SC Fürstenfeldbruck:"Wir sind nervös"

Lesezeit: 3 min

Gebeutelt von finanziellen Altlasten taumelt der einstige Bayernligist SC Fürstenfeldbruck der Kreisliga entgegen. Immerhin überwintert die Mannschaft nicht als Tabellenletzter.

Von Christoph Leischwitz

Mit der Ruhe ist es so eine Sache beim SC Fürstenfeldbruck. Das haut nicht einmal dann hin, wenn der Fußball-Bezirksligist völlig überraschend 5:1 führt und das Spiel schon gelaufen ist. So geschehen beim letzten Spiel vor der Winterpause gegen den SV Herakles. Als sich auch noch ein abgefälschter Schuss von Ferenc Ambrus für den gegnerischen Torwart unhaltbar ins hintere Eck senkt, als also alles klappt, kein Gedanke an Zufriedenheit. "Hey, Schiri, was war das denn?" - "Rooot, das war Rot, Mann!", schallt es auf Bezirkssportanlage an der Meyerbeerstraße. Der Co-Trainer gibt Anweisungen, der Cheftrainer nimmt sie umgehend wieder zurück.

So ist das derzeit bei den Bruckern, auch im letzten Spiel vor der Pause bei den Münchner Griechen. SCF-Trainer Athanasios Kiourkas, ebenfalls Grieche, ist so ziemlich der einzige, der ruhig bleibt während der Partie. Danach sagt er aber: "Wir sind nervös, deshalb kassierst du wieder drei Tore. Natürlich ärgert mich das. Die letzten zehn Minuten hätten wir ruhiger spielen können." Nervosität, Angst - der 32-Jährige nimmt Wörter in den Mund, die man sonst selten hört bei einem Fußballverein. Weil die meisten Verantwortlichen glauben, dass es als Schwäche ausgelegt wird, wenn man sie benutzt. Aber es ist eben so: Es seien "gute Kicker", die aber selbst bei einem Spielstand von 7:2 in der Abwehr zu schwimmen beginnen. Das Spiel endete übrigens 7:3 für Bruck.

Sehnt sich nach Ruhe: Trainer Athanasios Kiourkas. (Foto: Lackovic/imago)

Kiourkas wünscht sich nichts sehnlicher, als einfach mal in Ruhe zu arbeiten. Aber ist das beim SC Fürstenfeldbruck überhaupt möglich? Die Partie beim SV Herakles könnte ein erster Schritt sein: Die Brucker haben überraschend mit dem hohen Sieg den letzten Platz an Denklingen abgegeben. Mit einer Niederlage wäre der Abstieg kaum noch abzuwenden gewesen, jetzt fehlen immerhin noch sieben Punkte auf den Relegationsplatz.

So ganz hat Kiourkas nicht gewusst, worauf er sich da einlässt beim SCF. Sportlich natürlich schon: Nach dem Weggang von Trainer Michael Westermair und zahlreichen Spielern stand er vor einem Neuaufbau, er selbst war ja auch ein Teil davon. "Als ich zugesagt habe, waren fünf Spieler da. Dann habe ich in zwei Monaten 160 Spieler kontaktiert", erzählt Kiourkas. Nicht selten kam als Antwort: "Der SCF? Nee, Du... Wie sieht's denn überhaupt aus mit dem Geld?" Der Verein hat seinen Ruf weg, und die aktuelle Mannschaft muss "die Miete zahlen", wie Kiourkas es nennt. Man darf Fürstenfeldbruck einen Traditionsklub nennen, lange Zeit war er westlich von München der am höchsten notierte Klub. In den 1970-ern spielte hier Willi Bierofka, 1981 wurde das Team Dritter in der damals drittklassigen Bayernliga, im DFB-Pokal reiste man nach Braunschweig. Zu Bayernliga-Derbys mit Ampfing oder 1860 München kamen Tausende.

Heute spielt der Verein nominell zwei, de facto drei Ligen tiefer, oft vor 40 Zuschauern. Nun droht sogar der Abstieg in die Kreisliga. "Ich habe mich so für die Mannschaft gefreut, dass sie noch einmal gewonnen hat. Aber es wird nach wie vor sehr schwer", sagt Präsident Jakob Ettner. Die sportliche Situation ist eine Folge der finanziellen Misere. "Wenn so ein Verein, mit so großen Ambitionen, mit so einer guten Jugendarbeit und so einer Anlage so viele Probleme hat - dann haben mehr als nur eine Person Fehler gemacht", sagt Trainer Kiourkas.

"Es wird sehr schwer“: Präsident Jakob Ettner. (Foto: Günther Reger)

Da ist was dran. Einige der Altlasten blubbern seit bald einem Jahrzehnt im Keller vor sich hin. Anfang des Jahres wurde durch einen Schuldenschnitt der Stadt gerade noch eine Insolvenz abgewendet. Die verzögerten Neuwahlen aufgrund interner Querelen, sagt Kiourkas, hätten die Kaderplanung auf Eis gelegt. Viele potenzielle Spieler für seine Mannschaft hätten da schon bei anderen Klubs zugesagt.

Ruhe? Kehrt nach wie vor nicht ein. Das liegt aktuell zum Beispiel daran, dass der Verein Unterlagen beibringen muss, damit die Stadt Fürstenfeldbruck einen bereits geleisteten Vorschuss vom Bayerischen Landessport-Verband abrufen kann. Und zweitens, weil viele ehemalige Funktionäre, unter denen möglicherweise einige sind, die früher Fehler gemacht haben, im Dauerclinch mit der jetzigen Vereinsführung liegen. Organisiert waren sie zuletzt in der so genannten "Alten Liga", wie sich die AH-Abteilung nannte. Präsident Ettner hatte sie im Frühjahr aufgelöst. Jetzt kritisiert er, dass die einstigen Mitglieder Druck auf die aktuellen Spieler und den Trainer ausüben, indem sie zum Beispiel die Entlassung von Kiourkas fordern.

Das oft diffuse Phänomen Druck spürt Kiourkas durchaus: "Leicht ist es bestimmt nicht", sagt er. Aber er sieht darin auch etwas Positives. "Hier kannst du als junger Trainer nichts falsch machen. Hier lernst du mehr." Was seiner Meinung nach aber aufhören sollte, ist das Festhalten an der Vergangenheit. Er sage zu den Spielern: "Jungs, die Zeiten sind vorbei. Man kann die Lage einfach nicht mehr mit früher vergleichen. Davon muss man weg."

Ettner findet übrigens, dass in der Winterpause die eine oder andere Verstärkung möglich sei, weil man ja trotz wenig Geld immerhin sauber wirtschafte. Es wäre ein denkbar schlechtes Signal, noch einmal abzusteigen: 2019 feiert der Verein seinen 100. Geburtstag. "Hoffentlich", merkt Ettner an. So ganz sei der SC Fürstenfeldbruck ja noch immer nicht über den Berg.

© SZ vom 28.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: