Rollstuhl-Basketball:Erfolg mit Frotzeleien

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"Hör mir doch mal zu“: Sebastian Magenheim (re.), am Samstag entscheidende Figur im Spiel der Iguanas, hatte einen Disput mit seinem Coach. (Foto: Robert Haas)

Die RBB München Iguanas schlagen Ostbelgien bei ihrem Heimauftakt in der Rollstuhl-Basketball-Bundesliga, streiten leidenschaftlich und stellen später ihre Mannschaft vor.

Von Daniel Böldt, München

Es gibt Tage, an denen passt alles. Da funktioniert sogar das, was eigentlich nie funktioniert. Die Power-Point-Präsentation zum Beispiel. Zwar musste Benjamin Ryklin, Trainer der RBB München Iguanas, stets lautstark "eins weiter bitte" rufen, um auf die nächste Folie zu gelangen. Aber wer sich schon mal mit den Tücken der digitalen Darstellungssoftware herumgeschlagen hat, der wusste, dass hier heute mehr richtig läuft als falsch.

Und so passte diese Teampräsentation der RBB Iguanas am Samstagabend in einem Bräustüberl in Giesing gut in das Bild eines gelungen Saisonauftakts. Wenige Stunden zuvor hatten die Münchner Rollstuhlbasketballer ihr erstes Heimspiel der Saison deutlich mit 86:54 (40:32) gegen den Aufsteiger Roller Bulls Ostbelgien gewonnen. Ein wichtiger Sieg für das neue Selbstverständnis der Münchner, nachdem sie das erste Spiel in Hamburg denkbar knapp mit 68:69 verloren hatten.

Vergangene Saison starte der damalige Aufsteiger noch mit fünf Niederlagen. Vorstandsmitglied und Vereinsgründer Ryklin übernahm daraufhin auch noch das Traineramt. Das Team fing sich und verpasste am Ende nur knapp Platz vier, der in die Playoffs geführt hätte. "Letzte Saison war es immer ein Hoch und Runter bei uns", sagte Ryklin: "Diese Saison versuchen wir, das Level wenn möglich zu steigern. Das ist uns heute gut gelungen."

Entsprechend gelöst war die Stimmung am Abend, als der RBB München seine Spielerinnen und Spieler den Sponsoren, Fans und Journalisten offiziell vorstellte. Insbesondere Ryklin war zu Scherzen aufgelegt. Neben erwartbar warmen Worten des Trainers musste sich jeder Spieler die ein oder andere Spitze gefallen lassen. Kim Robins, einen der besten Spieler gegen Ostbelgien, fragte er, wie er denn seine Freiwurf-Quote heute fand (sie war miserabel). Forward Gabriel Robl attestierte Ryklin eine große Beliebtheit im Team. "Warum das so ist, weiß ich auch nicht", schob der Trainer mit einem Augenzwinkern hinterher. Den Junioren-Nationalspieler Bastian Kolb, 16, macht Ryklin kurzerhand zu einem 14-Jährigen - nur so könne er sich seine Rückennummer 14 erklären.

Und schließlich war da noch Sebastian Magenheim, Kapitän und unumstrittener Leistungsträger bei den Iguanas. "Hör mir doch mal zu", rief Ryklin Magenheim zu, als der nicht gleich auf die Aufforderung reagierte, zu ihm auf die Bühne zu kommen. Es war eine halb ernst, halb freundschaftlich gemeinte Retourkutsche. Denn wenige Stunden zuvor hatte Magenheim im Spiel genau diesen Satz seinem Trainer an den Kopf geworfen. "Basti und ich kennen uns ewig", sagte Ryklin nach dem Spiel. "Er ist ein hitziger Typ und ich auch. Manchmal reden wir aneinander vorbei und dann sagen wir halt mal 'halts Maul'."

Der vor einem Jahr vom USC München gekommene ehemalige Nationalspieler war gegen Ostbelgien der entscheidende Akteur. Schon beim Warmmachen fungierte er als lautstarker Motivator. Offensichtlich mit Erfolg: München ging schnell mit 6:0 in Führung, ließ sich dann aber vom physisch starken Ostbelgien beeindrucken und konnte trotz spielerischer Überlegenheit in den ersten 20 Minuten nie entscheidend davonziehen. Dass sich Ostbelgien in dieser Phase durchaus mehr ausrechnete, konnte man auch an einer Reaktion von Spielertrainer Stefan Veithen sehen. Mitte des zweiten Viertels echauffierte er sich derart über eine Schiedsrichterentscheidung, dass er sein Klemmbrett auf den Boden knallte. Zwei Stifte flogen daraufhin auf das Spielfeld und sorgten für eine eher untypische Spielunterbrechung. "Mit der ersten Halbzeit war ich unzufrieden, das war ein bisschen zerfahren", sagte Ryklin - und lobte Magenheim: "Gerade Basti hat dann die Mannschaft mitgenommen. Die zehn Punkte Unterschied zur Halbzeit, da hat er eigentlich für gesorgt. Als Kapitän war ich sehr zufrieden mit ihm."

In der zweiten Hälfte sprang dieser von Magenheim entfachte Funke dann auch auf seine Mitspieler über. In den ersten sechs Minuten des dritten Viertels gelang Ostbelgien nicht ein einziger Punkt. RBB München zog auf zwanzig, schließlich auf dreißig Punkte weg.

Umso erstaunlicher war, dass sich besagte Auseinandersetzung zwischen Ryklin und Magenheim in den letzten Minuten des Spiels ereignete. Ryklin war unzufrieden mit der Defeniv-Aufteilung. Magenheim hielt dagegen, was den Trainer aber offenbar schon nicht mehr interessierte. Überbewerten wollte der Trainer die Szene nicht: "Wir sind Profis genug, dass wir uns beim nächsten Gespräch wieder konstruktiv in die Augen schauen und dann jeder konzentriert weiterarbeitet."

Als Magenheim am Abend bei der Teampräsentation dann doch noch auf der Bühne ankam, waren Ansätze dieser Zusammenarbeit sogar schon zu beobachten. Während Ryklin Platz sechs und damit die Qualifikation zu den neu eingeführten Pre-Playoffs als Saisonziel ausgab, trat Magenheim wie selbstverständlich ans Mikrofon, lobte zunächst Ryklin überschwänglich und sagte dann: "Unter die Top 3 können wir kommen und das sollten wir auch." Wenn sich Trainer und Kapitän weiterhin derart konstruktiv antreiben, könnte dies sogar gelingen.

© SZ vom 08.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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