Linksaußen:Selbstbedienung auf Giesings Höhen

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Jetzt ist auch noch das Namensschild weg: Die Münchner Löwen stehen bald so blank da wie der Märchenheld "Hans im Glück".

Kolumne von Stefan Galler

Nein, Sigmar Gabriel ist nicht der einzige, der sein Kind instrumentalisiert hat - auch wenn die berühmt gewordene Anekdote, wonach seine Tochter ihm Zuspruch dafür gegeben habe, künftig mehr Zeit mit seiner Familie als "mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht" zu verbringen, mittlerweile von geradezu nationaler Tragweite ist. Immerhin hat dieses indirekte Martin-Schulz-Bashing die Fortsetzung von Gabriels Laufbahn als Bundesaußenminister unmöglich gemacht. Heiko Maas wird ihm nachfolgen, erwiesenermaßen ein Mann, der sein Haar auf dem Haupt trägt - und eben nicht im Gesicht.

Wie macht der Löwe? "Roaaaar." Der Sechzger-Löwe? "Mimimi."

Da hat die Mama jenes Zweijährigen, der im Faschingsendspurt als Protagonist eines Handyvideos in den sozialen Medien auftauchte, weniger Ungemach zu erwarten. Obwohl ihr Vergehen mindestens ebenso schlimm ist wie das des ehemaligen politischen Schwergewichts: Sie hatte den Buben in ein HSV-Trikot gesteckt! Und dann vor laufender Kamera gefragt, als was er denn verkleidet sei. Der Kurze, noch nicht klar in der Artikulation, antwortete holprig: "Als Absteiger."

Die Hamburger bekommen derzeit allen Spott der Republik ab, wodurch der TSV 1860 etwas entlastet wird, zumindest überregional. Nach dem Zweitligaabstieg im Sommer war das noch anders. Damals kursierte ein kleines Filmchen im Netz, in dem ein Vater seiner kleinen Tochter die Grundbegriffe der Zoologie beibrachte. "Wie macht der Löwe?", fragte der Daddy. "Roooaaar", entgegnete die Tochter, wobei das Brüllen eher klang wie ein Kopperl. Daraufhin der Vater: "Und wie macht der Sechzger-Löwe?" Die Kleine wusste es ganz genau: "Mimimi."

Wer den Schaden hat, über den bricht die Häme nur so herein, das wissen die Anhänger der Blauen, die seit den seligen Sechzigerjahren (sic!) nie wieder dauerhaft glücklich waren. Selbst dann nicht, als sie vom Duo Wildmoser/Lorant aus dem Tal der Tränen zurück ans Licht geführt wurden. Denn der Preis dafür erschien vielen als zu hoch: Sie büßten ihre Identität als Arbeiterverein ein, spätestens als ehemalige Weltstars wie Abedi Pele ("Wir singen A, Wir singen B, Wir singen A-BE-DI Pele") im blauen Leiberl im verhassten Olympiastadion aufliefen. Da hatten sie ihre alte Spielstätte längst verloren, später kaufte sich Wildmoser auch noch in die Arena in Fröttmaning ein.

Dann kam Ismaik - und die potentiellen Stars gingen

Als Investor Hasan Ismaik kam, war dann auch noch das Selbstbestimmungsrecht weg, außerdem gingen nach und nach jede Menge potenzieller Stars flöten, vor Ismaik etwa die Bender-Zwillinge, danach Volland und Weigl. Wenigstens das Grünwalder Stadion haben sie mittlerweile zurück, aber nur dank der sportlich und wirtschaftlich beispiellosen Talfahrt. Ein bisschen ist der Verein wie die Märchenfigur Hans im Glück, der anfangs einen Klumpen Gold hat und diesen so lange tauscht, bis er nichts mehr besitzt als zwei Steine - die ihm am Ende entgleiten und in einen Brunnen fallen.

Die Löwen stehen fast schon genauso blank da; nun ist auch noch das Schild für die alte Anzeigetafel im Grünwalder weg, jenes mit dem Aufdruck "TSV 1860", auf dessen Rückseite der Name "FC Bayern" zu lesen ist. Irgendein Lump hat es gestohlen und bei der Gelegenheit auch gleich noch eine Eckfahne. Die Sechziger trauern, die Polizei ermittelt und die ersten Ideen für Handyvideos gibt es bestimmt auch schon.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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