Motocross:Im Tempel der fliegenden Maschinen

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Nein, das ist kein Spieler des EHC München auf Abwegen, das ist Luc Ackermann im Trikot des neuen deutschen Eishockey-Meisters. (Foto: Night of the Jumps/oh)

Night of the Jumps in der ausverkauften Olympiahalle: Freestyle-Motocrosser Luc Ackermann wird Dritter, Bruder Hannes stürzt

Von Jan Geißler, München

Beim fünften Sprung in der Qualifikation passiert es: Luc Ackermann, Deutschlands größte Nachwuchshoffnung im Freestyle Motocross, wählt die Kicker Ramp und versucht sich mitsamt dem Motorrad einmal um die eigene Achse zu drehen. Es bleibt beim Versuch: Der Lenker rutscht ihm aus der Hand, aus rund zehn Metern Höhe kracht er auf den Landehügel, seine Maschine landet knapp neben ihm. Entsetzen unter den Zuschauern, aus ist der Traum von einer guten Platzierung beim Heim-Event. Immerhin kommt Ackermann glimpflich davon. Abgespielt hat sich diese Szene vor einem Jahr bei der Night of the Jumps in der Olympiahalle. Am Samstagabend waren die besten Motocross-Freestyler der Welt zurück in München, bereits zum sechsten Mal. Auch Luc Ackermann, 18, war wieder da - und dieses Mal lief es deutlich besser.

Ein großes Spektakel war angekündigt worden. Und der Abend, eingeläutet mit lauten Technoklängen, Flammenwerfern und Feuerwerk, hielt dem stand. Diejenigen, die erstmals die Nacht der Sprünge miterlebten - rund die Hälfte der 10 000 Zuschauer, wie der Hallensprecher vermeldete - dürften nicht schlecht gestaunt haben über das, was das 25-köpfige Aufbauteam innerhalb von zwei Tagen errichtet hatte: Aus der Multifunktionshalle war ein großer Motocross-Tempel geworden. Aus etwa 1000 Tonnen Lehm waren zwei große Landehügel entstanden, über verschiedene Rampen waren dank unterschiedlicher Neigungen eher kurze (elf Meter) oder besonders weite Sprünge (24 bis 27 Meter) möglich. Das Event kommt zweifelsohne einer logistischen Meisterleistung gleich.

Im Mittelpunkt des Abends stand jedoch weniger die Strecke als vielmehr der Name Ackermann. Neben Luc war auch dessen acht Jahre älterer Bruder Hannes Ackermann angetreten. Bereits in der Qualifikation, in der jeder Fahrer acht Sprünge zeigt, wovon der letzte durch die Jury doppelt gewertet wird, war für ihn Endstation. Ungewollt verursachte er den ersten Schreckmoment des Abends, als nach dem letzten Sprung Ackermann und sein Motorrad einzeln landeten. "Ich fühle mich ok", vermeldete er wenig später auf seiner Facebookseite. Halb so schlimm also, das Finale fand aber ohne ihn statt.

Dafür sprang wenig später der jüngere der beiden Ackermanns in die Bresche. Bereits vor dem Finaldurchgang sicherte er sich sowohl im Best-Whip-Contest, bei dem mehrere Fahrer gleichzeitig durch die Luft fliegen und versuchen, ihr Motorrad in eine waagrechte Position zu bringen, als auch dem Highest-Air-Contest, bei dem die Fahrer ähnlich dem Hochsprung über eine Latte springen, den dritten Platz. Im anschließenden Finale zeigte er einen fehlerfreien Lauf und brachte die ausverkaufte Olympiahalle zum Beben. Der Thüringer packte auf die solide Vorstellung aus der Qualifikation, zu der er im Trikot des neuen deutschen Eishockey-Meisters EHC München angetreten war, zwei weitere anspruchsvolle Tricks und setzte sich an die Spitze. 374 Punkte berechtigten ihn dazu, auf dem Hot Seat, dem heißen Stuhl des Führenden, Platz zu nehmen.

Maikel Melero, Weltmeister der Jahre 2014 und 2015, blieb dieses Gefühl ausnahmsweise verwehrt. Der 28-jährige Spanier, der die vergangenen zehn Events gewonnen hatte und entsprechend selbstbewusst antrat ("In München ist alles top: Ich bin hier, um meinen elften Sieg in Serie zu holen."), hatte bereits in der Qualifikation nicht überzeugt und stürzte im Finale beim ersten Sprung. Auch er blieb unverletzt, ärgerte sich aber über einen gebrauchten Abend. Die Serie war also gebrochen, Ackermann hatte damit bereits das geschafft, was er sich vor dem Wettkampf vorgenommen hatte ("Meleros Serie muss unbedingt beendet werden, das ist meine Meinung."). Ob es jedoch für den ebenfalls angepeilten und dringend benötigten Podestplatz reichen würde, sollte sich erst noch zeigen. Ackermann, EM-Zweiter des vergangenen Jahres, rangierte bis dahin nur auf der sechsten Position im Gesamtklassement, ein Platz auf dem Podium wäre umso wichtiger. Hierfür musste allerdings mindestens einer der zwei noch folgenden Fahrer hinter ihm landen.

Libor Podmol aus Tschechien tat ihm diesen Gefallen nicht. 414 Punkte bedeuteten sogar den Tagessieg. Nach der Fahrt von Remi Bizouard herrschte Gewissheit: Ackermann reckte die Faust nach oben, die Halle jubelte ein weiteres Mal frenetisch. Der Franzose hatte von der Jury zwei Punkte weniger erhalten. "Das ist unglaublich", freute sich Ackermann, der damit auf Rang vier in der Gesamtwertung kletterte. Zweiter in München wurde David Rinaldo.

Aus Sicht der Ackermanns war es ein Abend mit gemischten Gefühlen, auch wenn die positiven überwiegen dürften. Und vielleicht gelingt dem erfolgreichsten Freestyle-Bruderpaar der Welt ja dann bei der siebten Auflage der große Sprung gemeinsam.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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