Ski Alpin:Rendezvous mit Shiffrin

Lesezeit: 3 min

Nach deprimierenden Ergebnissen wechselt die Jachenauer Rennläuferin Elisabeth Willibald aus lauter Verzweiflung ihren Ski. Prompt rast sie beim Nachtslalom von Flachau zum ersten Mal unter die besten 15 im Weltcup

Von Matthias Schmid

Natürlich blieb auch ein wenig Zeit für Smalltalk. Ob sie sich wohlfühle in Garmisch. Wie ihr das bayerische Essen bekomme. Solche Sachen eben fragten Elisabeth Willibald und ihre Mannschaftskolleginnen Mikaela Shiffrin. Es wurden die üblichen Nettigkeiten ausgetauscht, wenn jemand Fremdes zu Gast ist. Wirklich fremd war die US-Amerikanerin am Gudiberg aber nicht. Jede im deutschen Ski-Nationalteam kennt die zweimalige Weltmeisterin, die Olympiasiegerin. Doch bisher hauptsächlich aus Fernsehübertragungen. So nah kommen die deutschen Rennläuferinnen der besten Slalomfahrerin des Planeten normalerweise nicht jeden Tag wie in der vergangenen Woche während der gemeinsamen Trainingstage in Garmisch-Partenkirchen. Willibald bewundert vor allem Shiffrins "Stabilität auf dem Ski", wie sie sagt: "Es ist schon Wahnsinn, wie gut die ist. Dabei ist sie ja nur ein Jahr älter als ich."

Während Shiffrin schon seit fünf Jahren im Weltcup unterwegs ist und so formidabel Ski fährt, dass sie in dieser Saison im Slalom von Aspen sogar mal 3,07 Sekunden schneller war als die Zweitplatzierte, lernt Willibald, 19, das moderne Nomadenleben gerade erst kennen. Für die Sportlerin vom SSC Jachenau (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) ist noch alles neu und aufregend. Sonderlich zu beeindrucken oder gar einzuschüchtern scheint die Sportsoldatin das Ganze nicht, wie das Nachtrennen von Flachau Mitte Januar dokumentierte. Nach einem fulminanten zweiten Lauf durfte sich Willibald erstmals ein kleines bisschen so fühlen wie Dauersiegerin Shiffrin, die Oberbayerin stand im Zielraum in der sogenannten Leaderbox, also dort, wo die Aufmerksamkeit am größten ist. "Das war eine neue Erfahrung für mich und anfangs ein wenig unangenehm", erzählt Willibald mit einem Lächeln, "weil die Kamera permanent auf mich gerichtet war. Man musste richtig aufpassen, dass man nichts Blödes macht". Das Drumherum, den medialen Trubel hatte sie nicht gekannt, sie war in zweiten Durchgängen immer nur staunende Zuschauerin, wenn die Besten in den öffentlichen Blickpunkt rückten, jetzt gehörte sie plötzlich selbst zu ihnen. Ihr gefiel das. Sie begegnete dem Spektakel so unerschrocken wie sie zuvor den Berg hinabgerast war.

Nachtaktiv: Im zweiten Flutlichtslalom von Flachau gelingt Elisabeth Willibald ein furioser zweiter Lauf. (Foto: Imago/Gepa)

Am Ende beendete Willibald das Rennen auf dem 15. Rang, "obwohl ich nicht 100-prozentig zufrieden war". Sie staunte selbst am meisten über ihr bisher bestes Resultat in einem Weltcup-Rennen: "Keine Ahnung, wo das jetzt auf einmal hergekommen ist." Ihre Ungläubigkeit war nicht gespielt. Sie machte eine Phase in ihrer jungen Sportlerkarriere durch, die sie selbst als "deprimierend" empfand. Nichts wollte gelingen in den Rennen, obwohl sie im Training immer zu den Schnellsten gehörte. Sie probierte viel, tüftelte am Material: an den Schuhen, an der Bindung. Sie haderte, weil sie trotzdem nicht schneller wurde. Es war zum Verzweifeln. Bis zum Nachtslalom in Flachau. "Dann bin ich einfach mal mit einem neuen Ski gefahren", sagt sie. Mit einem Ski, der im Inneren etwas anders gebaut ist als das Vorgängermodell. Skifahren ist bisweilen ein ziemlich komplizierter Sport, fast wie die Formel 1. Doch manchmal reicht ein Skiwechsel aus, um ein völlig neues Fahrgefühl zu erlangen. Auch Felix Neureuther kennt das, der plötzlich beim Rennen in Schladming mit einem neuen Schuh wieder seine alten, schnellen Radien in den Schnee schneiden konnte. Der neue Ski führte Willibald nicht nur auf Platz 15 im Weltcup, sondern anschließend auch zu zwei Siegen im Europacup, der zweiten Liga im weltweiten Skisport. Für Frauen-Bundestrainer Markus Anwander kamen Willibalds Platzierungen wenig überraschend. "Im Training kamen bei ihr schon oft gute Ergebnisse heraus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie es auch in den Rennen umsetzt."

Wie weit sie allerdings noch von den Besten entfernt ist, hat sie zuletzt im Training erfahren müssen, in den Läufen gegen Mikaela Shiffrin, die sich in Garmisch nach achtwöchiger Absenz wegen eines Bänderrisses im Knie auf ihre Rückkehr in Crans Montana vorbereitete. "Ich war weit weg von ihr", gesteht Willibald, "aber es war cool und total inspirierend, mit ihr trainieren zu dürfen." Shiffrin siegte dann auch sofort in der Schweiz, während Willibald als 32. den zweiten Durchgang nur um 17 Hundertstelsekunden verpasste. "Schon enttäuschend" fand sie das irgendwie nach den viel beachteten Ergebnissen zuletzt, wie sie sagt, um selbstkritisch hinzuzufügen: "Ich wollte eigentlich nicht nur für eine Spazierfahrt nach Crans Montana fahren. Aber ich bin ja noch jung." So jung, das sie noch an den Junioren-Weltmeisterschaften im russischen Sotschi teilnehmen darf, die in der nächsten Woche stattfinden. Sie wird auf den Olympiastrecken im Westkaukasus auch in den schnellen Disziplinen fahren, in der Abfahrt und im Super G. "Eine Abfahrerin wird aus mir im Weltcup sicherlich nicht mehr werden", sagt sie selbst, "aber bei den Junioren kann ich das noch mal probieren."

Elisabeth Willibald bekommt plötzlich die volle Aufmerksamkeit in der Leaderbox. (Foto: Sven Simon/Imago)

Sie fühlt sich eindeutig in den technischen Disziplinen wohler, sie will sich künftig dem Slalom und Riesenslalom widmen, aber auch im Super G fahren. Wie Mikaela Shiffrin. Elisabeth Willibald hofft, dass sie der Amerikanern künftig nicht nur im Training näher kommen wird, sondern auch auf dem Treppchen. Irgendwann will sie bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen nicht nur mitfahren, "sondern auch eine Medaille mitnehmen".

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: