Sechs Bayernligisten auf Reisen:Fluch der letzten Minuten

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Türkgücü vertagt seine Meisterfeier, 1865 Dachau wahrt die Chance auf die Relegation. Ismaning und Pullach siegen, Föhring und 1860 verlieren durch späte Gegentore, einer sogar hollywoodreif.

Von F. Dilger, G. Fischer und S. Galler

Sechs Auswärtsspiele, acht Punkte - die Bayernligisten aus der Region München kamen mit einer durchwachsenen Bilanz von ihren sportlichen Ausflügen nach Hause. Der SV Türkgücü-Ataspor kam in Hankofen-Hailing über ein 0:0 nicht hinaus und muss seine Aufstiegsfeier deshalb vorerst verschieben.

Warten auf den Aufstieg

Die Türkgücü-Trainer Andreas Pummer (rechts) und Alper Kayabunar müssen noch auf den Vollzug von Meisterschaft und Aufstieg warten. (Foto: Claus Schunk)

Richtig rund ist es in den letzten Wochen nicht mehr gelaufen beim Dominator der Hinrunde in der Bayernliga Süd: Mit nur zwei Siegen und ebensovielen Niederlagen aus den bisherigen sechs Partien im Jahr 2019 reisten die Spieler des SV Türkgücü-Ataspor zur SpVgg Hankofen-Hailing. Im Nachholspiel unter der Woche hatte die Elf von Andreas Pummer gegen Absteiger Holzkirchen 2:3 verloren, dementsprechend war der designierte Meister auf Wiedergutmachung aus. Aber die Niederbayern erwiesen sich als harte Nuss und durften sich am Ende über ein 0:0 freuen. "Ein Abnutzungskampf", resümierte Trainer Pummer. "Es ist nicht einfach, immer das Spiel machen zu müssen. Und ich wollte am Schluss auch nicht das Visier total öffnen. Wichtig, dass wir sattelfest gestanden sind." Sein Team liegt nun 17 Punkte vor den Verfolgern Dachau und Rain, die jeweils noch sechs Partien vor sich haben; sollten beide bis zum nächsten Spiel des Spitzenreiters am 27. April gegen Schwaben Augsburg Federn lassen, könnte Türkgücü auf der Couch den Aufstieg feiern.

In Hankofen neutralisierten sich die Teams zunächst, Türkgücü-Torwart Issa Ndiaye musste in Halbzeit eins ein paar Flanken abfangen, sonst war nicht viel zu tun. Auf der Gegenseite avancierte Orhan Akkurt zum Alleinunterhalter im Sturm: Sein erster Versuch ging noch weit drüber (9.), der nächste war dann richtig gefährlich: Eine Flanke von Masaaki Takahara verlängerte Ünal Tosun - Akkurt scheiterte an Torwart Mathias Loibl (29.). Zwei Minuten später bediente Fabio Leutenecker den Mittelstürmer, Akkurt rutschte in den Ball, ohne ihm noch Druck verabreichen zu können - und musste danach wegen Wadenproblemen raus. Prompt war der türkische Angriffswirbel für lange Zeit versiegt, die nächste gute Chance hatte Leutenecker erst in der 57. Minute, doch Loibl lenkte seinen Schuss über die Latte (57.). Das Spiel plätscherte vor sich hin und lebte in der Schlussphase von der Spannung. Um ein Haar hätte Jakob Vogl Hankofen noch den Sieg beschert, doch Christoph Rech klärte in höchster Not (87.).

Schlechte Gewohnheit

Ob irgendjemand beim FC Unterföhring mit der Hollywoodgröße Bill Murray verwandt ist, hat bisher noch kein Genealoge erforscht. Die Unterföhringer fühlten sich beim Spiel in Rain am Lech wieder einmal wie der Schauspieler in seiner bekanntesten Rolle: Als TV-Wettermann muss er immer wieder denselben Tag erleben, den mit dem berühmten Murmeltier. Die Unterföhringer wiederum können sich seit einigen Wochen darauf verlassen, dass sie in den letzten Minuten ein Gegentor bekommen. Beim TSV Rain war es diesmal in der 85. Minute soweit und mit der 1:2-Niederlage kam verlässlich der Punktverlust. "Es läuft momentan alles so, wie es momentan überhaupt nicht laufen soll", sagte FC-Trainer Peter Faber. Der Regionalliga-Absteiger liegt derzeit auf dem vorletzten Platz und steuert Richtung Abstiegsrelegation.

