Pferdesport:Mangos statt Millionen

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Speziell, schwierig und von unglaublicher Ausdauer: So charakterisiert Simone Blum ihr Pferd Alice, dessen Wert Experten auf einen zweistelligen Millionenbetrag schätzen (Foto: Chai v.d. Laage/imago)

Der Erfolg der Springreiterin Simone Blum ist ohne Alice kaum denkbar. Die Zollingerin ist auf die temperamentvolle Fuchsstute angewiesen - zumal sie kein zweites Spitzenpferd besitzt.

Von Fabian Dilger

Simone Blum ist in der Weltspitze des Springreitens angekommen. Dazu verhilft ihr die Fuchsstute Alice, "ein Pferd zwischen Genie und Wahnsinn". Die Stute ist Millionen wert, doch Simone Blum aus Zolling (Landkreis Freising) will sie reiten statt verkaufen.

Simone und Alice, Alice und Simone, die beiden Namen sind im Moment nicht voneinander zu trennen. Simone Blum und ihre Stute bilden eine Einheit, sie haben in den vergangenen Jahren Fahrt aufgenommen. Nach dem Gewinn des Nationenpreises beim CHIO in Aachen gehören sie zur internationalen Spitze im Springreiten.

Für die fünf jungen Reiterinnen auf der Olympia-Reitanlage in München ist es ein aufregender Termin. Trainingsstunde mit Simone Blum! Mit Shorts und silbernen Sneakers steht Blum in der Mitte der Halle in Riem, die Mädchen drehen ihre Runden und Blum ruft Anweisungen. Die Mädchen haben die Stunde bei einem Nachwuchswettbewerb des Bayerischen Reit- und Fahrverbandes gewonnen. Der Termin stand schon lange fest, doch mit dem Gewinn des Nationenpreises in Aachen Ende Juli ist der Name Simone Blum noch einmal interessanter geworden. Alice, die Stute, auf der Blum ihre jüngsten Erfolge holte, ist das Gesprächsthema unter den Zuschauern auf der Tribüne. Sogar die Eigenheiten des Pferdes kennen die kleinen Fans schon ganz genau. Ein Mädchen holt nach dem Training eine Mango heraus und schenkt sie Blum. Die Mango ist für Alice gedacht, die ganz wild auf das Obst ist und nach fehlerfreien Runden eine Frucht als Belohnung bekommt.

Mangos zur Belohnung gab es in den vergangenen beiden Jahren öfters. Von 2016 an häuften sich die Erfolge bei Blum. Da war sie deutsche Meisterin bei den Frauen, 2017 setzte sie sich dann auch gegen die Männer durch. Berufung in den Olympiakader und Reservistin bei der Europameisterschaft, jetzt der Nationenpreis beim ehrwürdigen CHIO. "Ein Reiter ist immer nur so gut wie sein bestes Pferd", sagt Blum. Die Erfolge kamen mit Alice, ohne sie wäre es nicht so steil nach oben gegangen. "Die Karriere hat eigentlich angefangen mit Alice. Und wenn man nicht so ein Top- oder Welt-Pferd hat, dann ist es schwierig oder unmöglich, in der Spitze Fuß zu fassen", sagt Blum. Als sie die elfjährige Stute vor vier Jahren bekam, war ihr sofort klar, dass diese unheimliche Qualität hat. Energie und Temperament, das macht Alice aus. "Wie viel Ausdauer dieses Pferd hat, ist einfach unglaublich", sagt Blum. "Sie ist ein spezielles Pferd, sie ist ein schwieriges Pferd, sie ist eine richtige Fuchsstute." So viel Dampf auf dem Kessel muss aber auch kontrolliert werden, da kommt Blums Qualität als Reiterin ins Spiel. "Ich kann schwierigere Pferde handeln", so charakterisiert sie sich selbst. Sie weiß, wie man mit ihnen umgeht.

Simone Blum war es tatsächlich "in die Wiege gelegt", man würde es nicht schreiben, wenn sie es nicht selbst sagen würde. Die Familie Blum ist eine Reiterfamilie. Großvater Gustav Adolf ist der Ehrenpräsident des Bayerischen Reit- und Fahrverbandes, Vater Jürgen Blum war bei Olympia 1996 als Vielseitigkeitsreiter in Atlanta dabei. Als Nachwuchsreiterin durfte sie bei Lehrgängen ihres Vaters in der Olympia-Reithalle mitmachen, "ich habe alles mitgenommen, was ich konnte". Kurz vor ihrem Abitur verletzte sie sich bei einem Sturz vom Pferd allerdings schwer, mit einer Gehirnblutung lag sie kurzzeitig im Koma. Sie habe danach nie gezweifelt, ob das mit dem Reitsport eine gute Idee sei, sagt Blum sehr schnell und bestimmt, "man dürfte auch nicht Auto fahren oder über eine Straße laufen". Aber Vielseitigkeit, so wie ihr Vater, das war ihr doch ein Stück zu gefährlich. "Da fehlt mir vielleicht ein bisschen der letzte Mut, und deswegen ist es dann Springen geworden."

Die Pferde sind nicht nur Sport, sie sind der Beruf der 29-Jährigen. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten trainiert sie 16 Pferde auf dem Eichenhof in Zolling. Voriges Jahr hat sie ihr Lehramtsstudium in Biologie und Chemie abgeschlossen. Im Moment ist ein Referendariat aber nicht denkbar, Spitzensport und Schule schließen einander zeitlich aus. Jetzt will Simone Blum sich ganz auf das Reiten konzentrieren, alles "mitnehmen, was geht". "Eine Alice werd ich nie wieder finden", sagt sie. In zwei Jahren steht Olympia in Tokio an, das ist im Hinterkopf, das ist Traum und Ziel von Simone Blum. Aber Alice braucht sich "nur einmal in der Box anhauen oder vertreten", dann kann es schon vorbei sein.

Simone Blum und Alice, diese Kombo ist einzigartig - auch in dem Sinn, dass Blum gar kein anderes Spitzenpferd zur Verfügung hat. "Große Namen haben Sponsoren", sagt sie. Reiter, die Pferde gestellt bekommen und mit diesen an den Start gehen dürfen. Blum und ihr Freund machen im Moment noch alles selbst. Sie müssen hoffen, dass sie über die Ausbildung junge Pferde finden, die das Zeug für die großen Turniere haben. Allein schon deswegen würde Blum Alice auch nie verkaufen. Eines der wertvollsten Pferde der Welt, solche Experten-Schätzungen liest man über Alice, zweistelliger Millionenbetrag. "Ein Wert ist erst, wenn ein Pferd verkauft und Geld geflossen ist", sagt Blum. Und verkauft wird ja sowieso nicht. Alice wird noch länger in Zolling ihre Box haben und Mangos bekommen.

© SZ vom 09.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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