Linksaußen:Playoffs, Baby!

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In England entscheidet die Relegation, wer den nächsten Geldspeicher in Dagobert-Duck-Manier errichtet. Im deutschen Amateurfußball ist das anders - aber auch schön.

Kolumne von Stefan Galler

Proppenvolle Stadien, nervenzerreißende Spannung, ungefilterte Emotionen - Entscheidungsspiele sind die Krönung am Ende einer langen Sportsaison. Das gilt für die Playoffs im Basketball und Eishockey genauso wie für die Relegation, die im Fußball über Auf- und Abstieg entscheidet. Und dabei muss es noch nicht mal um 200 Millionen Euro gehen wie in England, wo die Aufstiegsrunde zur Premier League darüber entscheidet, wer sich in bester Onkel-Dagobert-Tradition einen Geldspeicher bauen darf. In diesem Jahr ist es der Aston Villa FC, an den sich vielleicht noch ein paar Bayern-Fans erinnern: Europapokalfinale 1982, Rotterdam, 0:1.

Deisenhofen-Coach Sigurdsson trägt das ganze Jahr Playoff-Bart

Dazu passt, dass auch der Rekordmeister diesmal in den Relegationswahnsinn involviert war, wenn auch nur die zweite Mannschaft. Diese drehte im Kampf um den Drittligaaufstieg ein 1:3 aus dem Hinspiel gegen die Reserve des VfL Wolfsburg. Die noch ziemlich frische Legende besagt, dass das vor allem an der Anwesenheit einiger angetrunkener Bayernprofis lag, die tags zuvor den DFB-Pokal gewonnen hatten und die Amateure zum Triumph brüllten. Jedenfalls feierten sie den Aufstieg der Klubkollegen deutlich frenetischer als ihren eigenen Doublesieg zuvor auf dem Marienplatz. Alles eine Frage der Spannung. Oder, wie der Amerikaner sagt: "Playoffs, Baby!"

Es ist wahrlich ein Phänomen, wie Entscheidungsspiele die Massen elektrisieren. In Frankreich etwa hatte Ex-Meister Lens im Heimspiel gegen Erstligist Dijon 38 000 Zuschauer - und hätte womöglich doppelt so viele Karten verkaufen können. Selbst im Amateurfußball strömen die Menschen zur Relegation in Scharen ins Stadion. In Unterföhring, wo man normalerweise problemlos jeden Zuschauer per Handschlag begrüßen kann, sahen gegen Deisenhofen 800 Leute, wie sich der isländische FCD-Trainer Hannes Sigurdsson (der seinen Playoff-Bart übrigens das ganze Jahr über trägt) einem altbayerischen Wikinger-Ritual folgend mit Bier überschütten ließ.

Ja, sie haben einfach das gewisse Etwas, diese Hopp-oder-Topp-Spiele. Dafür lässt man alles stehen und liegen, so wie die Ehefrau von Heimstettens Trainer Christoph Schmitt, die gerade dabei war, die Urlaubskoffer zu packen, als sich herausstellte, dass die Mannschaft ihres Mannes noch einmal würde eingreifen dürfen. Ingolstadt purzelte aus der zweiten Liga, deshalb musste die FCI-Reserve ihren Platz in der Regionalliga räumen - und Familie Schmitt die Ferienreise verschieben. Merke: Wer einen Fußballtrainer heiratet, muss flexibel sein.

Apropos Urlaub: Italien schießt in Sachen Relegationsmodus den Vogel ab: Dort spielen sechs Zweitligisten (Plätze drei bis acht) in einem komplizierten Modus einen Aufstiegsplatz aus, wobei diesmal der Dritte nicht mittun durfte: Palermo wurde wegen "finanzieller Unregelmäßigkeiten" auf den letzten Tabellenplatz versetzt - Zwangsabstieg! Nun steht der ursprünglich Achte Cittadella vor dem Sprung in die Serie A. Vermutlich weil der Außenseiter das Motto voll verinnerlicht hat: Playoffs, Baby!

© SZ vom 03.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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