Münchner Stadtlauf:Olympischer Überraschungsgast

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Olympiakandidat Luis Carlos Rivero besucht in München seinen Cousin und gewinnt bei der Gelegenheit den Halbmarathon.

Von Nico Horn, München

Mehr als 9000 Kilometer Wegstrecke hatte Luis Carlos Rivero auf sich genommen - und dann verpasste er doch tatsächlich seinen größten Moment in München. Gegen 10 Uhr am Sonntagvormittag war das Siegertreppchen bereit für die schnellsten Läufer, die sich beim 40. Münchner Stadtlauf am Halb-Marathon versucht hatten. Nur Rivero, der überlegene Sieger, war nicht auffindbar: Der Langstreckenspezialist aus Guatemala irrte auf der Ludwigstraße umher, da er den für die Ehrung vorgesehenen Platz vor der Ludwig-Maximilians-Universität nicht fand. "Am Ende bin ich statt 21 Kilometern wohl 25 gelaufen", scherzte Rivero hinterher.

Dass der Guatemalteke überhaupt in München an den Start ging, war ohnehin überraschend. Denn eigentlich richtet sich das Traditionsevent mit Laufstrecken über 21,1, zehn, fünf und zwei Kilometer Laufstrecke ja eher an Breitensportler. 16 500 waren in diesem Jahr wieder dabei, früher waren es schon mal mehr als 20 000 gewesen, die Veranstalter hatten zuletzt jedoch die Startplätze beschränkt, um zu viel Gedränge auf der über Odeonsplatz und Englischen Garten führenden Strecke zu vermeiden. Die Elite kommt hingegen selten nach München - das Rennen ist schlicht zu langsam. Rivero, im Marathon durchaus ein Läufer von internationalem Rang, hat zufällig einen Cousin in München, so waren Verwandtenbesuch und Wettkampf gut zu verbinden. "In erster Linie bin ich schon wegen meiner Familie hier", gab der 32-Jährige aber lachend zu.

Ab durch den Nebel: Mit einem lauten Knall und viel Dampf wurden die 16 500 Athleten auf ihren Weg durch München geschickt. (Foto: Claus Schunk)

Veranstalter Bernd Leuschner freute sich deshalb nicht weniger über den glücklichen Umstand, der Rivero nach München führte: "Wir finden es toll, wenn Leistungssportler bei uns starten." Klar, die Siegerzeit von 1:09:11 Stunden bedeutete einen Streckenrekord. "Die vielen Kurven im Englischen Garten haben mich immer wieder ausgebremst", sagte Rivero im Anschluss an seine Rennpremiere in der Landeshauptstadt. Mit seiner Zeit war der Zentralamerikaner folglich nicht ganz zufrieden. "Ansonsten war es für mich einer der schönsten Wettkämpfe der letzten Jahre."

Seit er es in den olympischen Kader Guatemalas geschafft hat, bekommt Rivero Unterstützung vom nationalen olympischen Komitee und muss Reisen wie die nach München nicht mehr aus eigener Tasche bezahlen. Den Triumph auf der Ludwigstraße widmete er der Heimat: "Ich bin für meine Landsleute gelaufen, die gerade eine schwere Zeit durchleben", sagte er angesichts des Vulkanausbruchs, bei dem vor drei Wochen weit mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen waren.

Luis Carlos Rivero aus Guatemala war eigentlich nur zu Besuch in München, den er dann zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele nutzte – und gewann. (Foto: Claus Schunk)

Am 2. August startet Rivero bei den zentralamerikanischen Meisterschaften in Kolumbien. In München wollte sich der WM-Teilnehmer von 2017 also die nötige Tempohärte aneignen. Sein Ziel: Die Qualifikation für den olympischen Marathon 2020 in Tokio. Dafür muss er unter 2:18 Stunden bleiben. Machbar für Rivero: Schon im vergangenen Jahr unterbot er diese Marke klar: "Mit meinem Trainer tue ich alles dafür, dass es mit Olympia klappt."

Ähnlich ambitioniert wie Rivero ist Anna Hahner, Halbmarathon-Siegerin der Frauen (1:15:28). Im Gegensatz zu ihrem guatemaltekischen Pendant war sie schon mehrfach am Start. "München hat für mich eine ganz besondere Bedeutung", erklärte die eine Hälfte der sogenannten Hahner-Twins. Im vergangenen Jahr hatte sie ihrer Schwester Lisa den Sieg überlassen müssen. Dieses Jahr reiste Anna alleine aus dem Schwarzwald nach Bayern.

Münchner Stadtmeister darf sich künftig Benjamin Schneck nennen. In 33:34 Minuten verteidigte Schneck über die Zehn-Kilometer-Distanz den inoffiziellen Titel des schnellsten Münchners. "Ich war jetzt schon dreimal dabei, aber es war das erste Mal, dass es nicht geregnet hat", freute er sich über das gute Wetter; zur vergangenen Auflage hatte es ja durchgehend geregnet. "Ich komme sicher wieder", drohte Schneck der Konkurrenz. Schnellste Münchnerin ist Natalie Wangler (36:26 Minuten), die sich besonders freute, da es auch ihr Freund Jonas Müller aufs Podest schaffte - er wurde hinter Schneck und Jacob Link Dritter. "Gerade die Zielgerade ist schon beeindruckend", sagten die beiden Badener und kündigten ihre Rückkehr für das kommende Jahr an.

Bevor Schneck und Wangler geehrt werden konnten, bekam Luis Carlos Rivero, der unverhoffte Gast, doch noch seine Siegerehrung. Mittlerweile hatte man ihm den Weg zur LMU gewiesen. Dort nahm er drei Liter (alkoholfreies) Weißbier entgegen und beantwortete ein paar Fragen des Moderators. Ein Übersetzer war jedoch nicht bestellt worden, kurzerhand sprang Schneck als Dolmetscher ein. Mit einem nur Spanisch sprechenden Gast aus Guatemala hatte eben niemand gerechnet.

© SZ vom 25.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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