Rennkanu-DM in Oberschleißheim:Graue Lagune

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"Die DM ist nett, aber international wird anders gefahren": Max Hoff, etwas unterforderter Weltmeister. (Foto: Claus Schunk)

Für Max Hoff ist die deutsche Rennkanu-Meisterschaft nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Rio. Dort erwartet ihn ein See mit zweifelhafter Wasserqualität

Von Maximilian Ferstl, Oberschleißheim

Max Hoff ist in den vergangen Tagen weit gereist. Mailand, Moskau, München, mehr als 4000 Kilometer. In Italien steuerte er den deutschen Einer-Kajak bei der Weltmeisterschaft. In Moskau fuhr er den Präsidenten-Cup, einen Schaukampf der weltbesten Kanuten - "hat sich gelohnt". Beim russischen Verband sitzt das Geld locker. Er bezahlte die Rechnung, auch den Flug nach München.

Und dort steht Hoff nun, genauer an der Ruderregattastrecke Oberschleißheim, die muskulösen Arme in die Seite gestemmt. Eine Statur wie ein Kleiderschrank, hoch und breit. Wenige Minuten zuvor hat er mit Teamkollege Max Rendschmidt bei den deutschen Kanu-Rennsport-Meisterschaften im Kajak-Zweier gewonnen. Sie schoben sich mit fünf Bootslängen Vorsprung über die Ziellinie eines Rennens, das fast keines war. Wie auch schon die 1000 Meter im Einer: Ein paar Meter vor dem Ziel legte Hoff sein Paddel ab und glitt in Usain-Bolt-Manier über die Linie.

"Die DM ist nett, aber international wird anders gefahren", sagt Hoff. Seit 2008 konnte ihn hier keiner schlagen. Er trägt das gelbe Leibchen der Kanusport-Gemeinschaft Essen: Man zeigt die Vereinsfarben, darum geht es. Die Meisterschaften sind für Hoff und die anderen Spitzenkanuten eine gemütliche Bootstour.

Der Gedanke ist gar nicht so abwegig: Viele Athleten schlafen in Zelten oder Wohnwägen, abends wird der Grill befeuert. Hoff nächtigt in der Tennisanlage nebenan, die Einrichtung: spartanisch. "Ich brauche nicht viel, ein Bett, eine gute Matratze." Sonst zwickt der Rücken.

An diesen Tagen drückt die Hitze auf die Regatta-Anlage in Oberschleißheim, die Zuschauer sitzen am Ufer und strecken ihre Füße ins kühle Wasser. Man trifft viele abgekämpft aussehende Schüler, die Nachwuchs-Kanuten geben alles. "Für Kinder und Jugendliche ist die DM schön", sagt Bundestrainer Reiner Kießler. "Sie sehen ihre Vorbilder hautnah." Er meint Athleten wie Max Hoff. Seit Jahren paddelt der 32-Jährige in der Weltspitze, gewann fünf Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften. Nur in Mailand passte es nicht: Hoff fuhr als Vierter ein, war zwei Sekunden langsamer als im Training. Der Bundestrainer glaubt, "mentale Schwächen" erkannt zu haben. "Der Max hat sich zu viel Druck gemacht." Über die WM spricht Hoff auch, aber nur kurz: "Ich habe Mailand abgehakt." 2016 sind die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Hoff soll dort den deutschen Medaillenspiegel anreichern.

Sein Leben ist eine Reise, München nur ein Zwischenstopp. Am Sonntag stieg Hoff erneut in den Flieger, das Ziel diesmal: Rio. Die Brasilianer haben zu einem Test-Wettbewerb geladen - Generalprobe auf der Olympiastrecke. Viel ist geschrieben worden über die Lagune Rodrigo de Freitas. Im April wurden täglich 500 Kilo Fischkadaver aus dem See gezogen. Die Wasserqualität sei schlecht, heißt es, vielleicht sogar gefährlich. Im August erkrankten bei der Junioren-WM der Ruderer 13 US-Athleten und vier Betreuer. Ärzte und Trainer machen das Wasser verantwortlich.

In Oberschleißheim ist das Wasser azurblau und so klar, dass man den Grund sieht. "Eine bewährte Anlage", findet Bundestrainer Kießler: "In Rio spannen sie die Strecke quer über einen See." Der Bundestrainer hat natürlich "die Gerüchte" gehört, will sich aber erst selbst ein Bild machen. "Vielleicht haben die Amerikaner einfach nur ein falsches Eis gegessen." Problematischer als das Wasser, werde der Wind, glaubt Kießler: "Es kann sehr windig werden. Wenn der Wind schlecht steht, kannst du nicht gewinnen."

Er vertraut darauf, dass es die Organisatoren schon hinkriegen. 2008 in Peking sei das ja auch so gewesen. "Alle haben davor über den Smog geredet." Dann sei die Schwerindustrie kurzzeitig heruntergefahren worden, es gab Fahrverbote für Autos. "Und am Renntag war klare Sicht." Maschinen kann man abschalten, Wind nicht.

Für Hoff wäre es vielleicht sogar ein Vorteil. Er fuhr früher Wildwasser, stürzte sich in den Alpen reißende Bergflüsse hinab. "Ich mag ruppige Bedingungen", sagt er, "ich bin recht flexibel." Dann geht Hoff weiter, zur Siegerehrung. Am Sonntag gewann er noch über die 5000 Meter. Langsam spürt Hoff die Strapazen der letzten Tage. Die weiteste Reise steht noch bevor: "Dann freue ich mich auf den Urlaub."

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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