Linksaußen:Köpfe für die Geisterbahn

Lesezeit: 2 min

Hoodie-Burschen mullern, Dirndln werden abgecheckt, überall Influencer und Bubbas, Waver und Kiffer: Wo ist die Oide Wiesn, fragt die Bavaria.

Kolumne von Ralf Tögel

Grüß Gott ins Bajuwarenland, Halbzeit ist. Auf der Wiesn natürlich, recht hektisch ist es wieder. Da merk ich, dass ich a bisserl eingerostet bin. Sieht man gar nicht? Ach, Sie Charmeur. Oder soll ich lieber Gentleman sagen, fürchterlich mit diesen Anglizismen heutzutage, ich verstehe die jungen Leute gar nicht mehr. Kürzlich wollten mir ein paar Burschen mit Kapuzenpullis, äh Hoodies, an den Sockel mullern. Nicht was Sie denken, das kann man mit Wasser wieder wegwaschen. Ein Graffiti aufsprühen, die Bitch kann sich nicht wehren, hat einer gesagt. Wo soll das bloß hinführen, da werden Dirndln abgecheckt, es wird gechillt, man ist geflasht und irgendwann slappen sich dann die Kerle. Überall Influencer und Bubbas, aber ich will nicht flamen, es wird wieder vorüber gehen. Ich hab ja schon manches erlebt: eine Kronprinzen-Hochzeit, die Cholera, Nazis, Rock 'n' Roller, Waver, Kiffer, Punker, Skinheads, Grufties, Skater, Rapper - und ich bin immer noch da.

Wissen Sie, was das Neueste ist? Selfies mit Fish gape, da stehen die da unten, ziehen eine Grimasse und fotografieren sich selber. Dabei kriegen die meisten früher oder später sowieso ein Fischmaul, spätestens wenn sie den Kotzhügel besteigen. Da freu ich mich doch auf die Italiener, schon wegen der Sprache. Was die wohl denken, wenn sie überall die Plakate mit Gesichtern sehen, die an jedem Baum und jeder Laterne hängen? Sind das die Festwirte? Die neuen Gespenster für die Geisterbahn? Woher sollen sie wissen, dass Wahl ist in Bayern?

Auch dieser Spuk ist bald vorbei. Da fällt mir der neue Stürmer vom EHC Red Bull ein, die Eishockeyspieler waren ja schon da. Als ich den lachen sah mit seiner riesigen Zahnlücke, da bin ich auch erst mal erschrocken. Den Wiesn-Dreikampf haben sie gewonnen, gegen die 1860-Kicker und Herrschings Volleyballer. Wie immer. Wie soll denn auch ein dürrer Volleyballer oder so ein Fußball-Hänfling im Masskrugstemmen gegen einen Brocken wie Trevor "Olympia" Parkes bestehen? Vielleicht machen ja mal die Bayern-Basketballer mit, die haben doch so einen neuen Muskelberg aus der NBA. Spitzenhandballer gibt es ja keine in der Stadt, das wäre mal ein Gegner.

Übrigens: Diese Saison gibt es zehn Heimspiele von Mannschaften, die gegnerische Fans auf die Wiesn bringen. Zweimal die FCB-Fußballer, zweimal die Basketballer, dreimal der EHC, deutsche Meister ziehen halt. Die drei der Löwen hab ich dazugezählt - nicht aus Mitleid, aus Tradition. Glück hat die Wiesn bisher nicht gebracht, die Bayern haben 1:1 gegen Augsburg gespielt. Das haben die Datschiburger ordentlich gefeiert da unten. Und die Löwen haben verloren, 1:2 gegen Wiesbaden, ausgerechnet.

Wussten Sie eigentlich, dass die ganz schamlos unser Oktoberfest kopieren? Mit Bieranstich, Wiesn-Gaudi und "heimischen Blaskapellen"? Was soll das bitte sein? Die hessischen Rheintaler? Alles billiger Abklatsch, und wissen S' warum? Mich gibt's nur in München!

Herzlichst, Ihre Bavaria

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: