der Isbo eine Klage wegen des Missbrauchs von Namensrechten angedroht.

Naumann ist egal, wie sein Sport künftig heißt. "Hauptsache er wächst", sagt er. Als das Derby vorbei ist, könnten die Mannschaften duschen und nach Hause fahren. Aber sie spielen einfach weiter, ohne Punkte, ohne Zuschauer, aus reiner Lust.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: