Linksaußen:Zeugnisvergabe mal ganz anders

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Die Zeugnisse sind raus, wenn auch auf spezielle Weise. Grund genug, auch die regionalen Sportvereine zu bedenken.

Von Andreas Liebmann

Man könnte meinen, zum Thema Umschläge wäre alles erzählt. Es gibt heiße wie kalte; sich selbst zerstörende; den berühmten Rund-Umschlag; den berüchtigten Drogenumschlag (nach dem ganze Plätze benannt werden); dann natürlich all die heimlich verteilten voller Geldscheine, die man eher im Amateurfußball vermutet als etwa bei IOC oder Fifa - weil es so große Umschläge nun auch wieder nicht gibt ("And the winner is... Deitschland!").

Das letzte Kuriose, was man vom Umschlag hörte, war wohl die Oscar-Verleihung von 2017, als inmitten der Dankesreden dem Macher von "La La Land" auffiel, dass die Kuverts vertauscht worden waren - und tatsächlich "Moonlight" den Preis gewonnen hatte. An Absurdität kaum zu übertreffen. Andererseits: Man kann es ja zumindest mal versuchen.

Am Freitag war in Bayern Zeugnistag. Wohlgemerkt: Singular. Nicht -tage.

Trotzdem gab es Schulen, die nur der Hälfte ihrer Schüler die Zeugnisse am Freitag aushändigten - und der anderen Hälfte bereits am Donnerstag. Also einen Tag zu früh. Dafür in verschlossenen Umschlägen, die man (und das ist wirklich kein Witz!) erst am Freitag öffnen durfte. Exakt um null Uhr. Gewiss haben die Schüler im Kreise ihrer Familien die Sekunden bis Mitternacht brav heruntergezählt, sodann mit zittrigen Händen das Siegel gebrochen, während der Vater einen Trommelwirbel auf den Küchentisch hämmerte und die Mutter vor Nervosität Mühe hatte, den Sekt zu entkorken. And the winner is... Zu früh geöffnete Kuverts haben sich vermutlich selbst zerstört.

Im Ernst: Ebenso gut hätte man einem Karnickel eine Karotte hinhalten können mit den Worten: Die ist aber für übermorgen. Oder dem Dopingkontrolleur die Urinprobe überreichen mit dem Hinweis, er möge sie erst in 30 Jahren öffnen, wenn es keine Umstände macht. Bittedanke. Zumindest wird jeder irgendwann sein Zeugnis bekommen haben, zum Abschluss eines schwierigen Halbjahrs, und weil ein solches auch hinter den Sportlern der Region liegt, wäre es eigentlich nur fair, auch ihnen hier ein paar Zeugnisbemerkungen zu gönnen. Etwa so:

Basketball: Der FC Bayern ist ein ehrgeiziger Schüler, der sich hohe Ziele setzt. Vor wichtigen Prüfungen sollte er sich besser konzentrieren und an seiner Entschlossenheit arbeiten. / Die Oberhaching Tropics haben das Klassenziel nur mit Glück erreicht. Bei weniger Fehlzeiten vor dem Zwischenzeugnis wäre aber mehr möglich gewesen. Oder, Fußball: Die SpVgg Unterhaching war stets freundlich im Umgang mit Mitspielern und Gegnern. An schwierige Aufgaben ging sie oft zu zögerlich heran und sollte sich ruhig mehr zutrauen. / Der TSV 1860 machte erneut zu wenig aus seinen Möglichkeiten. Sein Fleiß war anerkennenswert. / Die Amateure des FC Bayern gewannen im Laufe des Jahres an Selbstvertrauen und schöpften ihr Potential voll aus.

Natürlich müsste man den Handball-Musterschülern aus Fürstenfeldbruck eine Eins verpassen, den Fleiß der Herrschinger Volleyballer und der Schwabhauser Tischtennisspielerinnen herausarbeiten, allerdings geht das hier alles schon ziemlich quer durch den Gemüsegarten. Außerdem stellt sich im Fußball ja noch das Problem, dass man nun zwar Türkgücü als Aufsteiger loben darf, nicht aber zum Beispiel den FC Pipinsried, weil für viele das Schul- bzw. Spieljahr noch nicht zu Ende ist. Die dürften ihre Zeugnisse also erst später lesen (und man müsste diese Zeitung für sie derweil in verschlossenen Umschlägen aufbewahren). Und es gibt jene Sportarten, die noch kaum zu benoten sind, wie Tennis oder Leichtathletik, weil ihr Jahr noch gar nicht richtig begonnen hat. Für deutsche Tennisprofis zum Beispiel gab es gerade mal das interne DTB-Turnier, in dessen Finale - Stichwort Gemüsegarten - Yannick Hanfmann auf einen Gegner traf, dessen Name auf Karotte endet: Oscar Otte. Seine Oscar-Verleihung vor ziemlich exakt 27 Jahren brachte also auch etwas Kurioses hervor.

© SZ vom 27.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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