Lyrik-Verleger:"Es ist ein Herzenspreis"

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Seit mehr als 20 Jahren gibt Anton G. Leitner "Das Gedicht" heraus. (Foto: Johannes Simon)

Der Weßlinger Verleger Anton G. Leitner hat sich mit seiner Zeitschrift "Das Gedicht" einen Namen in der Welt der Poesie gemacht.

Von Christiane Bracht, Krailling

Wenn man jung ist, bekommt man viele Preise", sagt Anton G. Leitner. Das spornt an. Noch dazu wird man finanziell gefördert. Doch wenn man älter wird, bleibt diese Art der Anerkennung plötzlich aus. Der 55-Jährige weiß wovon er spricht. Seit mehr als zehn Jahren, fast 20, ist er von den Jurys nicht mehr bedacht worden. "Ich hab schon nicht mehr mit Preisen gerechnet", gesteht er fast ein wenig resigniert. Zwei Mal hatte ihn die Süddeutsche Zeitung bereits nominiert: 2002 und 2004. Um so mehr strahlte der Weßlinger am Montag, als Ressortleiter Christian Krügel ihm jetzt den Tassilo-Preis tatsächlich überreichte. "Es ist ein Herzenspreis", sagt er freudig. "Die SZ ist mir wichtig, ich lese sie seit 40 Jahren."

Ebenso liegt ihm natürlich seine Literaturzeitschrift "Das Gedicht" am Herzen. Anlässlich der Preisverleihung brachte er sogar einen ganzen Karton der buchdicken Jubiläumsausgabe "Das beste aus 20 Jahren" für jeden Poesieinteressierten mit. Mit dieser Zeitschrift hat er Literaturgeschichte geschrieben. Seit fast 25 Jahren bringt Anton G. Leitner das Werk jedes Jahr heraus. Die Themen sind vielfältig. Sie kreisen um Liebe, Tod und Natur, aber auch um Heimat oder Essen und Trinken. Mehr als 2000 Gedichte, über 100 Kritiken und hunderte Essays hat der Weßlinger in dem Werk bereits veröffentlicht. Wer sich als Dichter einen Namen machen will, ist sehr darauf bedacht, hier zu erscheinen. Und so bekommt Leitner jedes Mal an die 2000 Einsendungen, aus denen er etwa 100 auswählt, die am besten zum Thema passen. Er achtet auch darauf, dass alle Aspekte abgedeckt werden. "Das ist spannend", schwärmt der Weßlinger. "Jeder bringt seine Welt mit hinein. Das hält die Zeitschrift lebendig." Das ist wohl auch Teil des Erfolgsrezepts. Denn die meisten Literaturzeitschriften gehen nach etwa fünf Jahren wieder ein. Aber es gibt noch einen anderen Grund weshalb, "Das Gedicht" noch immer einen Namen in der Welt der Poeten hat. Leitner versteht es geschickt, das Blatt immer wieder ins Gespräch zu bringen.

"Das G. in Ihrem Namen steht das für Gedicht?", fragt Kulturredakteurin Sabine Reithmaier unschuldig. Eigentlich steht es für Gerhard, erklärt der Preisträger grinsend. Aber es habe schon andere gegeben, die darüber gerätselt haben. Das war im Jahr 2000. Buchhändler hatten sich beschwert, dass die achte Ausgabe unter dem Titel "Erotik-Spezial - Geile Gedichte" pornografisch sei und wollten den Band nicht in ihren Läden auslegen. Grund genug für den inzwischen verstorbenen Talkmaster Rudi Carell in der Sendung "Sieben Tage, sieben Köpfe" eine viertel Stunde lang über das "G." zu rätseln. Bessere Reklame konnte Leitner nicht haben und so war sein Heft schnell vergriffen. Leitner freut sich noch immer über den Coup. Auch der längst verstorbene Kritikerpapst Marcel Reich-Ranicki hatte sich einst über die Zeitschrift mokiert, als Leitner den Lyrik-Kanon herausbrachte. Auch das digitale Zeitalter hat der Weßlinger keineswegs verschlafen, sondern für seine Zeitschrift genutzt. Er war einer der ersten der sein Werk ins Internet stellte. Zur Fußballweltmeisterschaft in Brasilien gab es einen Blog, auf dem Gedichte zum jeweiligen Spiel zu lesen waren - spontan entstanden und geschrieben von der Internetgemeinde und von bekannten Autoren. Die Zeitschrift gibt es sogar auf Englisch, demnächst soll sie sogar auf Spanisch herausgegeben werden.

"Jedes Jahr ist ein neues Abenteuer", sagt Leitner. Und das meint er nicht nur finanziell. "Jeder Cent fließt in die Zeitschrift" - auch das Tassilo-Preisgeld von 500 Euro. Schließlich ist "Das Gedicht" so etwas wie sein Lebenswerk und seine Muse zugleich. "Es ist ein Symphonieorchester", sagt er liebevoll. In ihm veröffentlicht nicht nur er seine Gedichte, sondern auch seine Freunde und viele bekannte und weniger bekannte, junge und alte Autoren ihre Werke. Es ist ein Forum, in dem man sich austauscht und diskutiert. Und damit dieses weiterlebt, auch wenn Leitner eines Tages nicht mehr die Zeitschriften selber einpacken und zum Postlaster schleppen kann - denn das Verschicken an die Abonnenten ist "Handarbeit" - bindet der Weßlinger immer wieder junge Leute mit ein, auch beim Herausgeben. "Es ist die einzige Chance, dass es weitergeht", sagt er.

Auch der Gautinger Heinrich Klug, der am Montag den Ehrenpreis für sein Lebenswerk bekam, denkt trotz seines Alters nicht ans Aufhören. Die Kinderkonzerte für nächstes und übernächstes Jahr sind schon fest geplant. Sie sind dem 81-Jährigen ein Herzensanliegen. Die Arbeit mit den Jugend-musiziert-Gewinnern macht ihm großen Spaß. Er fördert die Talente gern. "Für sie ist es wichtig Selbstvertrauen zu bekommen und Publikumserfahrung", weiß er. Julia Fischer verhalf er so zum guten Start ins Musikerleben. Heute kommt sie mit ihren Kindern in seine Konzerte. Zur Preisverleihung wählte Klug die elfjährige Clara Shen als Begleitung. "Sie ist etwas Besonderes. Sie ist sehr reif, aber auch noch kindlich", sagt er. Zwei Stunden musste das Mädchen auf ihren Auftritt warten, dann strich sie virtuos mit ihrem Bogen über die Saiten ihrer Violine. Das Publikum war begeistert. Und obwohl eigentlich Klug als Preisträger im Mittelpunkt stand, wies er mit beiden Händen auf Clara, um ihr zu zeigen: Das ist dein Applaus.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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