Regionalliga-Derby:Weißwürste zur Regeneration

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Vergeblich gerackert: Hier wird Heimstettens Mohamad Awata von Münchens Derrick Köhn umzingelt. (Foto: Sven Leifer/imago)

Die U23 des Rekordmeisters ist weiterhin unaufhaltsam unterwegs zum Titel, dem abstiegsgefährdeten SV Heimstetten gibt die 0:2-Niederlage im Derby dennoch Zuversicht.

Von Christoph Leischwitz, München

Holger Seitz lobte die Bescheidenheit seines Angreifers Kwasi Wriedt, und dann packte er eine passende Anekdote aus: Beim Heimspiel vor 14 Tagen, dem 1:1 gegen 1860 Rosenheim, sei Wriedt eigentlich für mögliche Elfmeter eingeteilt gewesen. Dann aber habe er zum Flügelspieler Wooyeong Jeong gesagt: Woo, pass auf, du hast schon so lange nicht mehr getroffen, schieß du den Elfer. Jeong verschoss, und Seitz gibt zu, dass die Entscheidung entgegen der Abmachung einer der Gründe war, warum er anschließend so sauer gewesen sei. "Das geht eigentlich nicht. Aber das zeigt seinen Charakter", sagte der Trainer über Wriedt.

Bescheidenheit ist freilich ein relativer Begriff, vor allem angesichts der Zahl von 23 Saisontoren. Die meisten Gegner des FC Bayern München II würden Wriedt deshalb eher andere Adjektive zuordnen: eiskalt, zweikampfstark, gerissen, solche Dinge. Am Freitagabend, im Heimspiel gegen den abstiegsbedrohten SV Heimstetten, musste man sich kurz Sorgen machen bezüglich der Zuverlässigkeit des 24-Jährigen. Wriedt vergab nämlich Chancen, die er an anderen Spieltagen auf keinen Fall vergeben hätte. Gleich zweimal scheiterte der Angreifer des FC Bayern München II im Eins-gegen-Eins mit Torwart Maximilian Riedmüller, einmal drosch er einen Ball an die Latte. Dass Wriedt aber ausgerechnet jetzt, wenige Wochen vor den entscheidenden Aufstiegsspielen, plötzlich eine unerklärliche Ladehemmung bekommen würde - aus Sicht des Trainers unmöglich. "Da muss man sich bei Otschie keine Sorgen machen", sagte Seitz, "der ist einfach nur geil auf Tore. Der denkt nicht nach." Und dann traf er ja tatsächlich noch, nach 68 Minuten zappelte der Ball gegen Heimstetten letztlich doch im Netz. Doch der sehr wahrscheinliche Titel des besten Torjägers der Liga, glaubt sein Coach, bedeute ihm nicht viel. Das Spiel endete 2:0, die Bayern sind weiter Tabellenführer und würden sich schon auch noch ein wenig darüber freuen, wenn Heimstetten am Mittwoch punktet, im Nachholspiel gegen den Tabellenzweiten Eichstätt. Denn auch wenn der VfB gar nicht für die dritte Liga gemeldet hat, Meister würden die Bayern so oder so gerne werden. Seitz sieht sein Team auf einem guten Kurs, allein "mit der Chancenverwertung war ich diesmal nicht einverstanden".

Nach der Partie stand ein anderer Stürmer im Kabinengang, die Augen leicht gerötet, vermutlich aus Enttäuschung. Es ist fast genau zwei Jahre her, da hatte Mohamad Awata seinen ersten Auftritt im Grünwalder Stadion, für 1860 München, ausgerechnet im Derby gegen Bayern II. Ein Tor war ihm an der heimischen Stätte nicht gelungen. Diesmal rackerte der Syrer, nunmehr in Diensten des SV Heimstetten, unheimlich viel und hätte sich und seine Mannschaft beinahe belohnt: In der 74. Minute scheiterte er mit einem Kopfball, in der 88. Minute hatte er eine Doppelchance, die zu diesem Zeitpunkt noch den Ausgleich bedeutet hätte. Quasi im Gegenzug traf der eingewechselte Maximilian Franzke zur Entscheidung. "Wir haben viele Chancen gehabt, nicht nur ich, es ist eine Katastrophe", sagte Awata. Aber: "Wer hätte gedacht, dass wir heute über die mangelnde Chancenverwertung des SV Heimstetten sprechen", sagte dessen Trainer Christoph Schmitt über die Außenseiterrolle. Man habe ein sehr gutes Spiel gemacht fand er, nur wohl wieder einen Fehler zu viel. Den Unterschied an jenem Abend hatte mal wieder Kwasi Wriedt gemacht. Wobei, so ein bisschen haderten sie beim SV auch mit einem "Bayern-Bonus": Vor Wriedts 1:0 soll der Ball im Toraus gewesen sein. Keeper Riedmüller hatte lautstark beim Schiedsrichter protestiert. Noch besser wäre es freilich gewesen, sagte Trainer Schmitt trocken, "man lässt es erst gar nicht zu dieser Situation kommen."

Am Sonntag stand für die jungen Bayern ein "Regenerationstraining der anderen Art" (Seitz) an: eine Bergwanderung mit anschließendem Weißwurstfrühstück auf dem Gipfel. Am Mittwoch fliegt die Mannschaft nach England, um am Donnerstag im Stadion des FC Millwall das Finale im Premier League International Cup gegen Dinamo Zagreb II zu spielen. Ein paar Dutzend Bayern-Fans werden mit dem Bus anreisen. Gemein haben die Bayern und Heimstetten die Hoffnung, dass es in ihren jeweiligen Spielen während der Woche mit der Chancenverwertung besser klappt.

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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