Minigolf:Auf dem Filz von Zhouzhuang

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Bundestrainer Michael Koziol aus Olching startet mit der deutschen Minigolf-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in China - und möchte beide Mannschaftstitel verteidigen.

Von Marie Schneider, München

Die Sonne scheint in Grömitz an der Ostsee. Es riecht nach frisch gemähtem Rasen, man hört Stimmen von Kindern, die im Schwimmbad planschen. Der Eldorado-Minigolfplatz ist von einem Jägerzaun umgeben, an einem Pfahl baumelt ein Langnese-Schild. So oder so ähnlich muss es 1982 in Grömitz ausgesehen haben, als Michael Koziol zum ersten Mal einen Minigolfschläger in der Hand hielt, zumindest hat er es so in Erinnerung. Das "Langnese-Flair", wie er die Atmosphäre aus den 1980er Jahren beim Minigolfspielen nennt, sei einer der Gründe gewesen, weshalb er die Sportart lieben lernte. Heute trainiert der 48-Jährige die Minigolf-Nationalmannschaft und gewinnt auch als Spieler noch deutsche Meisterschaften.

"Die Suche nach dem perfekten Schlag reizt mich", erklärt der Sportler, der seit knapp zehn Jahren in Olching (Landkreis Fürstenfeldbruck) lebt. Auch die vielen bunten Bälle - rot oder rot-grün lackiert, ganz hart oder ganz weich, klein oder groß - hätten ihn als Kind interessiert. Heute weiß er genau, welchen davon er auswählen muss, um ihn mit nur einem Schlag in das Loch zu bugsieren. "Die Sportart ist sehr vielfältig. Keine Bahn ist wie die andere, jede ist anders zu spielen. Mit Vorbande, Doppelbande oder über den Rücklauf ist alles möglich. Man ist also immer auf der Suche nach dem Weg, der das bestmögliche Ergebnis gibt und am einfachsten zu reproduzieren ist", erklärt Koziol.

Diesen Weg sucht er seit seinem zwölften Lebensjahr, als er anfing, im Verein Minigolf zu spielen. Gleichzeitig war er in einem Handballteam, doch mit 19, nach einem Sabbatjahr, entschied er sich für die Randsportart: "Ich habe gemerkt, dass ich das ganz gut kann und dass ich dort erfolgreich sein kann." Mit dem MGC Bad Hersfeld stieg er in die Bundesliga auf, im Jahr 2000 wechselte er nach Bensheim, spielte seine erste EM für Deutschland. Nach der zweiten EM, 2002 in Prag, erhielt er ein Angebot vom "FC Bayern des Minigolfs": Mit dem BGS Hardenberg-Pötter gewann er in den folgenden Jahren 15 deutsche Meistertitel und vier Europacups. Bis heute spielt er in dem Topteam der Bundesliga: "Wenn man einmal für unseren Verein gespielt hat, macht man nichts anderes mehr", sagt Koziol - außer Bundestrainer werden.

Es geht um "den Flow": nicht zu viel nachzudenken und trotzdem über Stunden konzentriert zu sein

Von seinem ersten Einsatz als Leiter der Nationalmannschaft erfuhr er zwei Wochen vor Beginn der WM 2005. "Der Anfang war traurig", erinnert er sich. Sein Vorgänger war gestorben, weshalb Koziol, eigentlich als Bahnenbetreuer eingeplant, einspringen musste. Er sei ohne Konzept in den Wettbewerb gegangen und habe "total versagt". Ein Jahr später fuhr er mit den Frauen den Europameistertitel ein, 2007 die Weltmeistertitel mit Männern und Frauen in Italien. "Es war mir wichtig, dass der Job ordentlich gemacht wird. Bei meinen ersten internationalen Wettkämpfen als Spieler war ich enttäuscht. Ich wollte es als Trainer besser machen, etwas Neues bieten, die Leute motivieren", erzählt "Flexi", wie er von den Spielern manchmal genannt wird. Denn obwohl Koziol vor jedem Wettkampf einen genauen Plan hat, ist er laut eigener Aussage sehr flexibel und passt seine Strategien immer wieder an.

Nach einer vierjährigen Pause stieg Koziol 2012 wieder ein und verlor seitdem nur einen Wettkampf: die EM 2014 mit den Frauen. Ein Ende seiner Karriere ist nicht in Sicht. "Es stehen nicht so viele Schlange, die das machen wollen. Und es kann auch kaum jemand so machen wie ich im Moment", sagt Koziol. Er muss seinen gesamten Jahresurlaub für die Turniere und Vorbereitungen opfern - und der reicht oft nicht aus. Als Bundespolizist kann er zusätzlich fünf Wochen freigestellt werden für diesen Nebenjob, den er auf 450-Euro-Basis verrichtet, dazu gibt es eine Übungsleiterpauschale und eine Aufwandsentschädigung. Für viele Spieler sei es schwieriger, so viel Urlaub zu bekommen. "Ich habe immer Minigolf im Kopf", sagt der Coach, anders würde er den Job wahrscheinlich nicht machen können.

Aktuell befindet sich Koziol samt Trainerstab und Nationalspielern in Zhouzhuang, China, einer von historischen Kanälen durchzogenen Touristenstadt nahe Schanghai. In einem Gewerbegebiet wird dort von diesem Mittwoch an die erste WM in Asien ausgetragen. Zwei Wochen vorher kamen die Trainer an, drei Tage nach ihnen die Teams, seither wird täglich zehn Stunden geübt, um die Bahnen aus Beton und Filz kennenzulernen. Bis zu sieben Goldmedaillen sind zu gewinnen, vor allem die Mannschaftstitel der Frauen und Männer von 2017 würde Koziol gerne verteidigen. Allerdings müssen die Männer auf die Minigolflegenden Walter Erlbruch und Alexander Geist verzichten.

Ein Unterschied zu den 80ern: "Der Sport ist viel technischer geworden", findet Koziol

Koziol ist dennoch zuversichtlich, einen Kader zu haben, der zusammenhält. Denn auf Teamplay komme es an. Gegenseitige Motivation, aber auch die Fähigkeit, Informationen über die Bahn, die Bälle oder die Witterung weiterzugeben, machen eine gute Minigolfmannschaft aus. Ziel für die Spieler sei es, "in einen Flow zu kommen. Sie dürfen nicht zu viel darüber nachdenken, was sie tun. Ich versuche, die Leute an diesen Punkt zu bringen." Die Konzentration muss über mehrere Stunden hinweg halten. Auch er merke, dass seine Aufmerksamkeit und seine koordinativen Fähigkeiten mit dem Alter nachlassen, mit 25 sei auch ihm das noch leichter gefallen.

Die bunten Bälle, von denen Koziol etwa 3000 besitzt und die ihn als Kind in Grömitz so fasziniert haben, gibt es bis heute. Sonst hat sich viel geändert. "Der Sport ist viel technischer geworden", stellt er fest. Kein Eisschild hängt in Zhouzhuang, es riecht nicht nach frisch gemähtem Rasen. Dem "Langnese-Flair" der Achtziger sind sie beide entwachsen, der Bundestrainer und auch seine Sportart. Ein bisschen bedauert er das.

© SZ vom 23.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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