Pferdesport:Biotop besetzt

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Vor dem Aufgalopp in Riem blickt der Münchener Rennverein optimistisch in die neue Saison. Der große Plan zur Zukunftssicherung ist allerdings unerwartet in Gefahr geraten.

Von Raphael Weiss, München

Alles ist noch nicht fertig, wenn an diesem Mittwoch auf der Riemer Galopprennbahn die neue Saison beginnt. Während des Winters hat sich viel verändert, und das wird in den kommenden Wochen so weitergehen: Das neue Wirtshaus zur Rennbahn ist noch nicht ganz fertig, ein Aufzug ist kaputt gegangen, und die anhaltende Dürre macht auch dem Münchener Rennverein (MRV) zu schaffen. "Das ist eigentlich das Stressigste. Aber die Bahn ist im Topzustand. Wie immer", sagt Horst Lappe, Geschäftsführer des MRV.

Aus der Ruhe bringen lässt sich Lappe von derlei Problemen nicht: "Ich bin komplett gelassen", versichert er. "Ich hab so viele Saisons hinter mir. Ein paar kleine Sanierungsarbeiten ändern da nichts. Das Wichtigste ist das Rennen, und das ist top besetzt."

Doch auch abseits der kleinen Wehwehchen, die so ein Saisonbeginn nun mal mit sich bringt, liegen anstrengenden Wochen hinter dem Geschäftsführer. Am 9. April hatte der Verein zur Mitgliederversammlung geladen, die mal wieder viel Gesprächsstoff hervorbrachte. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand das etwa 40 Hektar große Trainingsgelände, das seit vielen Jahren eine Art Lebensversicherung für den Verein ist. Die durch die Strukturkrise im Reitsport defizitär gewordene Rennbahn konnte sich schon immer auf ihren großen Landbesitz verlassen, um die fehlenden Einnahmen aus Ticketverkäufen und Wetterlösen auszugleichen. Immer wenn die Schulden zu hoch wurden, verkaufte der Verein einen Teil seines Grundstücks. So wurden im Laufe der Jahrzehnte aus 200 Hektar aktuell 96. Immer noch genug, um lange zu überleben, doch trotzdem eine endliche Ressource. Weshalb vor zwei Jahren der Vorstand um Präsident Dietrich von Bötticher einen innovativen Plan fasste: Da die Stadt in Riem ein neues Wohngebiet plant, will der MRV einen Teil des Trainingsgeländes nicht etwa verkaufen, sondern selbst bebauen, um durch Mieteinnahmen den Fortbestand der Rennbahn auf unbestimmte Zeit zu sichern. Doch dieser Plan könnte durch eine neue Entwicklung durchkreuzt werden. Denn die Ausschreibung zum Ideenwettbewerb für das neue Wohnareal im Münchner Nordosten sieht nun einerseits vor, dass die Fläche der Riemer Rennbahn nebst Struktureinrichtungen erhalten, andererseits wegen ihrer Artenvielfalt wichtige Biotopflächen von der Bebauung ausgenommen werden sollen. So steht es im Eckdatenbeschluss des Stadtrats vom Februar - der auf einen CSU-Antrag ausdrücklich auch den Innenraum der Trainingsbahn als "artenreiche Wiese" aufführt.

Als Biotop gelte das Gelände nicht, widerspricht Lappe: "Es ist kein Problem, diese Fläche zu bebauen", versichert er. "Diese Ausschreibung ist ein langwieriger Prozess, da wird sich noch einiges ändern." Die neuen Entwicklungen seien ein Rückschlag; an dem Plan, zusammen mit der Stadt die Fläche zu bebauen, halte der MRV aber weiterhin fest: "Die Stadt kann sich gar nicht leisten, so ein Geschenk nicht anzunehmen. Wir wollen da keine Luxuswohnungen hinstellen, sondern städtische Wohnungen für Feuerwehrmänner, Polizisten und Beamte. Genau das, was die Stadt braucht. Wir sind nicht auf riesige Rendite aus", sagt Lappe über das Gelände, das in unmittelbarer Nähe zur S-Bahn liegt. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Stadt darauf verzichtet."

Doch es gibt auch positive Nachrichten. Die lang geplanten und ersehnten Mitarbeiterwohnungen stehen kurz vor der Fertigstellung. Die alten Gebäude waren marode und kaum bewohnbar. Ende des Monats sollen die neuen Wohnungen bezugsfertig sein. "Die Mitarbeiter freuen sich sehr darauf. Es gab viel positive Resonanz", so Lappe. Trainer John Hillis habe sogar drei neue Mitarbeiter anwerben können, die ohne diese Wohnungen nicht gekommen wären. "Das ist alles sehr, sehr positiv für uns", findet Lappe. Wegen der Wohnungen sind die Verbindlichkeiten des MRV zwar auf 5,1 Millionen Euro gestiegen, das sei allerdings von vornherein klar gewesen. "Die letzte Saison war sehr gut. Die Besucherzahlen sind gestiegen, wir haben 27 Prozent mehr Eintrittskarten verkauft, und auch der Bahnumsatz und der Etat sind gestiegen", hält der Geschäftsführer dagegen. "Wir hoffen, dass dieser Trend und das positive Image, das wir uns erarbeitet haben, weiter anhält."

Kopf an Kopf: ein Rennen auf der Rennbahn in Riem. (Foto: Claus Schunk)

An diesem Mittwoch werden alle Komplikationen erst mal weit in den Hintergrund rücken. Dann geht es nicht um Baugrund, Wohnungen oder kaputte Aufzüge, dann geht es endlich wieder um den Sport. Das Gruppe-III-Rennen in München ist, trotz der parallel stattfindenden Veranstaltungen in Hannover und Leipzig, sehr gut besetzt. Das mit 55 000 Euro dotierte Bavarian Classic gilt im Rahmen des Münchner Aufgalopps traditionell als erstes Kräftemessen im Hinblick auf das Deutsche Derby, als eine Standortbestimmung für die Favoriten. Es soll Aufschluss darüber geben, wie unter anderem Quest the Moon, Enjoy the Moon und Django Freeman den Winter überstanden haben. "Als Galoppfan freue ich mich einfach darauf, dass es wieder losgeht", sagt Lappe.

© SZ vom 30.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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