Serie "Bunte Ligà":Wie Stabhochsprung ohne Stab

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Eine Mischung aus Erfahrung und Talent: die Bundesliga-Spielerinnen des SKK Poing 98. (Foto: privat / oh)

Der SKK Poing ist einer der erfolgreichsten deutschen Sportkegelklubs. Aber die Nachwuchssuche leidet unter den Folgen der Pandemie.

Von Christoph Leischwitz, Poing/München

Der FC Bayern, na klar. Oder der EHC Red Bull München: Serien-Meister. Aber der Sport in München und der Region ist mehr als Fußball, Basketball und Eishockey. Zum Beispiel Frisbee, Bogenschießen oder Tipp-Kick. In einer Serie stellt die SZ Bundesligisten und Sportarten vor, von denen viele noch nie etwas gehört haben, die das Angebot aber erst bunt machen. Und es verdient haben, gewürdigt zu werden. Diesmal: die Kegler des SKK Poing.

Sie waren ganz gut mit den Umstellungen zurechtgekommen, mit der Stille zum Beispiel. In normalen Zeiten, was auch immer das ist, wird beim Sportkegeln ordentlich angefeuert. Bis zu 100 Zuschauer kamen zu den Partien des SKK 98 Poing. Im Oktober waren es noch maximal fünf, und die durften nur klatschen, aber nicht mehr rufen: wegen der Aerosole. Seltsam in einer Sportart, die sich viele Jahrzehnte lang gerade wegen ihrer Geselligkeit großer Beliebtheit erfreute. "Die Stimmung ist weg. Damit müssen die Leute erst mal klarkommen", sagt Erwin Zimmermann, Manager und Vorstand des SKK.

Beim Sportkegelklub 98 gibt es viele gut ausgebildete Talente. Ende Oktober stand die Mannschaft auf dem zweiten Tabellenplatz der Bundesliga, ebenso das Team in der zweiten Liga. Und jetzt, wie überall im Amateurbereich: Pause. Seit Anfang November stehen die Kegel im Dunkeln.

Seit acht Jahren spielen die Poingerinnen in der ersten Liga. 2018 gewannen sie in Serbien den NBC-Pokal, den europäischen Pokal der Pokalsieger, auch in der Champions League haben sie schon gespielt. In der vergangenen Saison wurden sie Zweite in der Liga, sie waren dadurch erneut für internationale Wettkämpfe qualifiziert. Als einziger Verein in Deutschland stellt der SKK drei Mannschaften in den drei höchsten Ligen. Da fühlt sich eine pandemiebedingte Zwangspause wie eine Vollbremsung an. "Wir gehen davon aus, dass wir im Januar wieder spielen können", sagt Erwin Zimmermann. Er hofft es.

Nun mag es sich beim Sportkegeln nicht um Hochleistungssport handeln, doch fehlender Rhythmus macht sich auch hier schnell bemerkbar. Zum einen müssen sich die Spielerinnen fit halten für die 120 Würfe pro Wettkampf. Die knapp drei Kilo schwere Vollkugel hat keine Löcher, Balance und Konzentrationsfähigkeit sind unerlässlich und haben auch viel mit antrainierter Routine zu tun. "Es ist ein bisschen vergleichbar mit Stabhochsprung oder einem Hürdenlauf: wichtig ist die Technik", sagt Zimmermann. Mentale Stärke, in den Tunnel zu finden, sich nicht durch Gesten des Gegners ablenken zu lassen, all das spiele mit in den anspruchsvollen Sport hinein.

Der aktuelle Kader wird das wohl alles verkraften, er besteht aus einer Mischung aus Erfahrung und Talent. Bei der WM 2019 gab es im Halbfinale ein Poinger Duell, als Ana Bacan-Schneider (zurzeit in Babypause) mit Kroatien gegen die junge Nationalspielerin Celine Zenker antrat. Erstere gewann später Gold, Deutschland Bronze. Es sind vor allem die Talente, die logistische Probleme bekommen, wie zum Beispiel Rita Zimmermann. Die Tirolerin ist erst 18 Jahre alt und gehört schon zum Bundesliga-Team, doch in den vergangenen Monaten durfte sie oft gar nicht einreisen.

Zurzeit stellt sich das Sportkegeln dar wie eine ungewachste Bahn: Alles wirkt gehemmt und gebremst, es flutscht nicht. Noch mehr Sorgen als um die aktuellen Spitzensportlerinnen macht sich Vorstand Zimmermann aber um den Spitzensport selbst. Der SKK Poing betreibt bayernweit die wohl intensivste Nachwuchsarbeit. Doch seit Ausbruch der Pandemie sind von 60 Jugendlichen und Kindern nur noch 15 übrig. Im Poinger Sportzentrum befindet sich auch ein Basketballplatz. Zimmermann sagt, dort könne man gut sehen, wie Freiluft-Sportarten im Sommer einen klaren Vorteil hatten. Kinder, die zuvor Basketball spielten und zugleich kegelten, würden jetzt eben nur noch Basketball spielen. Seit zehn Jahren bietet der 72-Jährige, der für Bavaria Pasing in der Bundesliga spielte, Kegeln im Schulsport an. Weil das zurzeit nicht möglich ist, wird in einer ohnehin randständigen Sportart der Zulauf weiter gedrosselt. Die Folgen, sagt Zimmermann, seien noch gar nicht absehbar.

Außerdem kommt es ihm so vor, dass in der Pandemie nicht alle an einem Strang ziehen. So hätten sich Ende September Vertreter eines Gastvereins über die Auflagen in Bayern echauffiert, weil so die Kadergröße reduziert wurde, insgesamt durfte der Tross nur noch aus zwölf statt aus etwa 30 Beteiligten bestehen. Jener Verein, erzählt Zimmermann, habe dazu aufgerufen, Poing aus der Bundesliga auszuschließen. "Das macht nur noch traurig. Man sieht, wie schnell sich Dinge negativ verändern können." Vor einem Jahr sei die Stimmung noch ganz anders gewesen, da habe man gemeinsam Pläne geschmiedet, damit das Sportkegeln nicht ausstirbt.

Es wird in Zukunft in Poing nicht nur darum gehen, weiter Talente auszubilden. Sondern auch darum, sie überhaupt noch zu finden.

Bisher erschienen: Rot-Weiß München / Lacrosse (18.6.), Crash Car Team München-Nord / Stock-Car (9.7.), Munich Animals / Powerchair-Hockey (17.8.), Munich Rolling Rebels / Roller Derby (20.8.), Bavarian Bats / Blindenbaseball (31.8.), Süddeutscher Tauchclub / Unterwasserrugby (3.9.), Orientierungslaufclub München (31.10.), Flinke Finger Bruck / Tipp-Kick (14.11.).

© SZ vom 19.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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