Pferdesport:Hohes Niveau im Burger-Duft

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Toreschießen, Ringewerfen - und dann noch ein Ausfall wegen Seuchengefahr: Die Pferd International in Riem hatte wieder eine Menge zu bieten. Vor allem starken Sport und tolles Wetter.

Von Marcel Bothe

Skistar Felix Neureuther hat ein Pferd versteigert. Es war blau, trug ein Alpenpanorama auf dem Körper und war aus Plastik, lebensgroß. Das Ganze für einen guten Zweck. Auch Fußballstar Manuel Neuer war da, der Torwart des FC Bayern brachte einen Gips mit und seine pferdesportbegeisterte Ehefrau Nina, die er vor einigen Tagen geheiratet hat. Und natürlich war Lisa Müller am Start, die Dressurreiterin, die wie immer ihren fußballbegeisterten Ehemann Thomas dabei hatte. Vor allem aber waren viele Spitzenreiter in den vergangenen vier Tagen nach München-Riem gekommen, denn die Pferd International ist Süddeutschlands größtes Pferdefestival. Wie immer gab es für insgesamt etwa 70 000 Besucher einen Mix aus klassischen und etwas ausgefalleneren Pferdesport-Disziplinen zu sehen.

Stadion-Polo

"Sie sind absolute Allrounder, Top-Athleten, sie trainieren zwei Mal täglich" - es waren schmeichelnde Worte des Stadionsprechers, ihre Adressaten erreichten sie aber wohl nicht. Zumindest ist es eher unwahrscheinlich, dass Pferde die menschliche Sprache verstehen, es waren aber tatsächlich jene Tiere, die so hochgelobt wurden.

Sie mussten ja auch einiges leisten: Sie wurden von ihren Reitern über das 120 Meter lange Feld gejagt, vorbei an den Zuschauern auf der Tribüne, nach rechts, nach links, vor, zurück, die Beine bandagiert, um Verletzungen zu vermeiden. Die hätten vor allem durch die Schläger ihrer Reiter zustande kommen können, die damit einen Lederball ins gegnerische Tor schießen wollten. Tore, Pferde, Schläger - das klang natürlich nach Polo; im Gegensatz zu den 120 Metern und der Tribüne voller Zuschauer. Denn ein übliches Spielfeld ist mehr als fünf Hektar groß, ein Genuss nur für die Spieler. Der Sport ist im Umbruch, es hat sich eine neue Variante entwickelt, eine zuschauerfreundlichere, mit kleinerem Feld, weniger Spielern und größerem Ball: das Stadionpolo. Bei der Pferd International München feierte es seine Premiere in Deutschland, ja fast in Europa - nur in England wurde es bereits gespielt, die Briten waren es ja auch, die Polo in Europa prägten. Am Donnerstag und Freitag kämpften fünf Teams um den Munich Polo Cup, Samstag und Sonntag folgte der München Gold Cup, feste Klubmannschaften gibt es beim Polo nicht. "Wenn es ein Turnier in Rom gibt, suche ich Leute, die darauf Lust haben", erklärt der Münchner Polotrainer Wolf Jage und fügt an: "Mit denen muss ich ja auch das Wochenende verbringen. Also suche ich sympathische Leute, nette Leute."

Sympathisch waren sich auch Bernd Hotz, David Kalberer und Andreas Zorn. Ein Schweizer, ein Deutscher und ein Österreicher, vereint zum Gentlemen's Polo Team. Gegen den Munich Polo Club gewinnen sie 2:1, drei Tore habe Bernd Hotz vorher versprochen, verrät der Stadionsprecher. Als Hotz direkt zum 1:0 trifft, meint er: "Das hat er cool gemacht, das liegt bestimmt an der coolen Sonnenbrille." Nur wenige Sekunden später trifft Hotz aus der Distanz, ein weiterer Treffer gelingt ihm dann nur noch ins Publikum, das bei dieser Polo-Variante auch zur Zielscheibe werden kann. Der Stadionsprecher mutmaßt, "der Bernd will doch nur die Telefonnummern der Damen", und er weiß: "Das geht doch einfacher." Mit einer coolen Sonnenbrille vielleicht?

Mounted Games

"Man muss präzise spielen, denn wenn das Hütchen runterfällt, dauert es lange, bis man es wieder hat", sagte Thomas Wacht. Es ging ein Raunen um, denn kaum hatte er seinen Satz beendet, fiel das Hütchen. Wacht ist der Koordinator der Interessengemeinschaft Mounted Games Bayern und gab eine kleine Demonstration dieser Spiele, die vor 200 Jahren in England erfunden wurden, um Soldaten fit zu halten. In der Mannschaft funktionieren die Mounted Games wie eine Staffel, in der zwischen den 54 Meter weit auseinander liegenden Start- und Wechsellinien kleine Geschicklichkeitsübungen zu absolvieren sind, der Staffelstab ist dann ein Holzdegen, mit dem man Ringe fischen muss, eine Fahne, die in einen Topf gesteckt werden muss, oder eben ein Hütchen, das aufzuheben und abzustellen ist. Geritten wird vor allem auf Ponys oder anderen Kleinpferderassen, abhängig von der Größe des Reiters. "Wenn ich 80 Kilogramm wiege und dann ein Pony nehme - das klappt natürlich nicht", sagt Wacht. Auch bei der kleinen Vorstellung funktioniert nicht alles, die teilweise erst zwölf Jahre alten Reiterinnen verfehlen die Dosen, die sie mit einem Stab aufgabeln sollen, knapp, einige müssen absteigen, um die Dosen zu schnappen, und reiten wieder auf dem Pferd durchs Ziel. Alles nicht schlimm, meint Wacht, "Beharrlichkeit zahlt sich aus". Das gilt auch für die Mounted Games in Bayern, die erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen, "im Norden gibt es eine größere Szene", sagt Wacht. Im Programm der Pferd International feierten sie ihre Premiere, am Samstag und Sonntag folgte den Einführungen der Vortage ein internationales Turnier mit Teams aus Frankreich, Österreich, der Schweiz und Deutschland, das "Blue Win" (Schweiz) gewann.

