Pferdesport:Fünfeinhalb Jahre Sicherheit

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Die Geschichte des Trabersports in Daglfing neigt sich dem Ende entgegen: Die Aufnahme zeigt den Großen Preis von Bayern im Jahr 1972. (Foto: Werek/Imago)

Münchens Trabrennverein beendet den Rechtsstreit um sein Vereinsgelände in Daglfing. Ob und wo es nach 2022 weitergehen könnte, bleibt offen

Von Andreas Liebmann, München

Drinnen wie draußen herrscht Klarheit. Nur ein paar Schleierwölkchen hängen über der Trabrennbahn Daglfing. Der Blick in die Alpen gestochen scharf, die Wintersonne scheint grell auf die Plakatwand am Eingang. "110 Jahre Trabrennbahn Daglfing" steht dort. Dieses Jubiläum ist vier Jahre her. Bis in den Konferenzraum des Sekretariats dringen die Sonnenstrahlen, wo Angelika Gramüller nun sitzt. Sie sieht erleichtert aus. Am Abend zuvor haben die Mitglieder des Münchner Trabrenn- und Zuchtvereins (MTZV) mit nur vier Gegenstimmen entschieden, den jahrelangen Rechtsstreit um die Rennbahn aufzugeben. "Im Sinne des Sports haben wir uns mit Herrn Karl geeinigt", erklärt die Klubpräsidentin.

Die Mitglieder haben für einen Vergleich votiert mit dem niederbayerischen Bauunternehmer Günther Karl, dessen Firma Intech das Rennbahngelände im Jahr 2005 gekauft hat, für 11,5 Millionen Euro plus den Bau einer Ersatzrennbahn.

Nur vier Gegenstimmen. Damit ist nun klar: Es wird noch einige Jahre weitergehen in Daglfing. Es gebe eine Standort-Zusicherung bis zum Juni 2022, referiert Rechtsanwalt Benno Ziegler, der den MTZV zuletzt beraten hat. Weitere Eckdaten des Vergleichs: Der MTZV wird komplett entschuldet, Ziegler spricht von 5,4 Millionen Euro, einer "existenzvernichtenden Summe". Darüber hinaus habe der Käufer eine "Kaufpreiserhöhung um 3,7 Millionen Euro" geboten, womit der Rennbetrieb für die nächsten Jahre gesichert sein sollte. Wie es dann weitergeht? Man suche Perspektiven, sagt Gramüller. "Du musst ja auch schauen, wie es mit unserem Sport überhaupt weitergeht. Es wäre unsinnig, jetzt irgendwo eine Mordsrennbahn hinzustellen, und dann gibt es gar keine Traber mehr." Kurzum: Eine echte Perspektive über das Jahr 2022 hinaus bietet die Einigung nicht.

Gramüller und Anwalt Ziegler betonen im Rahmen dieser kleinen Pressekonferenz dennoch die Chancen: Der Rennbetrieb sei erst einmal gesichert. Man sei die Unsicherheit jenes Rechtsstreits los, in dessen Verlauf der MTZV seit Jahren vergeblich versucht hatte, den Verkauf seines Vereinsgeländes rückgängig zu machen. Und man sei nun schuldenfrei. Andernfalls, so Ziegler, hätte der nächste Renntag am 26. Dezember zugleich der letzte in der Geschichte Daglfings vor der Insolvenz sein können. Weihnachten 2016 oder Juni 2022, diese Wahl hätten sie gehabt.

Der Abend zuvor sei beinahe harmonisch verlaufen, berichtet Gramüller. Die Mitglieder waren des sinnlosen Streitens offenbar überdrüssig. Vor einem Jahr hatten sie dem Vorstand noch den Auftrag erteilt, einen Investor zu finden, der den Verein bei der Rückerlangung seines Rennbahngeländes unterstützen und den weiteren Rechtsstreit vorfinanzieren sollte. Elf ernsthafte Interessenten habe es gegeben, sagt Gramüller, doch alle seien im Laufe der Verhandlungen abgesprungen. Zuletzt auch Günter Büschl, ein renommierter Münchner Architekt, Bauunternehmer und Sportförderer. Seine Investorengruppe habe die Wahrscheinlichkeit, den Prozess in zweiter Instanz zu gewinnen, als "überwiegend wahrscheinlich" eingeschätzt, erzählt Ziegler, allerdings als nicht wahrscheinlich genug, um all die Risiken aufzuwiegen, die mit dem Investment verbunden gewesen wären. Man dürfe nicht vergessen, dass der MTZV schon mehrmals vor Gericht gescheitert sei. "Ich hätte dem Verein das Büschl-Angebot sofort empfohlen", sagt der Anwalt. In seiner Stimme klingt Bedauern an.

Hinter all dem steht der Eindruck vieler Mitglieder, dass sie ihr 20 Hektar großes Vereinsgelände vor fast zwölf Jahren viel zu billig verkauft haben. Am 5. Januar 2005 hatte der damalige Präsident Max Stadler für den MTZV Insolvenz angemeldet, bereits am 7. Januar präsentierte er den Mitgliedern Karl als Kaufinteressenten und Retter in der Not - die Versammlung beschloss sofort den Verkauf. Einen Teil des Vertrags, nämlich den Bau einer Ersatzrennbahn bis 2007, erfüllte der Käufer allerdings nicht, weil es auf dem vom MTZV ausgewählten Grundstück in Maisach bei Fürstenfeldbruck Probleme mit der Baugenehmigung gab. Erst vor einigen Wochen änderte sich das. Bis heute glauben viele, überrumpelt und übervorteilt worden zu sein. "Dieses Gefühl steckt in jedem Mitglied drin", sagt Gramüller. Auch Ziegler räumt ein, die Dramaturgie der Ereignisse komme ihm seltsam vor. Doch das reiche nicht, um vor Gericht zu bestehen. Inzwischen ist das Vereinsgrundstück als Teil eines städtischen Entwicklungsgebiets, auf dem Wohnungen entstehen sollen, ein Vielfaches wert.

Es sei "viel zu viel Geld verbrannt worden" unter dem damaligen Präsidenten, darauf legt sich Ziegler fest. Und der Umsatz sei von umgerechnet 35 Millionen Euro in den Achtzigerjahren auf heute zwei Millionen Euro eingebrochen. 1,2 Millionen Euro für Anwaltskosten hat der MTZV ausgegeben. Anstelle einer kompletten Rennbahn in Maisach wird sich Karl nun nur zum Bau eines Geläufs verpflichten - auf einem Grundstück, das der Verein frei wählen kann. Das Buch Maisach sei damit "nicht geschlossen", sagt Gramüller, zwei Jahre lang werde Karl es für sie vorhalten. Aber sie lässt erkennen, dass sie einen Umzug dorthin eher als Notlösung sieht. Wenn es denn nach 2022 überhaupt noch einen Umzug gibt.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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