Pferdesport:Werbefahrt mit Donnerstolz

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Ab geht die wilde Fahrt: Herbert Rietzler und Hengst Nakuri preschen bei den deutschen Einspänner-Meisterschaften in Riem durch das Wasserloch. (Foto: Claus Schunk)

Alexandra Röder ist Weltmeisterin im Einspänner-Fahren mit Handicap. Ihr Sport ist jung, die deutsche Meisterschaft in Riem umso wichtiger. Nicht zuletzt für Riem

Von Fabian Swidrak, München

Linkskurve, Rechtskurve, das Wasser spritzt in alle Richtungen. Der Kies um die große Pfütze herum ist längst nass, Donnerstolz aber hebt und senkt seine Hufe so energisch, dass die Wellen noch weiter nach außen schwappen. Auch Alexandra Röder bleibt auf ihrer Kutsche nicht trocken, wenn Donnerstolz die Hindernisse im Wasserloch umkurvt. Die 28-jährige Fahrerin und ihr 21-jähriger Wallach sind schnell, schneller als die gesamte Konkurrenz, fast zu schnell. Es sind nur noch wenige Meter: Donnerstolz holt vor der letzten Kurve zu weit aus und muss laut schnaubend abbremsen, um nicht gegen einen Baum zu stoßen. Ruckartig reißt er die Kutsche mit Röder um die enge Kurve und galoppiert ins Ziel. Erster.

Mit einer gemütlichen Kutschfahrt durch Wiesen und Wälder hatte der rasante Kampf gegen die Uhr auf der Olympia-Reitanlage in Riem am Wochenende wenig gemein. Der Fahrsport ist, was sein Name verrät: ein Sport. Wer vorne dabei sein will, braucht Kraft und Ausdauer. Was Pferde und Fahrer bei den deutschen Meisterschaften der Einspänner in Riem zeigten, waren sportliche Höchstleistungen.

Röders Lauf liegt inzwischen eine gute Stunde zurück, auf dem Fahrrad kurvt sie durch das Fahrerlager zurück zum eigenen Pferdetransporter und setzt sich in einen ausgeleierten Campingstuhl, die Beine lässig überkreuzt. Dass sie seit einer Krebserkrankung in ihrer frühen Kindheit eine Beinprothese trägt, sieht man Röder nicht an. "Als Fahrerin gibt es da keinen Unterschied, ich fühle mich deshalb nicht schwächer", sagt sie. Röder, die für den RV Rheinische Höhen (Nordrhein-Westfalen) fährt, ist aktuelle Weltmeisterin, in Riem gewann sie mit großem Vorsprung die deutsche Meisterschaft der Fahrerinnen und Fahrer mit Handicap.

Die deutsche Meisterschaft ist einer der wenigen Fahrsport-Wettkämpfe, bei denen für Röder und andere Behinderte ein eigener Titel ausgelobt wird. "Sonst fahren wir immer mit allen anderen zusammen", sagt Röder, nicht, weil sie es sich anders wünscht. Im Gegenteil: Sie fährt auch dann vorne mit. "Unser Sport ist ein hochintegrativer." Für einige Menschen ist er gar der einzig mögliche Pferdesport, wenn Reiten nicht oder nicht mehr geht. Zahlreiche kompensatorische Hilfsmittel sind bei den Wettkämpfen erlaubt: Aufstiegshilfen und Bremskraftverstärker an den Kutschen oder Leinen mit Schlaufen für Menschen, die nur wenig Kraft in den Händen haben. Das Bremsen beispielsweise übernehmen bei teil- oder querschnittsgelähmten Fahrern Beifahrer.

"Das Para-Fahren ist noch jung, es befindet sich gerade erst im Aufbau", sagt Fahrsport-Bundestrainer Karl-Heinz Geiger, der in der Nähe von München lebt. Noch gibt es nicht viele Turniersportler, 13 waren es in Riem, keiner aus der Region. Auch unter den nichtbehinderten Startern befand sich lediglich eine Lokalmatadorin, Geigers Tochter Anika. "Es ist dennoch wichtig, dass solche hochklassigen Wettbewerbe auf der Anlage in Riem stattfinden", findet Karl-Heinz Geiger. Sie seien wichtige Argumente gegen eine in wenigen Jahren drohende Bebauung des Areals, das dem Freistaat Bayern gehört und die Olympia Reitanlagen GmbH als Betreibergesellschaft lediglich gepachtet hat.

Röder jedenfalls kommt gerne wieder nach Riem: "Wegen der langen Anreise war ich skeptisch, aber es ist wunderschön hier, weitläufig, sehr gepflegt, und die Pferde stehen optimal." Die Weltmeisterin hofft, ein wenig Werbung für ihren Sport und anderen Behinderten Mut gemacht zu haben. "Vielleicht können wir beim nächsten Mal dann auch gegen Fahrer aus der Region antreten."

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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