Linksaußen:Vorsicht vor Stockenden

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Sprache kann Leben retten: Über den kleinen, aber feinen Unterschied zwischen Fußgängern und Fußgängerinnen, zum Beispiel.

Von Andreas Liebmann

Dass die Straßenverkehrsordnung keine Fußgänger mehr nennt, sondern ganz geschlechtsneutral "zu Fuß Gehende", ist bekannt. Ein für alle Mal ist damit das Missverständnis beseitigt, dass man beim Abbiegen mit einem röhrenden Golf GTI zwar auf Fußgänger achten sollte, aber - rumms! - nie die Rede war von Fußgänger innen... Exakte Sprache kann Leben retten.

Auch jenseits von Gesetzestexten tauchen neuerdings immer öfter Begriffe auf wie "Studierende" oder "Demonstrierende", weil sie einem den lästigen Zusatz "und ...innen" ersparen. Ein überfälliger Fortschritt im Land der Dichtenden und Denkenden. In einigen Lebensbereichen mag diese segensreiche Neuerung noch etwas anstrengen, es dürfte zum Beispiel dauern, bis die Berufsgruppen der Kochenden, Buchhaltenden oder Elektrisierenden ihren Platz im allgemeinen Sprachgebrauch gefunden haben. Aber im Sport, der ja auch von Protagonisten weiblichen Geschlechts ausgeübt wird und gelegentlich so wunderschöne Stilblüten hervorbringt wie "Frauenfußballerinnen", ist die Umstellung einfach. Deshalb sollte man sich den neuen Begriffen gar nicht erst verschließen. Um unsere Lesenden künftig nicht zu irritieren, hier eine sanfte Einführung:

Ein Fußballklub zum Beispiel besteht aus Spielenden (Abwehrenden, Stürmenden, Torhütenden), aus Betreuenden, aus Funktionierenden und aus Anhängenden. Soweit klar? Dann gibt es Trainierende, bei der SpVgg Unterhaching wäre das etwa Claus Schromm (es könnte aber auch eine Frau sein), und Präsidierende, in Haching also Manfred Schwabl. Aber Achtung: Nachdem Schwabl kürzlich behauptet hatte, einen wichtigen Brief vom Verband zum Thema Lizenzauflagen gar nicht geöffnet zu haben, hat er tags darauf doch zum: Brief öffner! gegriffen - nicht etwa zum Brief öffnenden, denn das war er selber.

Herrschings Volleyballernde jedenfalls haben (das war vom Pressesprechenden zu erfahren) einen neuen Mittelblockenden verpflichtet. Ob der Zuspielende bleibt, ist fraglich. Was rein sprachlich mit Leichtathleten jedweden Geschlechts geschieht, kann bis zum nächsten Großereignis geprüft werden - bis dahin muss man sich mit Werfenden, Springenden oder Laufenden behelfen (sofern sie nicht stürzen). Klar, anfangs sind Missverständnisse möglich: "Gewalt gegen Spielende" kann sich ebenso auf die Phase kurz vor Schlusspfiff beziehen wie auf jene Subjekte, die früher "Spieler" hießen. Und wer mit dem Wort "Stockende" spontan nichts anzufangen weiß: Das ist der Teil des Schlägers, den man beim Eishockey oft mal ins Gesicht bekommt. Nicht zu verwechseln mit Stockente. Aber es wird sich alles einspielen. Überhaupt: Schreibende soll man nicht aufhalten. Und nun: Schreib-Ende.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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