Working Equitation

Es fällt schwer, eine Geschichte über die Turniere der Working Equitation zu erzählen, ohne die Rahmenbedingungen zu erwähnen. Das Wetter war prächtig, die Sonne schien mit jedem Tag noch ein Stück heller, die zwei kleinen Tribünen waren dicht besetzt, und auch die umliegenden Rasenflächen waren von Menschen umsäumt. Die Sportler vor ihnen bewiesen ihre Vielfältigkeit, zu der Working Equitation gehören die Disziplinen Dressur, Dressurtrail, Speedtrail und Rinderarbeit. Letztere, bei der es das Ziel ist, ein Rind aus einer Herde zu trennen und in ein Gehege zu treiben, fiel in München aus: Mit Verdacht auf eine Seuche blieben die Rinder zu Hause. Aber auch die anderen Disziplinen versprachen Unterhaltung, beim Dressurtrail etwa galt es, einen Parcours zu meistern mit einem Slalom um Stangen, dem Gang über eine Brücke oder dem Rückwärtsrichten, also dem Rückwärtsgang des Pferdes. Das alles erforderte Konzentration, und die zu behalten, fiel nicht leicht: 179 Aussteller waren auf der Pferd International München vertreten, dazu 20 Gastronomiestände, und auch das gehörte zu den Rahmenbedingungen: Die Verteilung der geruchsintensivsten dieser Stände direkt neben dem Working-Equitation-Platz wollte es so, dass regelmäßige Burger-Duft-Wellen die Nasen der Anwesenden umgarnten, eine Ablenkung, von der sich die Pferde aber nicht beeinflussen ließen. Die Prüfungen waren in diesem Jahr ja auch so etwas wie das Fleisch im Burger, sie waren gewissermaßen in der Sandwichposition: Im Rahmen der vorigen Pferd International hatte die EM stattgefunden, im nächsten Jahr wird es die WM sein. In den vergangenen vier Tagen gab es kein Championat, aber dennoch Working Equitation der gehobenen Klasse zu sehen, genauer gesagt: Der Master Class, der höchsten Klasse dieses Sports. Das Publikum zeigte sich höflich, beim Dressurtrail klatschte es vor jedem Auftritt eines Reiters, als die Niederländerin Kelly van Gent an der Reihe war, tat es das nicht. Der Stadionsprecher fragte: "Mögen Sie keine Niederländer?", Beifall gab es dann doch, genutzt hat es nichts: Van Gent wurde Letzte.

Die Höhepunkte

Annina Züger strahlte mit der Sonne um die Wette. Soeben hatte sie den Großen Preis von Bayern gewonnen, einer der größten Erfolge ihrer jungen Karriere. Mit einer Zeit von 66,67 Sekunden und null Strafpunkten im zweiten Umlauf fing die 25-jährige Schweizerin als drittletzte Reiterin noch den Bayern Maximilian Lill ab, der lange in Führung gelegen hatte. Die Prüfung galt als Highlight im Springreiten, bereits in den vorigen Tagen hatten drei Qualifikationsprüfungen auf Drei-Sterne-Niveau stattgefunden, in denen der gebürtige Münchner Max Kühner (am Freitag), der Neuseeländer Bruce Goodin, der den Großen Preis bereits drei Mal gewonnen hatte (am Samstag) und wiederum Kühner (am Sonntag) Erster wurden. Beim Großen Preis schieden die beiden aber schon vor dem zweiten Umlauf aus, für den sich nur die 15 Besten des ersten Umlaufs qualifizierten. So führte Züger mit ihrem Pferd Louis 162 die Ehrenrunde an, begleitet vom tosenden Applaus der Zuschauer, und freute sich über 15 500 Euro Preisgeld. Während sich ihr Pferd den Riemer Rasen schmecken ließ und der Stadionsprecher scherzte, "das schmeckt wohl besser als in der Schweiz", dankte Züger artig "dem Pferdebesitzer, meinen Freunden und meiner Familie für die Unterstützung".

Auch beim Dressurreiten erreichte die Pferd International am Sonntag ihre Klimax, der "Preis der Nürnberger Versicherung" versprach eine Grand-Prix-Kür auf Fünf-Sterne-Niveau - der höchstmögliche Schwierigkeitsgrad internationaler Dressurprüfungen. Mindestens zwei deutsche Reiterinnen würden sich unter den besten dreien befinden, das war bereits vor dem letzten Starter klar. Zu diesem Zeitpunkt belegten die Deutschen gar die ersten fünf von acht Plätzen. Dazwischenfunken konnte nur noch der Portugiese Daniel Pinto, der Benjamin Werndl auf Rang sechs schob, das Treppchen war aber fest in deutscher Hand: Die sechsfache Olympiasiegerin Isabell Werth siegte mit ihrem Don Johnson FRH und einer Bewertung von 84,2 Prozent, es folgten Dorothee Schneider (81,525 Prozent) und Hubertus Schmidt (79,325 Prozent).

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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