Die Unterföhringer hatten das Spiel beim Tabellendritten nach Fabers Diktion "verschlafen" begonnen. Der FC kam dennoch mit seiner ersten guten Chance gleich zur Führung: Verteidiger Florian Bittner fand mit einem weiten Diagonalball Michael Marinkovic, der konnte in den Strafraum einlaufen, den Ball mit der Brust annehmen und von halbrechts vollenden (34. Minute). Nach der Halbzeitansprache von Faber kam Unterföhring dann angriffslustiger auf das Feld. "Wir haben in der zweiten Halbzeit super gekämpft und Fußball gespielt", sagte Faber. Auch der TSV Rain drückte immer wieder gefährlich in den Strafraum, brauchte aber einen Standard für den Ausgleich: Nach einem Freistoß rauschte der Ball auf Kniehöhe durch alle Beine und Dominik Bobinger konnte am langen Pfosten einschieben (62.). Beide Teams tauschten noch weitere Chancen aus: Für Unterföhring setzte Ivan Bakovic einen Ball vom Fünfer an die Unterlatte (72.), Rain verschoss sogar einen Foulelfmeter (79.). Ab der 82. spielte Unterföhring zu zehnt, Sebastian Hofmaier musste nach einer Notbremse runter. Nach einem weiten Ball und einem Missverständnis zwischen dem Föhringer Keeper Marko Negic und Florian Bittner sorgte Maximilian Käser für das besagte späte Deja-vú (85.). "Vor allem die Art und Weise, wie wir das Spiel verlieren, das dritte Mal hintereinander, das ist schon heftig", sagte Faber. Sorgen um die Psyche seiner Spieler macht er sich dennoch nicht: "Die Mannschaft hat Charakter genug."

Ballgeschiebe im Ries

Sexy ist anders. "Viel Ballgeschiebe, für die Zuschauer sah es sicherlich nicht gut aus", sagte Spielertrainer Fabian Lamotte nach einem ereignislosen 0:0 seines TSV 1865 Dachau beim TSV Nördlingen. "Nicht ganz unzufrieden" war Lamotte dennoch mit dem mäßig ansehnlichen Spiel, heißt: Ginge besser, war aber schon okay.

Der Plan der Dachauer vor der Begegnung war: "Auf alle Fälle kein Tor kassieren, mit ein bisschen Glück eines machen." Immerhin 50 Prozent seiner Zielvorgabe setzten die Gäste auf dem Platz um. "Ich glaube, zugelassen haben wir eigentlich fast nix", sagte er zur Defensivleistung. Dachau mit mehr Ballbesitz, Nördlingen mit einer organisierten Abwehr hielten sich gegenseitig vom Torerfolg fern. Dachaus Trainer hatte eine schwere Aufgabe im Ries erwartet, dass sein Team die Hausherren knapp hielt und gut verteidigte, nahm er deswegen als Pluspunkt mit: "Wir wollten nicht ins Risiko laufen, das haben wir geschafft." Bei wenigen Torraumszenen kamen die Dachauer zwar zu zwei gefährlichen Schüssen, beide Male entschärfte der Nördlinger Torwart Daniel Martin aber stark. Im Offensivspiel machte sich auch das Spiel gegen Schwabmünchen unter der Woche bemerkbar, sagt Lamotte: "Nach vorne hat uns ein bisschen die Frische und Durchschlagskraft gefehlt."

Die Schlagzahl bleibt hoch: Nächste Woche stehen wieder zwei Spiele im Plan. Genau jetzt muss Dachau aber wahrscheinlich auf zwei Verletzte verzichten. Der Kader war gerade wieder vollständig, in Nördlingen verletzten sich dann Nickoy Ricter und Merlin Höckendorff. Zerrung oder Muskelfaserriss, vermutet Lamotte. Ismaning und Holzkirchen sind die nächsten Gegner, da gäbe es für Dachau die große Möglichkeit, die Ambitionen auf die Aufstiegsrelegation punktemäßig voranzutreiben. Eine ganze Palette an Teams kann den zweiten Rang noch erreichen. "Ich glaube, das Ganze wird erst am letzten Spieltag entschieden", sagt Lamotte. Dann wird es auf alle Fälle aufregend.

