Pferderennsport:Weihnachtstraum von der schwarzen Null

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Die Trabrennbahn in Daglfing ist weit entfernt davon, profitabel zu sein. Der Vorstand arbeitet trotzdem an Umzugsplänen in ein neues Pferdesportzentrum.

Von Raphael Weiss, München

Vor dem Winners Circle der Daglfinger Trabrennbahn hatte sich eine lange Schlange gebildet. Während sich die Pferde und Jockeys auf der Bahn zur Musik von Safri Duo auf den Start vorbereiteten, schenkte der Vorstand des Münchner Trabrenn- und Zuchtvereins (MTZV) - Angelika Gramüller, Johann Sporer und Andreas Schwarz - Zuschauern Glühwein aus, verteilte Lebkuchen und Schokoladen-Weihnachtsmänner. Sobald der erste Startschuss fiel, war der Glühwein aber kurz vergessen, und diejenigen, die sich für ein paar Schlucke angestellt hatten, schauten nervös hin und her zwischen ihrem Wettschein und der Rennstrecke.

Die Tage zwischen Heiligabend und Neujahr sind auch die Zeit, um in sich zu gehen, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und in die Zukunft zu schauen. MTZV-Vizepräsident Sporer zum Beispiel sagte, er sei zufrieden in der Rückschau, obwohl die Rennbahn auch in diesem Jahr nicht profitabel war, die Umsätze zurückgegangen sind und noch immer kein Standort für den Umzug der längst verkauften Bahn gefunden ist, der unausweichlich kommen wird und auf das Jahr 2022 terminiert ist. MTZV-Präsidentin Angelika Gramüller hatte vor einem Jahr sich und dem Verein bis Ende 2018 Zeit gegeben, um eine Alternative für den ursprünglich gewählten Ausweichort Maisach zu finden. "Der Zeitplan steht noch", versicherte Sporer. "Wir können mittlerweile zu 90 Prozent ausschließen, dass es Maisach wird. Wir verhandeln gerade sehr viel mit der Stadt." Das wahrscheinlichste Szenario ist Sporer zufolge ein neues Pferdesportzentrum außerhalb der Stadt, in Kooperation mit der Münchner Reitakademie, die derzeit in Riem sitzt. Wie diese Zusammenarbeit konkret aussehen soll, will allerdings noch niemand sagen, auch bleibt unklar, wie ein solches Vorhaben finanziert werden könnte.

Um zu verstehen, wie es um die Rennbahn bestellt ist, genügte ein Blick auf die so genannten V5-Wetten in diesem Jahr. Bei dieser Wettart setzen die Zuschauer auf die Sieger in fünf ausgewählten Rennen. Wer richtig lag, konnte in diesem Jahr 7500 Euro gewinnen. Um sicherzugehen, dass der Gewinner den vollen Betrag ausbezahlt bekäme, selbst falls am Ende des Renntags nicht genug Geld im Topf wäre, hatten sich die Vorstandsmitglieder des MTZV verpflichtet, eine mögliche Differenz aus eigener Tasche zu zahlen. Eine Entscheidung, die einiges verrät: Einerseits zeigt sie, dass der Rennbahn-Vorstand bereit ist, für den Erhalt der Rennbahn einiges zu opfern. Andererseits beleuchtet sie die Probleme, vor denen der MTZV nach wie vor steht: niedrige Besucherzahlen und wenig Geld. "Unser großer Traum ist die schwarze Null", sagt Sporer.

