Linksaussen:Relegation in voller Blüte

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(Foto: N/A)

Warum das Wunder der stinkenden Titanwurz trotz einiger Parallelen rein gar nichts mit den Entscheidunsspielen im Fußball zu tun hat

Von Andreas Liebmann

Manchmal haben Dinge, die auf den ersten Blick ganz unabhängig voneinander geschehen, bei genauerer Betrachtung rein gar nichts miteinander zu tun. Dennoch sucht der Mensch gerne nach Zusammenhängen, weil er Zufälle nicht leiden kann. Ein Beispiel: Während in den Fußball-Amateurligen gerade die letzten Entscheidungen fallen, verfolgen Pflanzenliebhaber ein völlig anderes Spektakel, möglicherweise gar einen Weltrekord: Die Titanwurz blüht. Man sollte wissen, dass sich dieses eigenartige Gewächs Zeit lässt mit der Entfaltung seiner Blüte, alle paar Jahre ist mal eine fällig. Im Ökologisch-Botanischen Garten der Uni Bayreuth aber steht ein Exemplar, das erst vor zehn Monaten blühte - und nun schon wieder. Rekordverdächtig. Der errechnete Blühtermin lag irgendwo zwischen den Hinspielen der ersten und zweiten Relegationsrunde zur Fußball-Regionalliga Bayern, bis nächsten Mittwoch hätte die Pflanze also Zeit gehabt. Sie wählte den Samstag.

Liebhabern des rasanten Rasensports drängen sich hier natürlich einige Fragen auf: Wieso?, zum Beispiel. Und vor allem: Warum? Was treibt ausgewachsene Menschen dazu, sich für ein solches Ereignis zu interessieren? Die Blüte der Titanwurz ist nur wenige Stunden offen, sie sieht aus wie eine schrumplige, leicht angeschimmelte Stange Spargel, die aus einem rötlichen Salatblatt herauswächst; und sie sondert einen bestialischen Verwesungsgeruch ab. Am Rande sollte man vielleicht erwähnen, dass die Größe des Amorphophallus titanum recht ungewöhnlich ist, der Spargel wird bis zu drei Meter hoch. Dennoch: 12 000 Menschen hatten das zuletzt in Bayreuth sehen wollen. Irgendwie unglaublich, oder?

Andererseits: Den HSV und die Münchner Löwen wollten in deren Relegationsheimspielen ja auch je 57 000 Leute sehen. Verwesungsgeruch über den Stadien wurde zwar nicht bemerkt, aber auch diese Fans vermochten sich für etwas zu begeistern, das höchst selten einmal aufblüht - und selbst dann nicht gerade vor Schönheit strotzt. Wie gesagt, es gibt keinerlei Zusammenhang. Auch wenn sich das Bayreuther Blütenwunder fast komplett an den Terminkalender des DFB angepasst hat. Als es zuletzt blühte, am 1. August 2014, wurde die Zweitligasaison eröffnet, die Sechziger hielten sich noch für riesengroß, einige Tage später unterlagen sie in Kaiserslautern. 1860 II verlor an jenem 1. August übrigens 0:1 - in Bayreuth. 1400 Fans wollten das sehen. Der Rest schnupperte nebenan den Duft des Amorphophallus titanum.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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