Die Leiden der Löwenkeeper

Löwen-Keeper Tom Kretzschmar wurde in Vilzing eingewechselt und sah – wie sein verletzter Vorgänger Szekély – bei einem Tor schlecht aus. (Foto: Claus Schunk)

Der TSV 1860 München II hat bei der DJK Vilzing zwei Torhüter aufs Feld geschickt, und beide haben es traurig wieder verlassen. György Szekély, 23, verschuldete ein Tor, verletzte sich und musste ausgewechselt werden. Tom Kretzschmar, 20, ersetzte Szekély und patzte beim 1:2 in der Nachspielzeit. 1860-Trainer Lubojanski ist keiner, der Einzelnen die Alleinschuld in die Fußballschuhe schiebt. Also sagte er am Sonntagmittag, gut 20 Stunden nach der Pleite in der Oberpfalz: "Unsere brutal junge Mannschaft hat eigentlich gut gespielt, aber mehrere Dinge haben zur Niederlage geführt." Neben den Torwart-Fehlern zählten dazu etwa: Ballverluste im Spielaufbau (im letzten Drittel der Partie); fehlende Stabilität in der Defensive (zweite Halbzeit).

Die "brutal junge Mannschaft" musste auf die verletzten Stützen Alexander Spitzer und Marco Metzger verzichten. Zudem fehlte Dennis Dressel, der am Samstag bei den Drittliga-Profis spielte. Dennoch kam 1860 gegen die heimstarken Gastgeber gut ins Spiel, und Matthew Durrans gelang in der 27. Minute ein zauberhaftes Tor: Fabian Greilinger stand an der linken Strafraumkante völlig frei, passte flach zur Mitte und Durrans lenkte die Hereingabe mit der linken Hacke flach ins rechte Eck. Alle sahen hinterher, alle waren erstaunt, die Vilzinger auch noch entsetzt, die Löwen auch noch erfreut.

Dass dem Dorfklub drei Minuten nach der Pause der Ausgleich gelang, bezeichnete Lubojanski als "absolut unglücklich"; wegen des Zeitpunkts (so früh in der zweiten Halbzeit) und vor allem wegen der Genese des Gegentreffers: Torwart Szekély kam nach einem langen Ball aus dem Tor, obwohl Marcel Spitzer an der Strafraumgrenze neben Stürmer Andreas Kalteis bereit zum Eingreifen stand. Szekély flog neben den Ball, Kalteis passte auf Matthias Graf und der schoss ins Tor. Der Löwenkeeper verletzte sich beim Sturz nach der missglückten Flugeinlage und musste mit Schmerzen am Ellenbogen vom Feld.

Sein Vertreter Kretzschmar kassierte dann in der 93. Minute das 1:2. Die Fehlerkette begann freilich bei Spitzer, der zu nah am Tor ein Foul fabrizierte. Andre Luge legte sich an der Strafraumgrenze den Ball zurecht und ließ anhand seiner Körperstellung die Vermutung zu, dass er den Ball über die Mauer ins kurze Ecke heben würde. Darauf spekulierte wohl auch Kretzschmar. Doch Luge schoss den Ball halbhoch ins lange, vom Torwart eigentlich zu bewachende Eck.

Vollands Erlösung

Robin Vollands Tor bescherte Ismaning einen Sieg. (Foto: Claus Schunk)

In der Oberliga Westfalen sind Greenkeeper eher eine seltene Spezies. Und vor mehr als 15 Jahren, als Mijo Stijepic in dieser Spielklasse für die zweite Mannschaft des FC Schalke 04 auf Torejagd ging, war die Rasenpflege erst recht kein großes Thema. Der ein oder andere Amateurligist aus dem Ruhrpott trug seine Partien dann schon eher auf roter Erde aus. Deshalb will es durchaus etwas heißen, wenn Stijepic nach dem Arbeitssieg seines FC Ismaning beim nun als Absteiger feststehenden TuS Holzkirchen den dortigen Rasen zum "schlechtesten Platz, an den ich mich erinnern kann" kürt, "da müsste der Verband eigentlich einschreiten". Ein ganz wichtiger Erfolg für die immer noch abstiegsgefährdeten Ismaninger, den Robin Volland in der 78. Minute sicherte, als er eine Hereingabe von Bastian Fischer von der rechten Seite über den Schlappen ins lange Eck rutschen ließ. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich Holzkirchens Torwart Benedikt Zeisel als unüberwindbar erwiesen, er wehrte beispielsweise einen Versuch von Tobias Killer bravourös ab (39.), nach dem Wechsel scheiterte Fischer nach Ablage von Max Siebald am Torwart (56.), später der kurz zuvor eingewechselte Suhal Moradi (62.). Zwischenzeitlich hatte zudem Volland die Latte getroffen (45.). Mitte der zweiten Halbzeit steigerten sich die Gastgeber, die unter der Woche gegen Türkgücü-Ataspor einen 3:2-Überraschungssieg hingelegt hatten. Nach einem Ausrutscher von Ismanings Markus Neuber auf dem stumpfen Geläuf steuerte Holzkirchens Sebastian Hahn aufs FCI-Gehäuse zu, seinen perfekten Querpass konnte Roman Rauscheder nicht unter Kontrolle bringen (70.); fünf Minuten später prüfte Hahn dann Torwart Sebastian Fritz, der sicher parierte.