Jahresabschluss unter der Wintersonne: Im vierten Rennen des Tages in Daglfing liegt Andreas Geineder mit Very Happy du Bois zunächst vorne. Doch am Ende gewinnt Josef Franzl (Zweiter von links) mit Helene des Moeres. (Foto: Claus Schunk)

Eine profitable Trabrennbahn ist zurzeit unvorstellbar. Denn auch, wenn sich die Situation in Daglfing in den vergangenen Jahren verbessert hat: Der Pferderennsport steckt seit Jahren in einer tiefen Krise. Das Internet stürzte die Branche in ein Loch. Seit die Rennen per Stream übertragen werden, bleiben die Zuschauer an den Bahnen aus. Genaue Zuschauerzahlen gibt es in Daglfing nicht mehr - die Zeiten, als man Eintritt verlangen konnte, sind vorbei. "Der Bus aus Straubing kommt schon lange nicht mehr", erwähnte Sporer. "Früher gab es bei jedem Rennen einen Shuttlebus mit Leuten, die extra 140 Kilometer hierher gefahren sind. Die sitzen heute am PC und schauen gemütlich zu Hause."

Mittlerweile hat der MTZV trotzdem erkannt, dass er das Internet nicht verteufeln darf. Dass es zwar die Sportart in die Krise gestürzt hat, aber auch ihre Rettung sein kann. Ein schmaler Grat, wie die Partnerschaft mit dem französischen Wettanbieter PMU zeigt. 2017 gab es 21 Renntage in Daglfing, an fünf davon konnte man über PMU auf Pferde setzen. Das brachte Daglfing fast sechs Millionen Euro Umsatz über das ganze Jahr ein. Mehr als das vierfache im Vergleich zu nationalen Anbietern. Die setzten nur 1,4 Millionen Euro um, außerdem zahlt PMU die Preisgelder für die übertragenen Rennen.

2018 soll diese Kooperation weiter ausgebaut werden: Es wird sieben statt fünf PMU-Rennen geben, und der MTZV überlegt, ob er zugunsten der Franzosen in Zukunft komplett auf deutsche Wettanbieter verzichtet. "Das könnten wir uns auf jeden Fall vorstellen", sagte Sporer. "Die von PMU finden uns richtig gut, aber mit denen auf Augenhöhe zu verhandeln, ist schwierig. Die haben so viel Geld, so viel Macht. Vor ein paar Jahren haben die die Tour de France gesponsert." In Daglfing wissen die Verantwortlichen, dass PMU viel zur Rettung der Trabrennbahn beitragen kann, aber sie wissen auch, dass sie sich gerade von einem Milliardenkonzern abhängig machen.

Strahlende Nachwuchsfahrerin: Annalena Perfler gewinnt mit Ufo de Valle das Elisabeth-Mann-Nachwuchschampionat. (Foto: Claus Schunk)

Als Man in Black in den Schlussbogen einbiegt, verschwinden am Himmel über ihm bereits die letzten orangen Farbtupfer. Mit großen Schritten biegt er auf die Schlussgerade ein, dicht gefolgt von Oncoming Diamant. Doch Man in Black ist heute zu schnell. Als er kurz vor dem Ziel den beleuchteten Weihnachtsbaum passiert, ist er uneinholbar vorne. Andreas Strobl, der hinter dem schwarzen Wallach im Sulky sitzt, hat vor der Siegerehrung noch Zeit, mit den Zuschauern zu reden. Den Glückwunsch eines jungen Mannes quittiert er mit einem scherzhaften: "Merci, ich hoff', du hast auf mich gewettet."

Wie im abgelaufenen Rennjahr sollen in Daglfing auch 2018 21 Rennen veranstaltet werden, das erste am 11. März. Neben den traditionellen Höhepunkten wie dem Bayernpokal gibt es kurz vor dem Berliner Derby eine "Derby-Generalprobe", wie Sporer sie nennt. Außerdem wird es zum ersten Mal seit Jahren wieder ein Verkaufsrennen geben, bei dem die Rennpferde versteigert werden. Nach der letzten Ehrung stand Gramüller noch einige Zeit im Winners Circle, verabschiedete die letzten Gäste mit Küsschen, wünscht ihnen ein frohes neues Jahr und verteilt noch ein paar Lebkuchen. Sie sah sich um. "Es war ein harmonischer Abschluss", sagte sie.

© SZ vom 27.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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