Rüdiger Brems:"Pferde treten auch mal, wenn sie ängstlich sind"

Lesezeit: 3 min

Der Indoors-Turnier-Tierarzt über häufige Verletzungen, Dopingtests und die Bedeutung von heraushängenden Zungen.

Interview von Raphael Weiss

SZ: Herr Brems, beschreiben Sie für uns Ihren Tagesablauf als Turnier-Tierarzt.

Rüdiger Brems: Morgens gehe ich als Erstes durch die Ställe und schaue, ob mit den Pferden alles in Ordnung ist. Das gleiche mache ich am Abreiteplatz. Während des Wettkampfs bin ich vor Ort und wenn ein Tier verletzt ist, dann behandeln ich und mein Team das natürlich. Aber zum Glück kommt es nicht so oft vor.

Wie oft passiert das denn?

Kleinere Verletzungen passieren öfter mal. Wirklich schlimme Sachen, zum Beispiel eine richtige Zerrung, bei der das Pferd lange ausfällt, passieren vielleicht ein Mal alle zehn Turniere.

Was sind denn die häufigsten Verletzungen bei Turnieren?

Die kleinen Verletzungen kommen häufig zustande, wenn sich die Pferde selber auf die Füße treten, oder sich ein Hufeisen runterreißen. Größere Sachen sind dann Überdehnungen am Gelenk, oder an der Sehne oder, im ganz schlimmen Fall, dass sich ein Pferd ein Bein bricht.

Wie hoch sind generell die Belastungen für Pferde im Spitzensport?

Die Pferde sind sehr gut trainiert. Die Belastungen sind nicht so viel höher, als es naturgemäß der Fall wäre.

Vor wenigen Tagen wurde den deutschen Vielseitigkeitsreitern die EM-Silbermedaille aberkannt, weil bei dem Pferd von Julia Krajewski verbotene Substanzen entdeckt wurden. Auch in der Vergangenheit gab es vergleichbare Fälle. Ist Doping im Pferdesport ein großes Problem?

Im Reitsport gibt es die so genannte Nulllösung, kranke Pferde dürfen überhaupt nicht antreten. Bei den meisten Dopingfällen in den letzten Jahren haben die Pferde Medikamente bekommen, mit denen sie nicht zum Wettkampf antreten dürfen. Das sind eher Formfehler als eine bewusst herbeigeführte Leistungssteigerung.

Die ist bei Pferden doch auch möglich.

Ja, aber das wird mittlerweile extrem geahndet und untersucht. Wenn etwas Derartiges gefunden wird, werden die Pferde und Reiter so lange gesperrt, dass das Risiko zu groß ist. Die Besitzer würden sich ins eigene Fleisch schneiden.

Wie läuft denn die Dopingprobe bei Pferden ab?

Das ist generell wie beim Menschen. Nach dem Einsatz begleitet ein Stewart das Pferd zum Stall, man wartet dann, bis das Pferd uriniert und zusätzlich wird eine Blutprobe entnommen. Ich muss das Ganze überwachen.

Beim Champion of Honour wird der Reiter gekürt, der am besten mit seinen Pferd umgeht. Ein guter Gedanke?

Ich finde ihn sehr gut. Das zeigt, dass es auch auf dem lockeren und kooperativen Weg geht. Jessica von Bredow-Werndl ist da ein super Beispiel. Ich habe in meiner langen Zeit als Arzt aber auch mal Reiter erlebt, die mit ihren Pferden nicht richtig umgehen, die mit Gewalt trainieren. Aber das sind nicht die, die auch tatsächlich Erfolg haben.

Wie können Zuschauer sehen, ob ein Pferd Schmerzen hat?

Wenn ein Pferd dauernd die Ohren anlegt heißt es, dass es Angst oder Schmerzen hat. Auch Schweif schlagen oder eine heraushängende Zunge können Zeichen sein.

Oft haben Pferde einen starken Charakter. Wie gehen Sie als Arzt damit um?

Es gehört dazu, dass man einen Draht zu den Pferden hat. Man ist jetzt nicht unbedingt Monty Roberts als Pferdeflüsterer, aber ich weiß, wie ein Pferd auf mich reagieren kann. Trotzdem ist die Verletzungsgefahr für uns extrem groß, weil Pferde, wenn sie ängstlich sind, auch mal treten. Dass ein Pferd wirklich bösartig ist, kommt extrem selten vor.

Wurden Sie mal von einem Pferd verletzt?

Schon öfter. Ein Tritt ans Bein oder auf den Fuß kommt vor. Einmal wollte ich einem Hengst eine Spritze setzen, der hat sich dann gegen die Wand geschmissen, weil er Angst hatte. Da war mein Arm dazwischen und mein Unterarm gebrochen.

Unterscheidet sich die Behandlung von Pferden stark von der bei Menschen?

Es gibt einen großen Austausch mit der Humanmedizin. Ich habe fast 30 Jahre mit Dr. Müller-Wohlfahrt zusammengearbeitet. Der hat immer gesagt, er möchte seine Fußballer nicht für das nächste Spiel fit bekommen, sondern die sollen bis nächste Saison halten. Das ist auch meine Philosophie. Wir müssen die Pferde so weit bekommen, dass sie wieder Spaß an der Arbeit haben. Früher war das anders. Da wurde gesagt, das ist ja nur ein Pferd, das machen wir jetzt schnell wieder fit. Diese Einstellung hat sich zum Glück bei Vielen geändert.

Warum haben Sie sich eigentlich auf Pferde spezialisiert?

Das wurde mir in die Wiege gelegt. Ich habe meinen Eltern schon als dreijähriger Bub gesagt, dass ich Tierarzt werden möchte. Pferde sind für mich eine Passion, und das muss es auch sein. Wir arbeiten 17, 18 Stunden am Tag und das kann man nur machen, wenn es einem Spaß macht. So ein Turnier ist eher ein Ausgleich, da arbeite ich weniger und kann auch zuschauen.

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: