Pferdesport:Vierhufküken

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Anika Geiger zählt bei der DM der Einspänner in Riem zu den Favoritinnen. Der Bundestrainer beobachtet sie seit längerem: Es ist ihr Vater Karl-Heinz

Von Fabian Swidrak, München

Es falle ihr nicht leicht, sich das einzugestehen, sagt Anika Geiger, aber manchmal gebe es auch in ihrem Leben Wichtigeres als Pferde. Zumindest für kurze Zeit. In einigen Tagen wird es wieder einmal soweit sein. An der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo die 19-Jährige Biologie studiert, beginnt dann die Prüfungsphase. "Annabelle wird währenddessen ein oder zwei Ruhetage mehr pro Woche bekommen", sagt Geiger, die sich und ihre siebenjährige Stute erfolgreich in die unfreiwillige Lernpause verabschieden will. Am liebsten mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft der Einspänner, die von Donnerstag bis Sonntag auf der Reitanlage in Riem ausgetragen wird.

"Ich habe wahrscheinlich eines der jüngsten und unerfahrensten Pferde im Wettbewerb", sagt Geiger. Die meisten erfolgreichen Fahrpferde seien um die zehn Jahre alt. "Und ich bin ja selbst wirklich noch ein Küken in diesem Sport", schiebt die dreifache deutsche Jugendmeisterin hinterher und versucht, die Erwartungen zu dämpfen. Dennoch sieht sie sich auf einem der vorderen Plätze. Zumindest die bayerische Meisterschaft, die innerhalb des deutschen Titelkampfs ausgetragen wird, wolle sie gewinnen. Es wäre ihre vierte Goldmedaille bei bayerischen Meisterschaften. Und Geiger ist gut in Form. Erst vor wenigen Wochen belegte sie bei einem hochkarätig und international besetzten Turnier in Österreich den zweiten Platz.

Die WM 2018 fasse sie "ernsthaft ins Auge", sagt Anika Geiger. Die WM Anfang August dagegen kommt für die Studentin und ihre Stute Annabelle wohl noch zu früh. (Foto: Hippoevent)

Insgesamt werden in Riem am Wochenende gleich drei deutsche Meister gekürt: Neben den besten Einspännern mit Pferd und Pony wird auch der deutsche Fahrer-Meister mit Handicap ermittelt. In allen Leistungsklassen nehmen sowohl Frauen als auch Männer teil. Die Wettkämpfe bestehen jeweils aus drei Disziplinen. Beim Dressurfahren müssen zunächst vorgebene Hufschlagfiguren in verschiedenen Gangarten absolviert werden. In die Bewertung der Richter fließen auch der Kleidungsstil der Fahrer, das Aussehen der Kutschen sowie der optische Eindruck des gesamten Gespanns mit ein. Beim Geländefahren (auch: Marathon) müssen Pferde und Fahrer möglichst schnell und fehlerfrei einen acht Kilometer langen Parcours mit natürlichen und künstlichen Hindernissen durchqueren. Höhepunkt des Kurses in Riem ist ein extra für die deutsche Meisterschaft saniertes Wasserhindernis. Dritte und letzte Disziplin ist das Hindernisfahren. Auch hier müssen die Fahrer ihre Kutsche möglichst fehlerfrei durch einen aus Kegelpaaren bestehenden Parcours manövrieren. Der Abstand zwischen den Kegeln beträgt dabei gerade einmal 20 Zentimeter mehr als die Breite der Wagenspur, zehn Zentimeter pro Seite.

Für Geiger sind die Meisterschaften ein Heimspiel, oft trainiert sie auf der Reitanlage in Riem und kennt das Gelände, auf dem der Marathon als spektakulärster Teilwettkampf stattfindet. Der Weg durch die Hindernisse sei vorab allerdings nicht bekannt, sagt Geiger, die sich daher keinen Vorteil verspricht. Mehr noch: "Für die Pferde ist es oft schwierig, wenn sich der Weg in bekanntem Gelände ändert. Meist ist es daher besser, wenn sie an einen komplett neuen Ort kommen."

Geiger weiß, wovon sie spricht. Seit ihrer frühen Kindheit ist sie von Pferden umgeben, im Alter von fünf Jahren bekam sie das erste eigene Pony. Noch lieber als in dessen Sattel stieg sie allerdings schon damals zu ihrem Vater Karl-Heinz auf den Kutschbock. Der mehrfache bayerische Landesmeister der Vierspänner wird am Wochenende ebenfalls in Riem sein. Nicht nur, um seiner Tochter die Daumen zu drücken, sondern auch um als Bundestrainer wichtige Entscheidungen zu treffen.

Zusammen mit Disziplintrainer Wolfgang Lohrer wird Geiger nach den Wettkämpfen in Riem den Kader für die Weltmeisterschaft der Einspänner bekannt geben, die vom 3. bis 7. August in Köflach (Österreich) stattfindet. Drei Fahrer werden für die Mannschaft nominiert, ein weiterer als Reservist und Einzel-Starter. Die Erwartungen sind hoch: Zuletzt wurde Deutschland dreimal in Serie Mannschaftsweltmeister (2010, 2012, 2014) und gewann dabei auch im Einzel zweimal die Goldmedaille (2010, 2012).

Anika Geiger wird in den Überlegungen ihres Vaters und seines Trainerstabs noch keine allzu große Rolle spielen. Deutschland habe eines der stärksten Einspänner-Felder der Welt, sagt Geiger: "Vielleicht bin ich in Erwägung zu ziehen, aber ich zähle sicher nicht zu den Favoriten auf einen Platz im Kader." Geht es nach ihr, sieht die Sache in zwei Jahren schon ganz anders aus: "Die WM 2018 fasse ich ernsthaft ins Auge." Ihr Pferd, die Stute Annabelle, wäre dann im besten Alter.

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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