Neue SZ-Serie: Ost-Süd-Nord:Am roten Faden entlang in die Bayernliga

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Beim Bezirksligisten TSV Neuried setzt Trainer Davide Taurino auf die ganzheitliche Ausbildung seiner Fußballer - bei der Konkurrenz stößt dieser Ansatz auch auf Skepsis

Von Stefan Galler, Neuried

Der Abschluss des Jahres konnte perfekter gar nicht laufen: Fast jeder Schuss war ein Treffer für die Fußballer des TSV Neuried im Heimspiel gegen die DJK Pasing. Trainer Davide Taurino hat ganz genau mitgezählt: "Wir hatten 14 Chancen, davon waren zehn drin. Da kam alles zusammen, was sonst nie zusammenkommt."

Das 10:0-Schützenfest beendete ein erfolgreiches Jahr des Bezirksligisten, der TSV überwintert auf Relegationsplatz zwei der Süd-Staffel. Zwar acht Zähler hinter Spitzenreiter Grünwald, aber eben auch zwei Punkte vor dem Dritten Aubing. Im Frühsommer hatte Neuried die vergangene Saison auf dem soliden sechsten Platz abgeschlossen. "Seit ich hier bin, hatten wir nie etwas mit dem Abstieg zu tun", sagt der Coach nicht ohne Stolz. Dabei sei er im Sommer 2014 "wie die Jungfrau zum Kind" gekommen, als ihn die Abteilungsleitung im Urlaub am Flughafen in Memmingen telefonisch erreichte und fragte, ob er die erste Mannschaft übernehmen wolle. Taurino, neu im Verein, war eigentlich für die U 17 und U 19 vorgesehen. Doch dann reichte Andreas Brunner, der ehemalige Trainer des Bayernligisten BCF Wolfratshausen, für alle überraschend seinen Rücktritt ein - nur sechs Wochen nach seinem Amtsantritt. Über die Gründe will Taurino nichts sagen, nur so viel: "Es hat Komplikationen gegeben." Brunner hatte den Schritt damals mit fehlender Rückendeckung des Vereins begründet.

Mit Herz und Köpfchen: Stürmer Florian Kröss kämpft mit Neuried um den Aufstieg in die Landesliga. (Foto: Robert Haas)

Wie auch immer, der Schachzug der Abteilungsleitung um Spartenchef Michael Legrand, Taurino zum Chefcoach zu machen und ihm den heute 28-jährigen Stürmer Lennart Hasenbeck als Assistenten zur Seite zu stellen, erwies sich als goldrichtig. Hasenbeck ist wissbegierig und ehrgeizig, er lernt das Trainerhandwerk von der Pike auf und ist mehr als ein gewöhnlicher Co-Trainer. Und das Duo erklärte sich bereit, die Philosophie des Klubs, die nur für den Nachwuchs Gültigkeit gehabt hatte, auf den Seniorenbereich zu übertragen. Grob gesagt geht es dabei um eine ganzheitliche Ausbildung der Fußballer, die einerseits das Erlernen verschiedener Positionen in unterschiedlichen Spielsystemen beinhaltet und andererseits auch die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung. "Wir wollen weg von der Unersetzbarkeit einzelner Spieler", sagt Taurino. Mangels finanzieller Möglichkeiten müsse man stets auf Eigengewächse setzen, die durch das Konzept eine besondere Bindung zum Verein entwickeln. "Das ist wie ein roter Faden, der sich von der U 12 bis zur ersten Mannschaft durchzieht", sagt Taurino.

Abteilungsleiter Legrand begrüßt die Entwicklung: "Es ist schön zu sehen, wie jeder daran mitarbeitet, da ist absolut ein Plan dahinter, der das Ziel hat, den jungen Leuten den Fußball, aber auch die richtige Einstellung dazu zu vermitteln." Das einzige Problem sei es, Trainer zu finden, die sich mit diesem Weg voll identifizieren.

In der Branche gibt es hinter vorgehaltener Hand auch Kritik an der ungewöhnlichen Art, wie sehr man sich in Neuried abschottet und auf dieses Konzept einlässt. Spartenleiter Legrand lässt das kalt, er freut sich über die ruhige Atmosphäre im Verein: "Die Stimmung ist gut, bei uns halten wirklich alle zusammen. Die Jugendlichen schauen bei den Männern zu, die erste Mannschaft kommt zur Reserve." Und der Erfolg gibt der Neurieder Führungsmannschaft recht. Die hohe Identifikation ist auch bei Chefcoach Taurino spürbar: "Mittlerweile ist der TSV mein Verein", sagt der Sohn einer Sizilianerin und eines Apuliers. "In meiner emotionalen Rangliste hat Neuried mittlerweile Unterhaching überholt." Bei der SpVgg hatte er Ende der neunziger Jahre seine Trainerkarriere gestartet, er betreute bis 2007 die Jahrgänge U 13 bis U 19, die letzten beiden Jahre war er nebenbei auch noch für Nachwuchsteams des SV Waldeck-Obermenzing zuständig, ehe er von 2007 bis 2012 Haching zwischenzeitlich den Rücken kehrte und nur noch für die A-, C- und D-Jugend von Waldeck arbeitete. 2012 bis 2014 folgten noch einmal zwei Jahre Haching, dann kam der Wechsel nach Neuried.

Viele Spieler, die Taurino ausgebildet hat, sind ihm zu seinem aktuellen Verein gefolgt, im Kader stehen die ehemaligen Unterhachinger Hasenbeck, Robert Rudnik und Ludwig Stegmeier, dazu die früheren Obermenzinger Max Reid, Kevin Negret und Carl Weser. "Einen Spieler wie Robert Rudnik bekommt man nur, wenn man ihn kennt und auf ihn eingehen kann", sagt Taurino. Auch der Trainer unterstreicht, dass beim TSV kein Geld fließe.

Dennoch haben die Neurieder große Ziele: "In drei bis vier Jahren wollen wir in die Bayernliga", sagt Taurino. Die Anlage in Neuried ist modern und top in Schuss, in der vergangenen Saison hatte sich sogar der SV Pullach darum beworben, im Falle eines Aufstiegs in die Regionalliga seine Heimspiele dort austragen zu dürfen. In diesem Ambiente arbeitet man gerne, das macht Trainer Taurino deutlich: "So lange der TSV Neuried es möchte, werde ich dabei sein."

© SZ vom 03.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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