Pferdesport:Prosecco, Zigarren und ein Hauch Nostalgie

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Die alte Daglfinger Rennbahn glänzt beim Amateurfahrer-Cup, der immerhin 5000 Zuschauer anzieht.

Von Raphael Weiss , München

Die Kassenhäuschen vor dem großen grünen Eingangstor sind schon lange geschlossen. Auf einem Banner prangt der Schriftzug: "Trabrennbahn Daglfing". Darunter, wo der Eintrittspreis stehen sollte, eine Lücke: "Eintrittskarten ... Euro". Auf dem ganzen Gelände der Rennbahn, die in den Achtzigern als eine der besten Europas galt, ist der Verfall sichtbar. Der graue Beton der Tribünen erinnert an eine heruntergekommene Plattenbausiedlung. Auf einer Metalltür ist mit Kreide eine Zielscheibe aufgemalt, zusammen mit einem krakeligen Schriftzug: "3 Wurf, 1 Euro".

Mit dem Internet hatte es damals begonnen, das Ende der goldenen Zeit in Daglfing. "Als diese Ruckelbilder kamen, sind zwar ein paar Besucher weniger gekommen, aber das war nicht schlimm", sagt Johann Sporer, 70, der Vizepräsident des Münchner Trabrenn- und Zuchtvereins (MTZV). Jetzt gebe es bei jedem Rennen HD-Streams und die Leute wollten den Weg nach Daglfing nicht mehr auf sich nehmen, erklärt Sporer. Er trägt ein Poloshirt in neonrosa, die Sonnenbrille auf der Nasenspitze, während er die Pferde beim Aufwärmen beobachtet.

"Wir haben zu lange in der goldenen Zeit festgesteckt": Am Sonntag kehrte ein Teil ihrer Strahlkraft auf die Rennbahn im Münchner Osten zurück. (Foto: Lajos-Eric Balogh)

An diesem Sonntag ist es anders. Die etwa 5000 Besucher geben der Rennbahn einen Teil ihrer verlorenen Strahlkraft zurück. Der Daglfinger Amateurfahrer-Cup ist das erste hoch dotierte Rennen seit langer Zeit. 15 000 Euro Preisgeld für das Hauptrennen. Eine Summe, die früher selbstverständlich war, ist heute nur mit größter Anstrengung zu stemmen.

Die Rennbahn zeigt sich für diesen besonderen Anlass von ihrer besten Seite. Gute Fahrer, Sponsorenpreise und ein buntes Programm für die Kinder. Schminken, Ponyreiten, eine Torwand und eine Hüpfburg. Wobei letztere bei Sporer auf Unverständnis stößt: "Die Kinder haben doch keine Lust auf Hüpfburgen, die brauchen was Neues", sagt er und grinst.

Ihm gegenüber sitzt Angelika Gramüller, 57. Seit fast drei Jahren ist sie die Präsidentin des MTZV und hält die Trabrennbahn am Leben. Nach Jahren des Kampfes gibt es Lichtblicke in Daglfing. Auch dank Gramüller selbst. In München-Daglfing geboren, begleitete sie schon als Kind ihren Vater regelmäßig zur Rennbahn. Deren Rettung ist für Gramüller eine Herzensangelegenheit. "Man muss sich bei der Präsidentin einfach bedanken. Ein wahrer Glücksfall für den Trabsport", sagt Marian Tux, kurz nachdem er mit Cachamour den Amateurfahrer-Cup gewonnen hatte. In München, sagt Tux, fänden noch regelmäßig Rennen statt. In Straubing, wo sein Heimatstall steht, gebe es nur noch Rennen des französischen Online-Wettanbieters PMU. Für die Fahrer und Pferdebesitzer sei das ein Albtraum: "Ohne die gehobenen Rennen verkaufen die Leute ihre Tiere und dann ist Ende", glaubt Tux.

Gramüller beobachtet die Läufe von der sonnigen Terrasse des Traberstadls aus. Um sie herum: ältere Damen mit Hüten und zigarrenrauchende Herren, die gemeinsam Prosecco trinken und Fleischpflanzerl-Semmeln essen. Gramüller scheint jeden Besucher zu kennen, begrüßt sie mit Namen und stellt sicher, dass sich alle wohlfühlen. Keine leichte Aufgabe, wenn durchgehend das Handy klingelt. Eine Kasse ist defekt, beim Kinderschminken fehlt ein Besen, die Tischnachbarn hätten gern ein Programmheft. Zwischendrin muss noch gewettet werden.

"Wir haben zu lange in der goldenen Zeit festgesteckt, das müssen wir jetzt ausbügeln", sagt Gramüller. Das drängendste Problem ist die Suche nach einem neuen Standort. Vor zwölf Jahren wurde das Gelände an einen Bauunternehmer verkauft. Hier soll Wohnraum entstehen, deswegen muss die Rennbahn umziehen. Frühestens 2022, die Suche nach einem geeigneten neuen Standort läuft. Wo es auch hingehen wird, Maisach, wo dem MTZV weiterhin ein Grundstück freigehalten wird, soll es auf keinen Fall werden: "Wir haben jetzt eine super Lage. Nach Maisach kommt doch niemand, dann schauen alle im Internet. Das wäre unser Tod", glaubt Gramüller.

In den kommenden Monaten sollen hier noch zwei weitere gehobene Rennen stattfinden: der Stuten-Cup am 23. Juli und der Bayern Pokal am 3. September. Die Rennbahn wird dann zumindest für diese zwei Tage wieder in ihre goldene Zeit zurückkehren.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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