Serie "Süd-Nord-Ost":Auftanken in Antalya

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0:7 im Pokal: Haidhausens Niklas Stepanek (re.) spielt gegen Unterhaching. (Foto: Claus Schunk)

Zoff an der Eintrachtstraße: Pokalschreck SpVgg 1906 Haidhausen fürchtet den Abstieg

Von Stefan Galler, München

Als der Winter dann doch noch einen Abstecher nach Oberbayern machte, schulterte Toni Rauch die Schneeschaufel. Und das jeden zweiten Tag. "Er hat es sich nicht nehmen lassen, selbst den Platz zu räumen", sagt Giuseppe "Peppo" Scialdone, der Technische Leiter der SpVgg 1906 Haidhausen. Denn der Kapitän des Fußball-Bezirksligisten, der mit ein bisschen mehr Glück vor ein paar Jahren durchaus das Zeug zum Profi gehabt hätte, ist ehrgeizig. "Er wollte um jeden Preis, dass das Training stattfinden kann", sagt Scialdone über Rauch, der einst bei der SpVgg Unterhaching ausgebildet wurde und anschließend dreieinhalb starke Jahre in der Landesliga beim SV Pullach hatte. Der 27-Jährige sei aus einem speziellen Holz geschnitzt, ebenso wie Sebastian Bracher, der 2014 vom Bayernligisten FC Unterföhring nach Haidhausen gewechselt ist. "Hätten wir elf Tonis und Bastis, würden wir drei Klassen höher spielen", so der Macher in der SpVgg-Fußballabteilung.

Doch das ist eben nicht der Fall, weshalb der Aufwärtstrend, den der 2008 fusionierte Verein seit seiner Gründung hingelegt hat, in der Vorrunde der laufenden Saison erstmals einen herben Dämpfer erhalten hat. Aus dem Beckenbauer-Stammverein SC 1906 und dem FC Haidhausen war der Klub hervorgegangen, seine sportliche Heimat hat er an der Eintrachtstraße in Obergiesing. 2011 holte man die Kreisklassenmeisterschaft, im dritten Jahr in der Kreisliga gelang schließlich in der Vorsaison der Aufstieg in die Bezirksliga. Von Erfolgscoach Zeljko Budisa trennte sich der Verein danach in beiderseitigem Einvernehmen, wie Scialdone erklärt: "Es hat wehgetan, denn Zeljko ist ein super Trainer, allerdings auch ein harter Hund."

Der Technische Leiter, der wie er selbst sagt, "alle sportlichen Entscheidungen" im Verein alleine trifft, verpflichtete Helmut Volz, den langjährigen Co-Trainer der Unterhachinger U19-Junioren. Der Saisonstart lief beinahe perfekt für den Neuling, zwei Siege, zwei Unentschieden holte Haidhausen in den ersten vier Partien, setzte sich im Toto-Pokal gegen den Landesligisten Fürstenfeldbruck und den Bayernligisten Pipinsried durch. Doch dann riss der Faden, gegen den jetzigen Spitzenreiter Sulzemoos verlor man trotz der Mehrzahl an Chancen mit 1:3; es setzte sich ein Negativtrend in Gang, der nicht mehr zu stoppen war, fünf Pleiten am Stück plus das Pokal-Aus gegen die SpVgg Unterhaching (0:7) folgten für das erfolgsverwöhnte Team. "Die Jungs konnten damit überhaupt nicht umgehen", sagt Scialdone. "Wir hatten davor zweieinhalb Jahre fast alles gewonnen, im Misserfolg kam es zu Streitereien, jeder hat jeden angeschrien." Coach Volz habe sich nicht als der ideale Moderator erwiesen, den es in einer solchen Situation gebraucht hätte, sagt der 38 Jahre alte Funktionär: "Er war wahrscheinlich zu weich, konnte die Mannschaft nicht mehr erreichen." Es folgte die Entlassung des erfahrenen Übungsleiters und die Beförderung des bisherigen Reserve-Coaches Sinisa Zurovac zum Chef. "Wir wollten unbedingt jemanden, der die Mannschaft kennt", sagt Scialdone.

Das Team bekam die Kurve, hat von den letzten neun Partien vor Weihnachten nur noch eine verloren (3:5 gegen Rohrbach), allerdings auch nur zwei gewonnen. "Besser viele Unentschieden als alles zu verlieren. Ich bin guter Dinge, dass wir den Klassenerhalt noch schaffen", sagt der Technische Leiter angesichts von nur zwei Punkten Rückstand auf die Nichtabstiegsplätze. Zumal er die Winterpause dazu nutzte, den Kader noch einmal personell aufzustocken: In Torwart Andreas Rauschendorfer (zuletzt vereinslos), Michael Hape (Anadolu Bayern), Ervin Okanovic (FC Aschheim), Michael Hoffmann (SV Nord Lerchenau) und Mislav Rados (FC Erding) wurden fünf neue Spieler geholt. Damit habe er auf die oftmals schwierige Personalsituation reagiert, sagt Scialdone: "Kein Vorwurf, dass den Spielern manchmal andere Dinge wichtiger sind als Fußball, es ist ja ein Hobby. Aber dann gehe ich lieber mit 26 Leuten in die Rückrunde."

Der Konkurrenzkampf sei in den ersten Übungseinheiten schon ordentlich spürbar gewesen, sagt der Chef und blickt mit Vorfreude auf den Höhepunkt der Vorbereitung, das einwöchige Trainingslager Mitte März in Antalya. "22 Spieler fahren mit, einen Tag vor dem ersten Punktspiel gegen Jetzendorf kommen wir zurück." Nur 250 Euro muss jeder Spieler selbst berappen, den Rest finanziert der Verein aus den Pokaleinnahmen - alleine gegen Haching waren fast 1000 Zuschauer da. Scialdone betont, dass der Klub finanziell gesund ist. "Wir sind seit Jahren gut aufgestellt, auch weil ich ein paar Freunde habe, die ein bisschen zu viel Geld haben und uns unterstützen", sagt er. Dennoch sei die Vergütung der Spieler stark leistungsbezogen. Für einen wie Toni Rauch ist das gewiss kein Problem. Er zeigt immer Einsatz, nicht nur beim Schneeschippen.

© SZ vom 12.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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