Pferdesport:Totes Rennen

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Der 335:10-Außenseiter Guignol gewinnt den Saisonabschluss auf der Galoppbahn in Riem. Dem Finale der neuen deutschen Champions League mangelt es dennoch an Spannung, weil viele Stallbesitzer lieber höher dotierte Einladungen aus dem Ausland wahrnehmen

Von Philipp Jakob, München

Guignol hatte die Ziellinie noch gar nicht überquert, da drehte sich sein Jockey Michael Cadeddu schon in Richtung der Zuschauer. Etwa 7000 waren an Allerheiligen zur Galopprennbahn hinaus nach Riem gekommen, um bei strahlendem Sonnenschein den Saisonabschluss zu feiern. Mit einem breiten Siegerlächeln im Gesicht verteilte Cadeddu 30 bis 40 Meter vor dem Ziel Handküsse in die Menge, der Sieg im Großen Preis von Bayern war ihm und Guignol nicht mehr zu nehmen. Dabei ging der Hengst als krasser 335:10-Außenseiter an den Start. So gut wie keiner der Wetter hatte den Vierjährigen aus dem Stall Ullmann auf dem Zettel.

Dennoch - oder gerade deswegen - ritt Guignol allen davon. Er kam am besten aus der Startbox und feierte nach 2:37,42 Minuten einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg beim mit 155 000 Euro dotierten Gruppe-I-Rennen. Zwischenzeitlich setzte sich Guignol sogar mit bis zu zehn Längen von seinen Verfolgern ab. Zwar wurde es auf der Zielgeraden etwas knapper, doch "er ist immer weiter marschiert", freute sich sein Trainer Jean-Pierre Carvalho. Keine Chance hatte dagegen Savoir Vivre. Der Favorit auf den Sieg über die 2400 Meter landete nur auf Rang fünf. Besser lief es für Racing History und Hawkbill (beide aus dem Stall Godolphin), die auf den Plätzen zwei und drei ins Ziel kamen. Vierter wurde Iquitos, der vor allem nach dem Rennen die Aufmerksamkeit der Fans auf sich zog.

Dort wartete nämlich eine ganz besondere Auszeichnung auf den von Hans-Jürgen Gröschel trainierten Hengst aus dem Stall Mulligan, auch wenn es an diesem Tag nicht ganz zum Sieg gereicht hatte. Der vierjährige Iquitos ist der Sieger der 2016 erstmals ausgetragenen German Racing Champions League, eine Rennserie bestehend aus den elf wichtigsten deutschen Galopprennen. Der 81. Gerling-Preis in Köln diente im Mai als Auftakt, die weiteren Stationen waren allesamt ebenfalls hoch dotierte und vor allem prestigeträchtige Rennen wie das Deutsche Derby in Hamburg, der Preis der Diana in Düsseldorf oder der Große Preis von Baden in Iffezheim. Die jeweils Bestplatzierten sammelten Punkte (10-6-4-2-1), um am Ende der Saison das beste Pferd, den besten Jockey und den besten Trainer küren zu können. Beim letzten Rennen, dem Großen Preis von Bayern, gab es sogar die 1,5-fache Punktzahl. Spannung kam dadurch trotzdem nicht auf. Iquitos, der in fünf der elf Rennen an den Start ging, stand schon vor dem Abschlussrennen in Riem als der Sieger der Champions League fest.

Nach zwei Erfolgen (jeweils auf der Galopprennbahn in Iffezheim), zwei vierten und einem fünften Platz sicherte sich der Hengst den Titel (26 Punkte). Allerdings trat keiner seiner ärgsten Verfolger in Riem an. Die zweitplatzierte Stute Nightflower (22 Punkte) folgte einer Einladung zum Japan Cup nach Tokio, statt um die Champions League zu kämpfen. Genau das sollte durch die Einführung der Rennserie eigentlich verhindert werden. Der Plan war, einen besonderen Anreiz für die Besitzer zu schaffen, ihre Pferde in Deutschland laufen zu lassen. In den letzten Jahren gingen die Besitzer lieber bei den meist besser dotierten Veranstaltungen im Ausland an den Start, der deutsche Turfsport litt unter der Anziehungskraft der Rennen in Japan, Frankreich oder England.

Offensichtlich konnte die German Racing Champions League dies in ihrem ersten Jahr noch nicht ändern. Das Problem ist wie immer der schnöde Mammon. Außer dem Preisgeld der jeweiligen Rennen liefert der Gewinn der Champions League keine Extra-Prämie für den Sieger. Iquitos und sein Besitzer sowie Andrasch Starke (bester Jockey) und Andreas Wöhler (bester Trainer) müssen mit einem Ehrenpreis und Imagegewinn vorlieb nehmen. Das änderte allerdings nichts an der Freude bei Werner Gerhold. Gemeinsam mit drei Freunden, die er beim Golfen kennenlernte, kaufte er vor einigen Jahren Iquitos für gerade mal 10 000 Euro. Jetzt holte der Hengst den Titel in der Champions League. "Was gibt es Schöneres?", fragte Gerhold und freute sich über seine Investition.

Aus Münchner Sicht gab es am letzten Renntag der Galoppsaison in Riem vor allem für den ortsansässigen Trainer John David Hillis etwas zu feiern. Der ehemalige Jockey gewann mit seinen Pferden zwei Rennen und sicherte sich zudem noch drei weitere Platzierungen. Eher enttäuscht war dagegen sein Kollege Michael Figge, der auf seiner Heimrennbahn den 100. Sieg seiner Karriere knapp verpasste.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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