Linksaußen:Überbleibsel aus der Eiszeit

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Was Konrad Höß, Engelbert Kupka und Angela Merkel eint: Ihre Regentschaft dauerte eine gefühlte Ewigkeit.

Von Stefan Galler

Wir wollen die Gelegenheit nutzen und Königin Elisabeth II. recht gute Gesundheit wünschen. Die 92 Jahre alte Queen hat schließlich in nicht allzu ferner Zukunft ein großes Jubiläum zu feiern: Sollte sie nicht bis dahin das Zepter an ihren seit geraumer Zeit erwachsenen Sohn Charles, den von Mittwoch an 70-jährigen Prince of Wales, weiterreichen, dann würde sie am 20. Juli 2020 exakt 25 000 Tage als Staatsoberhaupt von Großbritannien amtieren. Was sind da schon die lächerlichen 4739 Tage, die Angela Merkel Bundeskanzlerin ist. Und selbst die 6791 Tage, die sie der CDU vorsitzt, verblassen vor der Mega-Ära der britischen Monarchin.

Nun gibt die ewige Kanzlerin ja demnächst zumindest den Parteivorsitz auf, mehr oder weniger freiwillig. So geht es vielen Chefs, die über (zu) lange Strecken an ihren Sesseln kleben: Die Kritiker, die man anfangs noch locker ausbremsen konnte, werden immer lauter, irgendwann hat sich die Amtszeit dann auch totgelaufen. Womit wir den Bogen zum Fußball schlagen können: Auch Langzeit-Präsidenten von Vereinen müssen manchmal ziemlich explizit dazu aufgefordert werden, ihren Posten zu räumen. Siehe Engelbert Kupka, dessen Wahl zum Präsidenten der SpVgg Unterhaching anno 1973 noch nicht einmal exakt auf den Tag genau dokumentiert ist. Die Bücher sind womöglich einer Naturkatastrophe oder der letzten Eiszeit zum Opfer gefallen. Bis zu seinem Rücktritt im Juni 2012 und der Übernahme durch Manfred Schwabl war Kupka über 39 Jahre, also mehr als 14 000 Tage verantwortlich, da kann man fast von einer Queen-Size-Amtszeit sprechen. Noch näher dran an Elisabeth II. ist der frühere König des FC Pipinsried - Konrad Höß hatte den Klub 1967 sogar selbst gegründet und war ihm dann bis zum 16. Februar 2018 vorgestanden - macht circa 51 Jahre, insgesamt mehr als 18 000 Tage. Sein Thron war während dieser über Epochen andauernden Regentschaft zumeist der Bock seines Rasenmähers, schließlich pflegte Höß nicht nur den Spielerkader und die Vereinskasse höchstselbst, sondern auch das Fußballfeld. Halm für Halm.

So mancher Trainer wird neidvoll auf solche Zeiträume blicken. Gerade in der heutigen, schnelllebigen Zeit und unter Druck auf allen Ebenen kann man als Übungsleiter im Profifußball schon froh sein, wenn man in der nächsten Länderspielpause nicht gefeuert wird. Eine 44-jährige Amtszeit, wie sie Guy Roux einst beim französischen Provinzklub Auxerre hatte, ist heute kaum mehr vorstellbar. Der VfB Stuttgart etwa wickelte seit Angela Merkels Wahl zur Kanzlerin 16 Trainerwechsel ab. Und da behauptet man immer, Schwaben seien sparsam.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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