Oberland-Derby:Zaghafte Fortschritte

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Bekannte auf Augenhöhe: Mit BCF-Kapitän Jona Lehr (li.) hat der Geretsrieder Michael Rauch (re.) bis vor zwei Jahren noch zusammengespielt. (Foto: Hans Lippert)

Der TuS Geretsried und der BCF Wolfratshausen ergattern je ihren ersten Punkt in der neuen Saison. Vor 500 Zuschauern wäre für beide mehr möglich gewesen.

Von Matthias Schmid, Geretsried

Es lief bereits die fünfte Spielminute, als der Mann am Isarau-Stadion zu Geretsried gehetzt und verspätet ankam. Aber rein ins Stadion durfte er nicht, er musste sich erst einmal hinten anstellen und sich in die Schlange einreihen, die sich vor dem Kassenhäuschen bis zurück zum Gehweg gebildet hatte, fast 50 Meter lang. "So etwas hat es hier ja schon lange nicht mehr gegeben", raunte er zu einem anderen Wartenden. Mit einem Lächeln fügte er beim Blick auf die Eintrittspreise hinzu: "Wenigstens gibt es keinen Topzuschlag wie zuletzt in Pullach." Da hatte der Bayernligist gegen den ambitionierten Aufsteiger Türkgücü-Ataspor München ein paar Euro mehr als den normalen Tarif verlangt.

Am Samstag zahlten die Besucher beim Landesligaderby zwischen dem TuS Geretsried und dem BCF Wolfratshausen den üblichen Preis. Die fast 500 Zuschauer taten es gerne, denn sie waren Zeugen eines kurzweiligen, leidenschaftlich und teilweise hitzig geführten Oberland-Derbys, das nach zwei wunderbaren Toren 1:1 (1:1) endete. "Wenn wir nach vorne etwas zwingender gewesen wären, wäre noch mehr möglich gewesen", fand Geretsrieds Michael Rauch. Für "Jackson", wie er gerufen wird, war die Partie "kein normales Spiel". Der Linksverteidiger spielte gegen seinen früheren Klub, für den er zehn Jahre lang aufgelaufen war. Vor zwei Jahren hatte er gemeinsam mit anderen Spielern und Funktionsträgern den BCF in der Bayernliga fast fluchtartig einige Wochen nach Saisonstart verlassen, als kurzzeitig Chaos beim BCF regierte. Er schloss sich wie der frühere BCF-Kapitän Lech Kasperek dem Nachbarklub Geretsried an und freute sich nun, "sich auf Augenhöhe mit Wolfratshausen messen zu dürfen", wie er es ausdrückte.

Während Kasperek auf der Bank saß und sich bald das Trikot der FF Geretsried in der Kreisklasse 2 überstreifen wird, spielte Rauch durch. Er bekam hautnah mit, wie Wolfratshausen in der 37. Minute nach einer feinen Kombination durch Florian Shalaj in Führung ging. Nach Zuspiel von Jona Lehr wuchtete Shalaj den Ball ins entfernte Eck, oben in den Winkel - ein hübscher Treffer. Am Ausgleich war dann auch Rauch beteiligt, zumindest als Täuscher. Er stand einträchtig neben Johann Latanskij, sie unterhielten sich lebhaft, während sich die Zuschauer und die Spieler in der 44. Minute fragten, wer von beiden denn nun den Freistoß in zentraler Position zwanzig Meter vor dem Tor schießen möge. Es war dann Latanskij, der anlief und den Ball so perfekt traf, dass dieser in einem schönen Bogen über die Mauer hinweg flog und erst im Tor wieder herunterfiel. Die TuS-Zuschauer gingen hochbeglückt in die Pause.

"Wir haben keine schlimmen individuellen Fehler mehr gemacht", lobt BCF-Trainer Bönig

Nach dem Wiederanpfiff machte Geretsried zwar das Spiel, aber Wolfratshausen war dem zweiten Treffer näher. Der eingewechselte Salif Boubacar brachte aus kurzer Distanz den Ball nicht an Torwart Sebastian Untch (51.) vorbei, und Lehrs Volleyschuss fehlte die nötige Kraft, um den TuS-Torhüter überlisten zu können. Und Geretsried? Latanskij traf aus günstiger Position nur den Po von Yasin Keskin. "Ich hätte mir von meiner Mannschaft in der zweiten Hälfte mehr Konzentration und Genauigkeit gewünscht", sagte TuS-Trainer Florian Beham, "wir haben da teilweise zu schlampig gespielt." Aber wie sein Gegenüber auf Wolfratshauser Seite, Philipp Bönig, war er froh über den ersten Punktgewinn in dieser Spielzeit. "Wir müssen uns erst als Mannschaft finden und die Liga kennenlernen", fügte Beham hinzu. Prognosen über den weiteren Saisonverlauf behielt er für sich, da der Klub genau wie Wolfratshausen in die Südwest-Staffel der Landesliga verpflanzt wurde. Nach zwei Niederlagen konnte BCF-Trainer Bönig "deutliche Fortschritte erkennen", wie er es ausdrückte. "Wir haben keine schlimmen individuellen Fehler mehr gemacht. Es geht in die richtige Richtung."

Nach dem Schlusspfiff brauchte Michael Rauch nicht lange, um seine früheren Teamkollegen zu verabschieden. Es gibt nicht mehr viele, mit denen er noch zusammenspielte. Jona Lehr zum Beispiel. Oder Vincenzo Potenza. Er fühle sich wohl in Geretsried, sagte Rauch. "Wir haben hier einen eingeschworenen Haufen." Er traut ihm einiges zu, anders als in Wolfratshausen drängen jedes Jahr zwei, drei A-Jugendliche in die erste Mannschaft. Sie waren auch die ersten, die am Samstag die Tore aufräumen mussten. Michael Rauch drückte sich erfolgreich. Er ist nicht nur auf dem Rasen ein Schlitzohr.

© SZ vom 23.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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