Pipinsrieds Bayernliga-Zugang Herzig:Der Fußball-Backpacker

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Polizei und Pipinsried: Dafür hat sich Ex-Profi Herzig entschieden. (Foto: Toni Heigl)

Denny Herzig war Profi bei Dynamo Dresden, beim FC Wimbledon und beim isländischen Erstligisten Ólafsvík. Jetzt wird er Polizist - und kickt für Pipinsried

Von Christoph Leischwitz, Pipinsried

Man kann es nicht als Heimspiel bezeichnen, auch wenn Denny Herzig am Mittwochabend zu Fuß zum Platz gehen könnte. Keine zwei Kilometer sind es von seiner aktuellen Wohnung zum Gelände des TSV 1865 Dachau. Doch erstens lebt der 30-Jährige, der eine Ausbildung zum Polizisten macht, noch nicht lange in Dachau. Und zweitens wird er für den Gegner auflaufen, den FC Pipinsried. In einem Bayernliga-Derby (Beginn 18.30 Uhr), in dem der ehemalige Profi die nicht gerade kleine Gruppe der gehobenen Amateurspieler und ehemaligen Berufsspieler noch vergrößern wird. Eines weiß Herzig schon jetzt: "In der Bayernliga ist es wichtig, deinen Arsch zurückzubewegen", sagt der neue Abwehrchef, "da zählt die Fitness, da kannst du nicht mal eben so mitmachen."

Schon vor zwei Wochen hatte er das festgestellt, nach dem Saisondebüt gegen die DJK Vilzing (1:1). Da stand Herzig mit umgedrehter Baseballmütze vor der urigen Vereinsgaststätte und sprach für einen Ex-Profi erfrischend offen: "Ich hätte bestimmt noch den einen oder anderen guten Namen mitnehmen können", meinte er, doch er wollte es nicht so machen wie "viele meiner Kollegen". Ein Wechsel zum Karriereende zu einem Klub, um dort bei einem Vereinssponsor "einen Job zu bekommen, in dem man nicht glücklich ist". Seine Alternative lautet: Polizeischule und Pipinsried.

Mitspieler laufen gerade vorbei, sagen "Ciao" oder "Servus", jeder für sich, man kennt sich noch nicht so gut. "Das ist noch ein zusammengewürfelter Haufen. Wir müssen sehen, dass wir eine Einheit werden", sagt Herzig. Doch er sagt das nicht mit Drang in der Stimme oder von oben herab, er mag die flachen Hierarchien. Dem neuen Spielertrainer Ömer Kanca hat er seine Hilfe angeboten, er selbst wollte diesen Job aus Zeitgründen nicht übernehmen. "Ich kann ihm Tipps geben, wenn er sie braucht. Aber ich werde ihm nicht reinreden", sagt Herzig. Wer sich eines Tages in einer Verkehrskontrolle wiederfindet, in der ein Beamter namens Herzig nach den Papieren fragt: Es hätte sicher schlimmer kommen können, Herzig ist ein angenehmer Zeitgenosse.

Pipinsried und Herzig, das scheint aus mehreren Gründen ganz gut zusammenzupassen. Zum einen ist er schon lange so etwas wie ein Fußball-Backpacker mit Hang zum Abgelegenen. Auf seiner langen Reise hat er keine unpersönlichen Fünf-Sterne-Vereine mitgenommen, sondern eher die familiären Jugendherbergen. Der gebürtige Thüringer aus der Nähe von Saalfeld spielte nicht nur bei Carl Zeiss Jena in der Jugend und Dynamo Dresden in der dritten Liga, sondern auch für den FC Wimbledon, den FC Blackpool oder beim isländischen Erstligisten Víkingur Ólafsvík - und dann auch noch für so exotische Teams wie Wacker Burghausen und den SV Seligenporten. Unter dem Radar des europäischen Spitzenfußballs ist die Fallhöhe zu einem Verein wie Pipinsried gar nicht mehr so enorm. Immerhin ist Herzig nach eigenem Bekunden gezwungen, seinen Hintern zu bewegen. Alles andere würde der Präsident auch nicht gutheißen. Nach dem Spiel gegen Vilzing hatte Konrad Höß in seiner ihm eigenen Art gemeint: "Na ja, so gut hat der jetzt auch nicht gespielt."

In Wahrheit passt Herzig genau ins Hößsche Beuteschema: Ein Profi, der aus privaten oder beruflichen Gründen nur noch Amateurfußball spielen will. Offiziell gibt es nur eine Aufwandsentschädigung, die kann dem Vernehmen nach aber oberes Bayernliga-Niveau erreichen. Und die Aussicht, sich auf die eigene Erfahrung verlassen zu dürfen und nur zweimal in der Woche trainieren zu müssen. "Es gibt in der Gegend ja keinen Regionalligisten, der nur abends trainiert", sagt Herzig. Und Seligenporten, ohnehin aus der Regionalliga abgestiegen, sei ihm mittlerweile zu weit.

Höß hat nach drei sieglosen Spielen die aktuelle englische Woche zu einer der Wahrheit erklärt, nach dem Derby steht das schwere Heimspiel gegen Garching an. Beruhigung brachte indes schon der jüngste 2:0-Heimsieg gegen Landsberg. "Auch noch ohne Gegentor", sagte Höß und lobte damit vor allem Herzig. Der Präsident hat jetzt auch noch einen Stürmer geholt, Thomas Schreiner. Den hatte er selbst vor zwei Jahren suspendiert, heute hält er ihn für "a bissl ungezähmt". Schreiner ist gerade einmal zwei Jahre jünger als der neue Spielertrainer Kanca. Womöglich hätte Höß ohne einen Denny Herzig in seinen Reihen solch einen Transfer nicht gewagt.

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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