Serie: Alte Meister:Auf 'ne Pizza nach Venedig

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Extremsportler Horst Schwanke, 62, fährt gern über die Alpen - mit dem Rad

Von Jan Geissler, Starnberg

Jahr für Jahr zieht es zahlreiche Deutsche nach Italien in den Urlaub. Dann überqueren sie im Sommer mit ihren Autos die Alpen, das höchste Gebirge Europas, dessen Gipfel teilweise mehr als 4000 Meter über den Meeresspiegel ragen. Auch Horst Schwanke macht gerne Urlaub in Italien. Nur Auto fährt der 62-Jährige nicht so gern. Er überquert die Alpen lieber mit dem Fahrrad. Schwanke ist Extremradler.

Wenn es das Wetter und sein Zeitplan zulassen, dann setzt er sich schon einmal um drei Uhr morgens auf sein Rennrad und fährt von Söcking (Starnberg) nach Venedig. Innerhalb eines Tages wohlgemerkt. "Venedig ist eine tolle Stadt", sagt Schwanke, der eine solche Fahrt als pure Entspannung empfindet. "Ich mache dann immer wieder Pausen, esse Pizza und Kuchen. Zudem gleitet das Rad ja einfach dahin", erzählt er begeistert. Gut 16 Stunden benötige er für die 450 Kilometer lange Strecke. Dann nimmt er sich meistens ein Hotel und fährt am nächsten Tag mit dem Zug zurück.

Allzu oft hat er jedoch keine Zeit für solche Touren. "Ich habe einen sehr stressigen Job, 50-Stunden-Wochen sind die Regel", sagt Schwanke, der als Entwicklungsleiter für einen Hersteller von Messgeräten tätigt ist. Die 25 bis 45 Kilometer lange Strecke zu seinem Arbeitsplatz, je nach Wahl der Route, versucht er daher so oft wie möglich mit dem Fahrrad zurückzulegen. "Darauf freue ich mich meistens schon den ganzen Tag, nur leider komme ich viel zu selten dazu." Selbst für das klassische Training fehlt ihm in der Regel die Zeit. Topfit ist Schwanke dennoch. Im Winter bringt er sich auf dem Ruderergometer in Form und wurde schon mehrmals deutscher Indoor-Rudermeister. Jedes zweite Wochenende hält er sich zudem für sein Fahrrad frei. Das habe er mit seiner Frau so vereinbart. Er brauche das, sagt Schwanke, um dem Alltag zu entfliehen und komplett abzuschalten: "Wenn ich das nicht hätte, wäre ich längst in der Klapsmühle gelandet."

Schwanke ist ein Spätberufener. Erst im Alter von 44 Jahren begann er mit dem Radsport. 1998 war das. "Ich habe allerdings auch davor schon viel Sport gemacht. Es war mir also nicht komplett fremd, mich körperlich zu betätigen", stellt er klar. Badminton und Leichtathletik habe er gemocht, auch Fußball habe er für eine Weile gespielt. Nach einer kurzen Auszeit war er zudem einige Jahre als Squashspieler im Einsatz: "Das hat mir großen Spaß gemacht, weil man wirklich mitdenken musste." Irgendwann aber wechselte er aufs Rad. Anfangs fuhr er dreimal pro Woche 20 Kilometer, später die 50 Kilometer um den Starnberger See. Gut machbar, wie er schnell feststellte. Auf Dauer aber reichte ihm das nicht aus: "Ich wollte wissen, wie viel noch geht."

Schwanke begann Rennen zu fahren, die Distanzen wurden immer größer. "Das längste Rennen, dass ich inzwischen gefahren bin, war in Schweden", erzählt er stolz. 2100 Kilometer war das Sverigetempot lang, ein sogenanntes Brevet, bei dem die Fahrer über mehrere Tage hinweg vom südlichsten Zipfel Schwedens bis in den hohen Norden fahren. Bei diesen Rennen müssen die Fahrer eine vorgegebene Strecke innerhalb eines bestimmten Zeitraums zurücklegen. Geschwindigkeit, Nahrungsaufnahme und Schlafpausen kann jeder Fahrer selbst festlegen. "Ich hatte keine Ahnung, dass das Land so groß ist", berichtet Schwanke von einer "tollen Erfahrung".

Der Kontakt zu Menschen aus aller Welt, den man während der Rennen hat, gefällt Schwanke, vor allem in Frankreich, wo durch die Tour de France viele Radsportbegeisterte zu Hause sind. "Die flippen da komplett aus, wenn wir vorbeifahren", sagt Schwanke und grinst. Auch die anderen Radfahrer könnten unterschiedlicher kaum sein: Vom Eisenflechter auf dem Bau bis zum Hochschulprofessor ist alles dabei. Sie eint, irgendwann am Ziel ankommen zu wollen. Der eine eben früher, der andere etwas später.

Schwankes Alter spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Es sei sogar auffällig, sagt er, dass sich 35-Jährige oft schwerer tun als 60-Jährige. "Vielleicht sind die Älteren einfach unaufgeregter", vermutet Schwanke. Inzwischen suche er seine Rennen hauptsächlich nach den Schauplätzen aus, damit er den Sport mit dem Kennenlernen neuer Länder verbinden könne. "Das klingt kurios, ich halte mich aber nicht für einen Spinner", sagt Schwanke, der bereits zehn Rennen absolviert hat, die länger als 1000 Kilometer waren. Erst im August startete er beim über 1600 Kilometer langen Miglia Italia. Zur Vorbereitung auf seine Rennen hängt er sich meistens eine Karte auf und zeichnet die Strecke ein: "So kann ich mich auch im Kopf perfekt darauf einstimmen."

2100 Kilometer durch Schweden, 1001 Meilen durch Italien - da geht ein Großteil des Jahresurlaubs drauf. Der klassische Strandurlaub darf trotzdem nicht fehlen. Mindestens einmal im Jahr zieht es auch Horst Schwanke ans Meer. Dort lässt er dann sogar das Fahrrad stehen. "Höchstens zum Bäcker" fährt er dann mal, sagt Schwanke und lacht.

Bisher erschienen: Daniel Brode (7.9.), Sebastian Gimbel (3.9.), Karl-Heinz Schulz (31.8.), Norbert Wagner (27.8.), Gerd Coldewey (25.8.), Norbert Demmel (19.8.), Gerd Biendl (18.8.), Carlo Thränhardt (9.8.), Rudi Vogt (6.8.), Michael Hahn (4.8.), Monika Schäfer (30.7.), Kurt Szilier (28.7.), Andrea Eisenhut (23.7.)

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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