Linksaußen:Terrakotta mit Leuchtstäben

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Alles kann man heutzutage online kaufen, auch Beliebtheit. Hier ein paar Klicks, dort ein paar Likes, schon steigt die Popularität. Was aber, wenn trotzdem niemand ins Stadion kommt?

Von Andreas Liebmann

Es gibt eine Firma in Bangladesch, die verkauft Beliebtheit. Ihre Mitarbeiter verdienen kaum mehr als nebenan in den Textilfabriken, auch sie hocken oft bis tief in die Nacht in einem düsteren Raum, doch sie nähen eben nicht. Sie klicken. Auf Facebook, in Youtube, überall dort, wo Auftraggeber für die dezente Vermehrung ihrer Klicks und Likes viel Geld bezahlen. Sogar Fußballvereinen wird gelegentlich nachgesagt, dort Kunde zu sein. μMan hüte sich vor den Tücken der digitalen Welt.

Radio dagegen ist ein alter Hut, aber ehrlich. Vor mehr als 100 Jahren ging die erste Sendung über den Äther, seither dudelt es ununterbrochen. Vor einigen Tagen könnte manch findiger Vereinsfunktionär allerdings ein Aha-Erlebnis gehabt haben, als er sein Programm verfolgte. Da kam eine Reportage über eine Firma, die echte Fans vermietet. Für 15 Euro pro Stunde fallen sie, ausgestattet mit Trillerpfeifen, Leuchtstäben und Getränkebons, über jede gewünschte Veranstaltung her, bei Bedarf auch zu Tausenden. Und weil es auffallen würde, wenn lauter kleine Asiaten im Publikum sitzen, kommt die Firma nicht aus Bangladesch, sondern aus Bayern.

Die Idee ist nicht neu, sie ist bestens erprobt, von kommunistischen Parteitagen bis zur Handball-WM in Katar. Dennoch drängen sich Fragen auf: Ist es Zufall, dass Münchens Fußballarena nur bei Spielen der stinkreichen Bayern ausverkauft ist, nicht aber bei denen der armen Löwen? Und dass zu den noch viel ärmeren Unterhachingern nur noch ein paar hundert Einheimische kommen? Oder ist die SpVgg gar deshalb so knapp bei Kasse, weil sie selbst für diese paar . . . - nein, eher nicht. Viel zu teuer.

Klar ist: Wer Zuschauer hat, bekommt Sponsoren. Wer keine hat, nicht. Dem EHC München kann dieser Zusammenhang schnuppe sein, er gehört seinem Sponsor. Und wenn der demnächst seine neue Halle baut, wird diese, wie man den österreichischen Bauherren kennt, sowieso mit allem Schnickschnack ausgerüstet sein, inklusive fest installiertem Publikum. Zum Ausklappen. Doch was geschieht mit all den leeren Schalensitzen in Unterhaching? Terrakotta-Fan-Armeen aus China? Unerschwinglich. Wo stecken eigentlich die Vogelscheuchen von der letzten Krähenplage?

© SZ vom 27.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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