Es folgten der Ismaninger Siegtreffer durch Volland und eine sagenhafte Doppelchance: Volland köpfte an die Latte, den Nachschuss von Moradi parierte Zeisel (85.). Dann war's geschafft und Coach Stijepic konnte durchatmen: "In diesem Spiel zählte nur der Sieg. Die Jungs haben diesen Fight angenommen." Die Ausgangsposition sei nun perfekt: "Jetzt haben wir noch ein Nachholspiel und liegen drei Punkte hinter dem rettenden Ufer. Genau so wollten wir das haben", sagte der 39-Jährige. Unterdessen wurden unter der Woche die Verträge von Torwart Fritz, Innenverteidiger Nils Ehret, Mittelfeldspieler Dominik Hofmann und Offensivspieler Hugo Lopes unabhängig von der Ligazugehörigkeit um ein Jahr verlängert.

Dotzlers Dreierpack

Der Pullacher Lukas Dotzler erzielte drei Treffer. (Foto: Claus Schunk)

Erst vor wenigen Tagen sickerte durch, dass Torjäger Lukas Dotzler ebenso wie Trainer Frank Schmöller und der Sportliche Leiter Theo Liedl den Tabellenzweiten SV Pullach am Ende der Saison verlassen wird. Was die drei so wichtigen Figuren im Gefüge des Vereins eint: Sie hauen bis zum Ende ihres Engagements total rein. Beim Gastspiel in Sonthofen avancierte Bayernliga-Toptorjäger Dotzler zum Matchwinner, erzielte alle drei Treffer für den Sportverein. "Das Spiel war nicht auf sonderlich hohem Niveau, aber es lebte von Spannung und dem Einsatz der beiden Mannschaften", resümierte Trainer Frank Schmöller, der seiner weiter enorm ersatzgeschwächten Mannschaft "größten Respekt" zollte: "Da ist keiner dabei, der jetzt keinen Bock mehr hat. Die Einstellung ist super und in unserer Personalsituation punktest du nur, wenn jeder an seine Grenzen geht. Wenn nicht, ergeht es uns wie letzte Woche beim 1:2 gegen Kirchanschöring."

Nach Foul an Martin Bauer brachte Dotzler den Tabellenzweiten per Elfer in Führung (30.), doch keine zwei Minuten später holte auf der Gegenseite Torwart Marijan Krasnic einen Sonthofener Stürmer von den Beinen, Manuel Wiedemann traf zum 1:1. "Vor dem Foul war's eine Fehlerkette bis zu unserem Torwart. So kurz nach dem Führungstor darf das nicht passieren", schimpfte Schmöller. Das Elfmeter-Festival ging dann in Durchgang zwei weiter: Diesmal wurde bei einem Eckball Pullachs Simon Ollert zu Boden gezogen. "Respekt an den Referee, den pfeift nicht jeder. Aber für mich waren alle drei Strafstöße berechtigt", sagte Schmöller. Dotzler verwandelte auch diesen (51.), doch abermals hielt die Führung nicht lange: Nach einem abgewehrten Eckball traf Sonthofens Jannik Keller den Ball aus der zweiten Reihe perfekt, via Innenpfosten schlug es im Tor ein - 2:2 (57.). Die Moral war allerdings intakt bei den Gästen - und Dotzler in Topform: Nach starkem Zuspiel von Max Zander schnürte der Mittelstürmer den Dreierpack (75.); dieses Tor blieb dann letztlich unbeantwortet von den Allgäuern. "Jetzt haben wir zwei Wochen Pause, das wird uns auch personell gut tun", sagte Schmöller. Der Exodus beim Isartalklub geht derweil weiter: Kapitän Christoph Dinkelbach, 27, wird sich ab sofort auf sein Studium konzentrieren und hängt die Fußballschuhe an den Nagel.

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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