Ski Mountaineering:Es geht bergauf

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Finn Hösch ist in allen drei Disziplinen des Skibergsteigens deutscher Meister. Bei den Olympischen Jugendspielen in Lausanne hat der 16-Jährige im Einzel Rang neun erreicht. (Foto: OIS/Chloe Knott)

Finn Hösch überzeugt bei den Jugendspielen in Lausanne und hofft, dass seine Sportart bis 2026 olympisch wird.

Von Oliver Götz, München

Zu seiner Paradedisziplin, dem Sprintwettbewerb, war sogar der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees gekommen. Thomas Bach sah Finn Hösch und all den anderen Athleten dabei zu, wie sie sich in der wohl am wenigsten bekannten Sportart der diesjährigen Olympischen Jugendwinterspiele in Lausanne maßen: dem Ski Mountaineering. Vermutlich nicht ohne Grund. Das Skibergsteigen war zum ersten Mal dabei. 2022, bei den Olympischen Spielen in Peking, steht die Sportart nicht im Programm. Bis Mailand 2026 soll sich das aber ändern, zumindest wenn es nach Hösch geht. "Olympia ist mein Traum", sagt der Pullacher.

Ein bisschen durfte der 16-Jährige diesen schon jetzt in der Schweiz leben. "Es hierher geschafft zu haben, ist großartig", findet er. In seiner Altersklasse ist Hösch in allen Disziplinen deutscher Meister. Im Einzel, im Vertical und im Sprint. Das Einzel gilt als Kerndisziplin des Skibergsteigens. Zu bewältigen sind mehrere Anstiege und Abfahrten. Im Jugendbereich summieren sich so rund 1000 Höhenmeter. Dazu gehören Tragepassagen, in denen sich die Athleten ihre Skier auf den Rücken schnallen und zu Fuß weitergehen müssen. Die Strecke ist vorgegeben, präpariert wird sie kaum. "Wir fahren größtenteils Off-Piste", sagt Hösch. "Und das schon waghalsig". Deshalb muss er wie alle Athleten Schaufel, Sonde, Lawinenverschüttetensuchgerät und Rettungsdecke immer dabei haben. Hinzu kommen Mohairfelle unter den Skiern, die sich durch ihre Laufrichtung beim Bergansteigen sträuben und so Halt bieten. Vor der Abfahrt müssen sie runter und sicher verstaut werden. Der Sprint ist quasi ein Einzel in Kurzform und dauert nur drei bis vier Minuten. Im Vertical geht es ausschließlich bergan. Die Disziplin kam in Lausanne jedoch nicht zum Einsatz. Dafür die Mixed-Staffel, welche die deutsche Mannschaft mit Hösch als Schlussläufer auf Platz fünf beendete.

"Die Mannschaft hat super performt, die Leistungen waren insgesamt sehr gut", resümierte Bundestrainer Thomas Bösl. Hösch hatte sich in Lausanne, nach Platz fünf bei seiner ersten WM-Teilnahme im vergangenen März, insbesondere für den Sprint einiges vorgenommen. Am Montagmorgen lief zunächst auch alles nach Plan. Einer guten Qualifikation folgte im Viertelfinale ein "fast perfekter Durchlauf". Zu Beginn des Halbfinals habe ihn dann ein Konkurrent "unfair per Bodycheck" behindert, erklärte Hösch nach dem Rennen. Fortan klemmte er an dessen Skienden. Als es ihm gelang vorbeizugehen, konnte er in der Abfahrt die Linie nicht halten. "Mich hat es aus der Kurve geschmissen", beschrieb er die entscheidende Situation. Lange ärgern wollte er sich nicht. Die Teilnahme stehe im Vordergrund, genauso wie "die Erfahrung, die ich hier sammle". Drei Tage zuvor hatte er im Einzel mit Platz neun schon zeigen können, dass er zu den Besten seiner Sportart gehört. "Finn ist unser Diamant", beschreibt Bösl den Pullacher. "Auch wenn er längst kein Rohdiamant mehr ist, kann er noch weiter geschliffen werden. Wenn er sich körperlich weiter verbessert, wird er auch in Zukunft vorn dabei sein."

In Deutschland ist Finn Höschs sportliche Leidenschaft noch weithin unbekannt. Der Deutsche Alpenverein betreibt Skibergsteigen zwar seit 2001 als Leistungssport, trägt den deutschen Skitourencup aus und stellt die Nationalmannschaft auf, doch an professionellen Strukturen mangelt es. "Vor gut einem Jahr gab es quasi keine Nachwuchsarbeit", erzählt Hösch. Noch immer, fügt er an, sei da "Luft nach oben". Auch Bösl weiß: Andere Nationen, insbesondere die Schweiz, Frankreich und Italien, sind professioneller organisiert, haben mindestens einen festangestellten Trainer. "Um da auf Dauer mithalten zu können, gibt es noch einiges zu tun."

Umso erstaunlicher, wie schnell Hösch in seiner Altersklasse zur Weltspitze aufgeschlossen hat. 2016 fand er über ein Camp in Österreich zum Skibergsteigen. Von Kindesbeinen an ist er Skitouren mit seinem Vater gegangen und hat früh gelernt, worauf es ankommt in dieser Sportart, die eine Art komprimierte Wettkampfform des Skitourengehens ist: auf "skifahrerisches Können, Ausdauer und Konzentration genauso wie den Respekt vor und dem Interesse am Bergsport". Hinzu kommt Trainingsdisziplin. Hösch trainiert 16 bis 18 Stunden pro Woche. Nicht nur Skibergsteigen, auch Leichtathletik: Im Cross-Lauf über 1500 Meter ist er bayerischer Meister. "Die beiden Disziplinen bedingen sich gegenseitig", sagt er. Nach dem Saisonhöhepunkt in Lausanne geht es mit einigen Alpencups weiter, dann nach Italien zur Europameisterschaft. Ob es für Hösch und seine Sportart 2026 auch nach Mailand geht, ist noch eine Weile offen. "Die Chancen stehen gut", glaubt Bösl. "Wir haben in Lausanne als Sportart einen Riesenschritt nach vorn gemacht. Wenn es jetzt nicht reicht, dann wird es schwer."

© SZ vom 16.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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