Pferdesport:Die unendliche Weihnachtsgeschichte

Lesezeit: 3 min

Wie die Zeit vergeht: Am Weihnachtsrenntag 2016 war man in Daglfing noch zuversichtlich, binnen zwei Jahren ein Grundstück für eine neue Rennbahn zu finden. Bis jetzt ist allerdings keines in Sicht.ennen am zweiten Weihnachtsfeiertag auf der Rennbahn in Daglfing. (Foto: Claus Schunk)

Der Trabrennverein in Daglfing sucht weiter eine neue Bleibe. Eine Alternative fehlt aber noch.

Von Raphael Weiss, München

Der Wettlauf gegen die Zeit ist ein Prinzip, das dem Trabrennsport zu Grunde liegt. Doch in Daglfing kämpfen nicht nur die Pferde und die Fahrer in ihren Sulkys gegen die Zeit (und natürlich vor allem gegeneinander), auch der Münchner Trabrenn- und Zuchtverein (MTZV) befindet sich seit dem Jahr 2005 in einem solchen Wettlauf. Jeder Tag, der seitdem vergeht, bringt den Abschied von dem Gelände, das seit 1902 die Heimat der Traber ist, ein Stück näher.

Damals, vor nunmehr fast 14 Jahren, haben sie ihr Rennbahngelände in Daglfing an den niederbayerischen Unternehmer Günther Karl verkauft. Sehr hektisch ging das seinerzeit zu, der damalige Präsident Max Stadler hatte den Mitgliedern von einer drohenden Insolvenz berichtet, und weil sie einige Jahre später mehrheitlich Zweifel an dessen Darstellung bekommen hatten, probierten sie den Verkauf in einem langwierigen Rechtsstreit wieder rückgängig zu machen. Das misslang, die neue Präsidentin Angelika Gramüller einigte sich außergerichtlich mit dem Käufer, und der räumte dem MTZV ein Bleiberecht für die Rennbahn bis 2022 ein.

Das ist die eine Frist, mit der es der Verein zu tun hat. Die andere läuft eigentlich gerade ab. Denn Karl hatte ein Gelände in Maisach, das sich der MTZV einst als neue Heimat auserwählt und vom Käufer hatte erwerben lassen, seit der Einigung für den MTZV reserviert, zwei Jahre lang - bis Ende 2018. Und so stand Gramüller vor zwei Jahren beim traditionellen Jahresabschluss, dem Renntag am zweiten Weihnachtsfeiertag, voller Tatendrang an der Bahn: "Zwei Jahre sind schnell rum, wir müssen in die Pötte kommen", sagte sie. Und meinte damit: Möglichst schnell eine Alternative finden, denn für die große Mehrzahl der Mitglieder stellte Maisach längst allenfalls noch eine Notlösung dar.

Die Gemeinde ist weit weg von München, fast 40 Kilometer, die Verkehrsanbindung schlecht - kein guter Ort für den Neuanfang einer kränkelnden Institution. Die Rennbahn kann seit Jahren kein Eintrittsgeld mehr verlangen, selbst hier nach Daglfing kommen nicht mehr viele Zuschauer. "Wenn wir nach Maisach gehen, sind wir tot", sagte Gramüller Anfang dieses Jahres. Andererseits muss sie erkennen: Irgendeine Heimat ist besser als gar keine. Denn eine Alternative zu Maisach ist im Laufe der zwei Jahre nicht gefunden worden. "Wir haben unsere Fühler in alle Richtungen ausgestreckt, aber spruchreif ist nichts", sagt Gramüller und fügt an: "Auch wenn die Reservierung in Maisach abläuft, ad acta gelegt ist ein Umzug dorthin nicht." Es gäbe einige andere Möglichkeiten, aber die könne sie nicht öffentlich nennen. Allzu oft habe sie in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass ihnen genau dann "alles vor die Füße fällt". Sie setzt eine neue Frist: Eine endgültige Entscheidung über die Zukunft und das neue Gelände erwartet sie Mitte bis Ende des kommenden Jahres.

Bis dahin bleibt alles beim Alten. Am 26. Dezember veranstaltet der MTZV wie immer sein traditionelles Weihnachtsrennen, den Abschluss des Jahres 2018. Im Mittelpunkt des Renntages steht Celestial Light TK, die wohl beste Stute Bayerns. Sie geht im sechsten Rennen, im Peppi-Gramüller-Erinnerungslauf, an den Start, das dem verstorbenen Ehemann der Präsidentin gewidmet ist. Die 7000 Euro Preisgeld sponsert die Familie Gramüller. Celestial Light geht mit 75 Metern Zulage an den Start und ist trotzdem die Favoritin vor Man in Black und Troubadour GK. Anschließend hat Annalena Perfler mit Wirbelwind beste Chancen im Finale des Elisabeth-Mann-Nachwuchschampionats.

Trotz sinkender Umsätze und mehrerer gehobener Rennen, die wegen zu wenig gemeldeter Pferde nicht alle wie geplant stattfanden, bleibt Gramüller gelassen: "Ich blicke auf eine gute Saison 2018 zurück. Die Umsätze sind seit Jahren rückläufig, aber der internationale Trend macht Hoffnung", sagt sie. "Außerdem haben wir viele neue Ideen entwickelt, wie wir das nächste Jahr angehen wollen." 23 statt 21 Rennen sollen 2019 stattfinden, einige davon als Sponsorenrennen, wie am 9. Januar, ein Tag im Zeichen des Musicals Die fabelhafte Welt der Amélie. "Wir hoffen, dass wir dadurch auch jüngere Gäste anlocken können und denen ins Bewusstsein rufen können, dass diese Rennbahn existiert", sagt Gramüller. Außerdem wolle der MTZV bei Ansetzung der gehobenen Rennen genauer auf den vorhandenen Traberbestand und die Renntermine in Norddeutschland achten. "Es kommen nur wenige Pferde aus Norddeutschland zu uns, das wollen wir ändern. Vielen Fahrern ist der Weg in den Süden zu weit - vor allen Dingen, wenn die Pferde schon kurz zuvor gelaufen sind. Das sind Tiere, keine Roboter."

Zum Abschluss der Saison wird Gramüller Geschenke verteilen, an all diejenigen, die ihre Wünsche für das neue Jahr in eine Box geworfen haben, die der MTZV vor drei Wochen aufgestellt hatte. "Zuerst dachte ich: ,Oh Gott, was werden da jetzt für Wünsche kommen', aber das war alles erfreulich", sagt Gramüller: Stammgäste hätten sich neues Zaumzeug für die Pferde gewünscht, dass das neue italienische Restaurant im Tribünenhaus auch bayerische Küche anbieten solle und "dass der MTZV unter meiner Regie noch viele Jahre alles dafür tut, dass der Trabrennsport nicht ausstirbt". Der Wunsch nach einem neuen Gelände war nicht dabei. Mal sehen, ob er sich zum nächsten Weihnachtsrenntag trotzdem erfüllt haben wird. Ein Jahr ist schnell rum.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: