Linksaußen:Time to say Adele

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Wann ist es Zeit, seinen Rücktritt einzureichen? Wer ein Patentrezept für diese komplizierte Frage hat, dem dürften Preise und Auszeichnungen sicher sein.

Kolumne von Stefan Galler

Nichts bleibt unentdeckt, für so gut wie alles gibt es eine Forschung oder zumindest eine philosophische Lehre, die einem weiterhilft, wenn man nicht recht weiß, was zu tun ist. Wer aber kann einem verlässlich den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören nennen?

Da ist sie, die Marktlücke für alle Welterklärer, Soziologen und Unternehmensberater: Die Suche nach dem idealen Moment, seinen langweiligen Job, seine verkorkste Ehe, schlechte Angewohnheiten oder das nervige Ehrenamt einfach mal hinter sich zu lassen und beschwingt in den Sonnenuntergang zu reiten. Wer dafür ein allgemeingültiges Rezept findet, dem sind Preise und Auszeichnungen sicher, zumindest aber der Dank der Welt.

Wie soll das gehen, wird sich jeder Leser denken, der mit beiden Beinen im Alltag steht, schließlich lassen sich verschiedene Lebenssituationen doch nicht über einen Kamm scheren. Und die Toleranzschwelle ist nun mal auch nicht bei jedem gleich hoch. An dem einen prallt Kritik ab wie ein Eishockey-Puck am Torgestänge. Einem anderen steigen schon bei konstruktiven Verbesserungsvorschlägen für sein Tun die Tränen in die Augen und er wirft augenblicklich die Brocken hin.

Das kann man nun beispielsweise Joachim Löw nicht unterstellen. Böse Zungen behaupten, er hätte den Absprung längst verpasst. Doch den Weltmeistertrainer ficht das nicht an. Und wenn nun einer kommt, der ihm vorwirft, er hätte lieber selbst Ade sagen sollen statt Mats Hummels und Jérôme Boateng in Pension zu schicken, dem könnte Jogi nach dem Serbien-Spiel cool entgegnen: "Ihr beschwert euch über planlos herumlaufende Verteidiger? Dann schaut euch mal an, wie es Thomas Müller zum WM-Torschützenkönig gebracht hat!"

In der Region haben zuletzt drei Fußballgrößen ihren Abschied angekündigt. Franz Faber, der Präsident des FC Unterföhring, zieht nach zwölf Jahren den Schlussstrich, weil es natürlich stressig und kräftezehrend ist, einen Fußballklub zu leiten. Andererseits hält das Ehrenamt tolle Erlebnisse bereit. Zumindest wenn man nicht nach einem Aufstieg in eine zweijährige Abwärtsspirale gerät, wie das dem FCU zuletzt passiert ist. Faber weiß schon gar nicht mehr, wie sich Gewinnen anfühlt, sagt er. Und hat deshalb jedes Recht zum Rücktritt. Vielleicht bleibt dann mal Zeit zum Kniffeln mit der Gemahlin, was immerhin eine 50:50-Siegchance verspricht.

Frank Schmöller, der im Sommer als Trainer des SV Pullach aufhört, fand es bestimmt ein paar Jahre lang motivierend, die Elf immer wieder an die Spitze der Fußball-Bayernliga zu führen und den Schritt in die Regionalliga nicht tun zu können, weil der Verband Dinge forderte, die für den kleinen Klub einfach nicht zu stemmen waren. Irgendwann aber dürfte sich der Coach gefühlt haben wie die Fliege, die partout nicht durch die Glasscheibe kommt, egal wie oft und heftig sie dagegen prallt. Da bleibt nur die Suche nach einer anderen Herausforderung.

In Garching beendet Daniel Weber seine Mission nach zwölf Jahren und insgesamt fünf Aufstiegen, weil er nach einem privaten Schicksalsschlag sein Leben neu sortiert und Abstand vom Fußball braucht. Auch das nachvollziehbar.

Irgendwann ist es halt einfach genug. Wann das genau der Fall ist, dafür hat keiner ein Patentrezept. Womöglich nicht einmal Uli Hoeneß.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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