Nachwuchsfußball:Mit Rondo und Funino

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Die Fußballer des TSV Solln machen sich mit einem innovativen Konzept auf, die Jugend noch besser zu fördern.

Von Valentin Fackler, München

Gerade hatten der FC Bayern München, der TSV 1860 München und die SpVgg Unterhaching die zweite Runde des DFB-Pokals überstanden, die beiden letztgenannten trotz Gegnern aus der Bundesliga. Im Oktober 2015 war das. Angesprochen auf die drei Münchner Vereine im kommenden Achtelfinale scherzte der ARD-Experte Mehmet Scholl: "Jetzt fehlt nur noch der TSV Solln." Der TSV Solln in einem Atemzug mit den dominierenden Vereinen der Stadt - der Jubel war groß am Vereinsgelände im südlichsten Stadtteil Münchens.

Mit den drei Profivereinen vergleichen möchte Sebastian Seidel, Sportlicher Leiter der TSV-Jugend, seinen Verein natürlich nicht - auch nicht im Nachwuchsbereich, in dem Solln schon länger einen guten Ruf besitzt. Mit seinen 25 Jugendmannschaften zählt der TSV immerhin zu den größten Ausbildungsvereinen Bayerns. Und nun macht er sich auf, eine feste Größe zu werden. Man wolle der Ausbildungsverein im Münchner Süden werden, sagt Seidel - zeitgemäß präsentiert unter dem Hashtag #sollnerausbildungsoffensive.

Sebastian Seidel ist selbst Spieler und Trainer bei Solln. Schon früh fiel ihm auf, dass in der Nachwuchsabteilung ein einheitliches Konzept fehlte. Um dies zu ändern, erarbeitete er zusammen mit Benedikt Schneiderbauer im Frühjahr 2018 ein 50-seitiges Ausbildungskonzept, das die Jugendarbeit des Vereins reformieren sollte. Damals stellten sich Seidel und Schneiderbauer auch für die neu geschaffene Stelle "Sportliche Leitung Jugend" zur Wahl, gemeinsam mit Marcus Schulz als Kandidat für den Abteilungsleiter, Michael Maier als dessen Stellvertreter und Christian Jung als Jugendleiter. Das Votum der 750 Mitglieder der Fußballabteilung für das neue Führungsquintett fiel einstimmig aus, sodass seitdem dieses Team das Konzept umsetzt. Das "Kick-Off-Meeting", auf dem alle Jugendtrainer umfassend über die neuen Leitlinien der Jugendarbeit informiert wurden, fand dann im September 2018 statt.

Das von ihm und Schneiderbauer erstellte Konzept fasst Seidel zusammen mit dem Satz "Fußball lernen durch Fußball spielen". Ziel sei weniger der sportliche Erfolg der einzelnen Mannschaften, sondern so viele Jungen und Mädchen wie möglich optimal zu fördern. Durch neue Trainingsformen sollen die Jugendspieler gleichmäßig alle wichtigen Aspekte des Fußballspiels trainieren. Als Beispiel nennt Seidel das Rondo - bekannt geworden durch Pep Guardiola in seiner Zeit beim FC Bayern -, bei dem sich die Fußballer in einem abgesteckten Feld den Ball schnell und präzise zupassen müssen, während Spieler in der Mitte versuchen, in Ballbesitz zu gelangen. Diese Spielform trainiere nicht nur das Passspiel, sondern gleichzeitig auch die Wahrnehmung sowie die Entscheidungsfindung der Kinder, so Seidel.

Auch für die Spielweise der Sollner Jugendmannschaften gibt das Konzept Leitlinien vor. Zwar wolle man den Trainern kein festes System aufzwingen, jedoch lege man im Verein Wert auf bestimmte Aspekte wie Flachpassspiel und Gegenpressing. Man wolle immer spielerische Lösungen finden und auch den Nachwuchs selbst kreativ werden lassen, so Seidel. Neben sportlichen Neuerungen gibt es außerdem einen Verhaltenskodex für die Spieler und Trainer. Zu den Sollner Tugenden gehören dabei unter anderem Teamgeist, Disziplin und Respekt. Damit komme der Verein seiner "großen Verantwortung bei der Erziehung der Kinder" nach, sagt Seidel.

Zur neuen Saison wechselt ein Sollner Nachwuchsspieler in die U14 der SpVgg Unterhaching

Auch bei den Spielformen geht der TSV Solln innovative Wege. Zum einen meldete man im Winter alle Jugendteams für die Futsal-Liga an, da bei dieser Form des Hallenfußballs die technischen Fähigkeiten der Spieler geschult werden. Außerdem setzte der Verein in den jüngsten Jahrgängen früh auf Funino, schon bevor es vom Bayerischen Fußballverband zum Standard in der G-Jugend erklärt wurde. Dabei spielen zwei Dreier-Teams auf vier Tore, Treffer können nur innerhalb der Schusszone aus maximal sechs Metern erzielt werden, einen Torwart gibt es nicht. Nach jedem Tor müssen beide Teams einen Spieler wechseln. Die Vorteile dieser Spielform zählt Seidel auf: "Mehr Ballkontakte für jedes Kind, mehr Dribblings, gleiche Spielzeiten für alle" - die Liste ließe sich weiter fortschreiben. Ein besonderes Schmankerl für die Sollner U7 war das Funino-Festival im Mai in der Allianz Arena. Und auch beim Sollner Freizeitkick für die Jahrgänge bis zur U12 wird jeden Freitag Funino angeboten. Bis zu 150 Kinder spielen dann Fußball ohne taktische Vorgaben eines Trainers - gemäß dem Motto "Fußball lernen durch Fußball spielen".

Mit der ersten Saison nach der Einführung des Jugendkonzeptes zeigt sich Seidel "im Großen und Ganzen zufrieden". Zwar sei es schwer, für alle Jahrgänge ehrenamtliche Trainer zu finden und diese unter das Konzept zu stellen. Jedoch lassen sich schon erste sportliche Erfolge verbuchen: Die erste Mannschaft der U17-Junioren stieg ohne Niederlage auf, ebenso wie die U13a-Mannschaft und die U12-Junioren. Die Sollner U15a-Mannschaft erreichte außerdem den dritten Platz in der stark besetzten Münchner Kreisliga.

Viel wichtiger als die Platzierungen sei jedoch, dass sich die Spieler gut entwickelt hätten und auch gegen körperlich überlegene Gegner schönen Fußball zeigen, so Seidel. Zudem hebt er das familiäre Umfeld im Verein hervor, das im vergangenen Jahr entstanden sei. Es soll dabei helfen, selbst ausgebildete Spieler von der G-Jugend bis zur ersten Mannschaft im TSV zu halten. Ausnahmen geben dennoch Grund zur Freude: Zur neuen Saison wechselt ein selbst ausgebildeter Spieler in die U14 der SpVgg Unterhaching. "Als TSV Solln können wir nicht mit den großen Klubs konkurrieren", sagt Seidel, "deshalb macht das stolz, wenn einer, den man sieben Jahre lang ausgebildet hat, in ein großes Nachwuchsleistungszentrum geht."

An die drei großen Vereine der Stadt wird der TSV Solln wohl nie herankommen. Doch die Hoffnung beim Verein im Münchner Süden ist groß, sich durch die innovative Nachwuchsarbeit von den Amateurklubs in der Nachbarschaft abzugrenzen und Talente langfristig binden zu können. Vielleicht schaut dann ja auch mal Mehmet Scholl vorbei.

© SZ vom 13.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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